News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben .  Technologie 
 
"Biotech-Geige" schlägt Stradivari  
  Es muss nicht immer eine Stradivari sein: Bei einem Blindtest in Deutschland empfand eine Fachjury den Klang eines aus pilzbehandeltem Holz gebauten Musikinstruments schöner als die Klassiker-Geige.  
Zwei "Biotech-Instrumente" traten an einer Veranstaltung in Osnabrück gegen eine zwei Millionen Dollar (1,377 Mio. Euro) teure Stradivari des britischen Starviolinisten Matthew Trusler und gegen zwei "normale" Geigen an, wie die Schweizer Eidgenössische Materialforschungsanstalt EMPA mitteilte.
Klangqualität nicht objektiv messbar
 
Bild: Egmont Seiler

Die fünf verschiedenen Modelle im Test. Rein äußerlich sind die Modelle kaum zu unterscheiden.

Trusler spielte hinter einem Vorhang, sodass das Auditorium die Instrumente nicht erkennen konnte.

Einer Mehrheit sowohl der Fachjury als auch der übrigen Zuhörer gefielen die Klänge der pilzbehandelten Geige "Opus 58" am besten.

Die Stradivari kam auf den zweiten Platz. Die Beurteilung sei subjektiv, räumt die EMPA ein. Für die Klangqualität gebe es kein naturwissenschaftliches Messverfahren.
...
Ein historischer Vergleich
Den wohl berühmtesten Test hat die englische BBC in den 1970er Jahren organisiert. Dabei sollten die weltberühmten Geiger Isaac Stern und Pinchas Zukerman sowie der englische Geigenhändler Charles Beare zwischen der "Chaconne"-Stradivari aus dem Jahr 1725, einer "Guarneri del Gesu" von 1739, einer "Vuillaume" von 1846 und einer vom englischen Geigenbaumeister Roland Praill gebauten Geige gleichen Namens unterscheiden. Das Resultat fiel ernüchternd aus. Keiner der Juroren identifizierte mehr als zwei der vier Instrumente korrekt, zwei hielten die modernde Geige sogar für die "Chaconne"-Stradivari.
->   Antonio Stradivari, Wikipedia
...
Die Tricks der Geigen
Möglich wurde das "Klangwunder" dank des Pilzes Xylaria longipes, einem Erreger der Weißfäule. EMPA-Forscher behandelten Holz mit dem Pilz. Dieser treibt Fäden ins Holz, welche die Zellwände an ganz bestimmten Stellen abnagen und so die Holzdichte verringern. Mit diesem "Trick" wird eine hohe Holzqualität erreicht.

Stradivari seinerseits profitierte vom Klima im 17. Jahrhundert. Damals herrschten nämlich während der sogenannten Kleinen Eiszeit außergewöhnlich tiefe Temperaturen.

Die langen Winter und kühlen Sommer sorgten dafür, dass die Bäume in den Südalpen nur langsam, dafür aber gleichmäßig wuchsen. Das war für den Geigenbauer gut. Das Holz hatte gleichmäßige, dünne Jahresringe und eine relativ geringe Dichte: hervorragende Voraussetzungen für einen guten Klang.

[science.ORF.at/APA/sda, 10.9.09]
->   Xylaria longipes, Wikipedia
->   Eidgenössische Materialforschungsanstalt EMPA
Mehr zu dem Thema:
->   Der akustische Fingerabdruck der Stradivari
->   Klanggeheimnis der Stradivari-Geigen entschlüsselt
->   Das Geheimnis des guten Tons
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben .  Technologie 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010