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Therapie des Lungenhochdrucks  
  Lungenhochdruck galt noch vor fünfzehn Jahren als nicht therapierbar. Ein Symposion in Wien stellt nun zukunftsweisende Behandlungsmöglichkeiten dieser gefährlichen Krankheit vor, von der in Österreich nach Schätzungen über vierzigtausend Menschen betroffen sind.  
Die neue Therapieentwicklung basiert vor allem auf der Einbeziehung zellbiologischer Erkenntnisse. Das Symposion wird darüber hinaus auch über zukünftige biotechnologische Entwicklungen bei der generellen Therapie von Gefäßkrankheiten informieren.
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Future Treatment of Pulmonary Hypertension
Internationales Symposium
Wien, 23. Juni 2001
Tagungsort: Hotel Intercontinental

Der wissenschaftliche Leiter des Symposions, Dr. Rolf Ziesche von der Klinischen Abteilung für Pulmologie der IV. Medizinischen Universitätsklinik Wien erläutert in seinem Beitrag für science.orf.at das Krankheitsbild und die neuen Therapiemöglichkeiten.

Informationen zum Programm des Symposiums sowie Anmeldeunterlagen (PDF-Format) können Sie unter folgender Internet-Adresse finden:
->   Programm und Anmeldung
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Zukunftstherapie des Lungenhochdrucks
Ein Originalbeitrag von Rolf Ziesche

Beim Lungenhochdruck, in der medizinischen Fachsprache Pulmonale Hypertonie (PH) genannt, handelt es sich um eine Druckerhöhung im Lungenkreislauf, das heißt in den Gefäßen der Lunge, die das Blut von der rechten zur linken Herzkammer transportieren. Die fortschreitende Druckerhöhung belastet dabei das rechte Herz über das normale Maß hinaus.
Fehlgesteuerte Wundheilung
Die Entstehung des Lungenhochdrucks wird heute als Folge einer 'fehlgesteuerten' Wundheilung nach Gewebsschädigung gesehen, wobei die Lungenarterien durch übermäßig wachsende 'Reservezellen' fortschreitend eingeengt werden. Die kleinen Lungenarterien wachsen förmlich zu. Dadurch wird der Blutfluss durch die Lunge zunehmend erschwert.
Schwierige Diagnose
Die Frühsymptome der Erkrankung sind unspezifisch und werden deshalb oft nicht richtig zugeordnet bzw. als Folge einer 'mangelnden Kondition' abgetan: Müdigkeit, Herzklopfen (erhöhter Puls) sowie Atemnot bereits bei 'normaler' Belastung.

Aufgrund der Mehrdeutigkeit dieser Erstsymptome und der für den niedergelassenen Arzt relativ seltenen Diagnose wird Lungenhochdruck meist übersehen oder erst sehr spät als Ursache der Beschwerden erkannt.
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Gefährlich wie Krebserkrankungen
Verlässliche epidemiologische Daten fehlen zur Zeit. Schätzungen gehen davon aus, dass in Österreich mindestens 40.000 Menschen, wahrscheinlich mehr, darunter auch Kinder und Jugendliche, an dieser Erkrankung leiden.

Nach Schätzungen der WHO sind weltweit etwa 17 Millionen Menschen davon betroffen. Gerade auf Grund der schwierigen Diagnose ist die Dunkelziffer sehr hoch. Unbehandelt führt die Krankheit meist innerhalb von 3 bis 5 Jahren (!) zum Tode und ist daher in ihrer Gefährlichkeit durchaus mit Krebserkrankungen zu vergleichen.
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Neue Therapie am Wiener AKH entwickelt
Mit Hilfe der Zellbiologie und quasi als Bestätigung der Wichtigkeit biologischer Ansätze in der Medizin konnte an der Universitätsklinik für Lungenheilkunde am Wiener AKH, die seit ihrer Gründung im Jahr 1991 an der Erforschung der Pulmonalen Hypertension federführend beteiligt ist, eine neue Lungenhochdruck-Therapie mit dem körpereigenen Transmitterstoff VIP (Vaso-intestinal Peptide) entwickelt werden.

Die Substanz hat eine antiproliferative (d.h. die Zellteilung und damit das Zellwachstum negativ beeinflussende), entzündungshemmende und gefäßerweiternde Wirkung. Bei der Anwendung am Menschen konnte erstmals gezeigt werden, dass VIP den Lungenhochdruck wirksam bekämpft. Bei Inhalation besteht zudem der Vorteil, dass praktisch keine Nebenwirkungen auftreten.

Gemeinsam mit anderen neueren Medikamenten (wie z.B. Prostazyklin) verabreicht, kann die Substanz sogar zur Behandlung schwerster Formen des Lungenhochdrucks verwendet werden.
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Das medizinische Verständnis zur Pathologie des Lungenhochdrucks und anderer Gefäßerkrankungen wurde durch die Möglichkeiten der molekularen Zellbiologie grundlegend verändert: Erkennbare Fehlfunktionen können jetzt erstmals unter klinischen Bedingungen erfasst und medizinisch verwertet werden.

Die Erkrankung von Gefäßen wird zunehmend als Verstellung im wichtigsten Strukturerhaltungs-'Programm' des menschlichen Körpers verstanden: der Wundheilung. Es handelt sich dabei um einen medizinischen Paradigmenwechsel, der weit über den klinischen Bereich des Lungenhochdrucks hinaus geht.
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Symposion zur Zukunftstherapie des Lungenhochdrucks
Die neue VIP-Therapie wird im Rahmen des weltweit 1. Symposiums zur Zukunftstherapie des Lungenhochdrucks präsentiert.

Parallel zum wissenschaftlichen Teil des Symposiums wird auch eine Patientenveranstaltung durchgeführt, bei der u.a. Hinweise für den Umgang mit den Therapieinstrumenten Inhalator und Infusionspumpe gegeben und psychologische Aspekte der Erkrankung beleuchtet werden.
Gesundheitsinitiative Lungenhochdruck
Gemeinsam mit dem Österreichischen Selbsthilfeverein Lungenhochdruck rief die Universitätsklinik für Pulmologie vor kurzem auch die 'Gesundheitsinitiative Lungenhochdruck' ins Leben. Sie hat das Ziel, betroffenen Patienten und Ärzten sowie den Gesundheitsbehörden und der Pharmaindustrie eine gemeinsame Informationsplattform zu bieten, um einen raschen Austausch wesentlicher klinischer und biologischer Daten zu ermöglichen.
Frühsymptome: Informationen für Ärzte
Die Gesundheitsinitiative Lungenhochdruck hat auch zum Ziel, die Ärzteschaft und die Öffentlichkeit verstärkt über Lungenhochdruck zu informieren. Damit soll der Diagnose-Zeitrahmen für pulmonale Hypertonie (derzeit rund 2 Jahre) wesentlich verkürzt werden.
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Bis vor 15 Jahren unbehandelbar
Bis noch vor rund 15 Jahren galt Lungenhochdruck als praktisch unbehandelbar. Die einzige Verbesserungsmöglichkeit bestand im Organersatz, d.h. in einer Lungen- oder Herz-Lungen-Transplantation. Die Hauptprobleme dabei: die unzureichende Zahl von Spendern und die regelmäßig zu beobachtende chronische Abstoßungsreaktion mit einer mittleren Überlebenszeit von etwa 6,5 Jahren nach Ersttransplantation.
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Information und Aufklärung
Neben der Schaffung eines dichteren Netzes von Behandlungszentren ist es notwendig, in nächster Zukunft vor allem Informations- und Aufklärungsarbeit bei niedergelassenen PulmologInnen, sowie MedizinerInnen der Fachgruppen Allgemeinmedizin, Kardiologie, Rheumatologie, Dermatologie und Kinderheilkunde zu leisten, um die unspezifischen Frühsymptome der Erkrankung rechtzeitig zu erfassen und die Patienten an geeignete Zentren weiterzuleiten.

Dr. Rolf Ziesche
Klinische Abteilung für Pulmologie
IV. Medizinische Universitätsklinik Wien
->   AKH
 
 
 
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01.01.2010