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Open Access führt oft zu leeren Archiven  
  Freier Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen für alle? Das wird zwar mittlerweile von vielen wissenschaftlichen Institutionen gefordert und gefördert. Die Umsetzung in die Praxis sieht aber oft anders aus - und das liegt nicht nur an den großen Fachverlagen, die um ihre Einkünfte bangen.  
Forscher sind auf freien Zugriff zu wissenschaftlicher Information angewiesen. Naturgemäß unterstützen sie viele "Open Access"-Initiativen mit dem Ziel, wissenschaftlichen Publikationen für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Es steigert nicht zuletzt den Bekanntheitsgrad ihrer Arbeit und erhöht die Chance, dass sich andere Forscher darauf berufen - immerhin ist erwiesen, dass Open-Access-Studien häufiger zitiert werden als andere. Ein offenes digitales Archiv und ein verbesserter Datenaustausch - für die meisten Forscher spricht nichts dagegen.
Steine im Weg
Ein Bericht im Fachmagazin "Nature" zeigt auf, dass es oft bei Lippenbekenntnissen bleibt und daran sind nicht nur die geschäftlichen Interessen der Verlage schuld, sondern die Beteiligten, die sich oft selbst Steine in den Weg legen. Beispielsweise scheiterte das digitale Archiv der Rochester Universität in New York, obwohl das System fertigprogrammiert war.

Als es an der Zeit war, Forschungsarbeiten in das Archiv zu stellen, standen sich die Wissenschaftler selbst im Weg: Sie konnten ihre Daten nicht finden, verstanden nicht wie das Archiv funktioniert oder beklagten, dass sie keine Zeit hätten, sich damit zu beschäftigen.

Die Folge: In vielen Archiven herrscht gähnende Leere. Viele Fragen der Forscher bleiben meist unbeantwortet: Auf welche Rechte müssen sie verzichten? Welche neuen Formen des Missbrauchs rollen auf sie zu? Woher sollen sie die Zeit nehmen, sich damit zu beschäftigen?
Fehlende Infrastruktur
Auch die Forscher des Internationalen Polarjahres (IPY) 2007/2008 versuchten ihre Daten sinnvoll zu verarbeiten: Sie verlangten nach einem System, dass alle Daten der Öffentlichkeit schnell, vollständig und frei zur Verfügung stellt. Forschungsergebnisse, die die Arktis betreffen, spät zu veröffentlichen hätte keinen Sinn ergeben, denn dann wäre es keine Momentaufnahme, sondern hätte ein Bild der Arktis geliefert, wie es sie schon lange nicht mehr gibt.

Der zuständige Manager, der das Programm erstellte, musste feststellen: Es gibt viele verschiedene Informationen, viel zu viele Möglichkeiten sie zu verarbeiten und keine vorhandene Infrastruktur, um den Datenaustausch zu ermöglichen.
Quantität und Qualität
Dem Open Access stehen noch eine Reihe an anderen Problemen im Weg, beispielsweise die Frage, was die Quantität und Qualität der Information betrifft: Sollte man immer alle Daten und Forschungsergebnisse veröffentlichen? Diese Frage stellte sich auch das "US National Science Foundation's Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory (LIGO)": Dort erfassen Detektoren Gravitationswellen, die auf seltene Phänomene wie zum Beispiel kollidierende schwarze Löcher hinweisen.

Bis jetzt entdeckten die Forscher noch nichts dergleichen. Das liegt jedoch daran, dass die Gravitationswellen sehr schwach sind und um sie messen zu können, müssen die Wissenschaftler jeder Spur nachgehen - in diesem Fall bedeutet das auch das Messen von schwachen Erdbeben oder den Bewegungen des Surfers im Meer. LIGO stand vor folgendem Problem: Sollten sie alle Daten veröffentlichen oder nur die, die wirklich auf eine Gravitationswelle hinweisen könnten?

Ein weitere Hürde betrifft die Vereinheitlichung der Daten: Übereinstimmende Formatierungen und gemeinsame Regeln betreffend der Zitate sind notwendig, um ein gemeinsames System entwickeln zu können.
Funktionierender Datenaustausch
"Wir glauben, dass funktionierender Datenaustausch eine Frage der Zeit ist", erklärt Miguel Hernan, ein Epidemiologe der Harvard Universität. Open Access funktioniert, beispielsweise für Physiker, Mathematiker und Informatiker, die arXiv.org nutzen.

"The International Council for Science's World Data System" versorgt Wissenschaftler, die sich mit Geophysik und Biodiversität beschäftigen, und Astronomen arbeiten mit der International Virtual Observatory Alliance - sie alle sind aber noch Ausnahmen, die die Regel bestätigen.

Die technische Infrastruktur solle man nicht den Non-Profit-Organisationen überlassen, erklärt James Boyle, Professor an der Duke Universität in Durham. Es brauche staatliche Förderungen und vor allem Projekte, die zeigen, wie der Datenaustausch im besten Fall funktionieren könnte.

[science.ORF.at, 14.09.09]
->   "Nature"-Schwerpunkt zu "Data sharing"
->   Rochester Universität New York
->   The International Polar Year
->   Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory (LIGO)
->   Miguel Hernan
->   James Boyle
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   "Open Access" sollte Qualitätskriterium werden
->   Plädoyer für "Open Access" in der Wissenschaft
->   Open-Access-Studien werden häufiger zitiert
 
 
 
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01.01.2010