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ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 
Macht erlahmender Golfstrom Europa kälter?  
  Das nordwestliche Europa verdankt sein mildes Klima dem zyklisch auftretenden Golfstrom, der mit seinem warmen Wasser Palmenwachstum in Irland ermöglicht. Doch der bisher verlässlich arbeitende Wasserkreislauf scheint zunehmend gestört. Die klimatischen Folgen für Europa sind derzeit noch nicht absehbar - und könnten Nordwesteuropa um fünf Grad kälter machen.  
Der Wasserstrom aus den Tiefen des Nordpolarmeeres in den Atlantischen Ozean, als Teil des Golfstrom-Zyklus, ist seit 1950 vermutlich um mindestens 20 Prozent zurück gegangen, wie Bogi Hansen und Kollegen vom Faroese Fisheries Laboratory, Faröer-Inseln, in der aktuellen Ausgabe von Nature berichten (Nature 411, S. 927-930; 2001).
Anhaltender Trend mit negativen Folgen?
Die Folgen aus diesem beobachteten Rückgang hängen allerdings zusätzlich vom Verhalten anderer Zulaufquellen ab. Wird dieser Rückgang nicht durch einen erhöhten anderweitigen Zustrom kompensiert, so könnte der Wasserfluss in die Tiefen des Atlantischen Ozeans in ähnlichem Ausmaß reduziert werden.

Da die vom Golfstrom transportierte Wärme das besonders milde Klima im nordwestlichen Europa bewirkt, könnte der Trend, sofern er andauert, tiefgreifende Folgen für das europäische Klima nach sich ziehen.
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Golfstrom
1513 von dem spanischen Seefahrer Ponce de León beschriebene, warme Meeresströmung im nördlichen Atlantischen Ozean. Der Golfstrom entsteht aus der Vereinigung von Floridastrom und Antillenstrom nördlich der Bahamainseln. Er verläuft als 30-50 Kilometer breites Stromband mit Geschwindigkeiten bis zu 2,5 m/s bis Kap Hatteras, wo er durch das Nordamerikanische Becken bis südlich der Neufundlandbank fließt. Der Wassertransport beträgt 50 Millionen m3/s am Ausgang der Floridastraße und nimmt bis südlich von Neufundland auf maximal 150 Mio. m3/s zu, wobei die warmen Wassermassen bis zu 1.500 Meter Tiefe reichen. Der Golfstrom ist Teil des Golfstromsystems, das mit seinen bis nach Spitzbergen reichenden warmen Strömungen das Klima Nordwesteuropas entscheidend beeinflusst.
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Immer weniger Wasser
Wie ein riesiger Kreislauf fließt kaltes und deshalb dichteres Wasser aus der Nordpolregion am Meeresboden des Atlantik in Richtung Tropen, steigt dort auf, erwärmt sich und strömt in der Nähe der Oberfläche als Golfstrom nach Norden zurück, um dort erneut abzusinken.

Ohne die permanente Wärmezufuhr des Golfstroms würde es kalt und feucht in Europa, England wäre im Durchschnitt wohl um fünf Grad Celsius kälter. Das komplexe System hat sich im Laufe der Klimaevolution mehrmals verändert und damit die Witterung Europas entscheidend verändert.
Aussagekräftiger Wasserstrom bei Shetland-Inseln
Ein Drittel dieser Wasser muss die 840 Meter tiefe Meeresenge zwischen den Shetland- und den Färöer-Inseln passieren. Diesen Wasserfluss hat jetzt das Team um Bogi Hansen genau berechnet. Ausgehend von existierenden hydrografischen Daten untersuchten sie mittels des sogenannten "Acoustic Doppler Current Profiler" (ADCP) kontinuierliche Geschwindigkeitsprofile im Wasserfluss.

Die Auswertung ergab, dass das kalte Tiefenwasser an dieser Stelle mit Geschwindigkeiten zwischen mehreren Zentimetern und mehr als einem Meter pro Sekunde nach Süden fließt. Doch die wirkliche Überraschung brachten die Ergebnisse über die jährlichen Durchflussmengen.
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Die Strömungsverhältnisse im Atlantik
Die Hauptmasse des Südäquatorialstroms wird durch die Form Südamerikas in den nördlichen Atlantik abgedrängt, wo er mit dem Nordäquatorialstrom Quellströmung für den Golfstrom wird. Ein Teil biegt vor Erreichen der Neufundlandbank nach Süden ab und verbleibt als Golfstrom-Rezirkulation im westlichen Atlantik. Ein Zweig biegt im Bereich der Azoren nach Süden um und geht in den Kanarenstrom über, ein weiterer Teil fließt als Atlantischer Strom in die west- und nordeuropäischen Gewässer. Der Atlantik hat im Norden im Ostgrönland- und Labradorstrom, im Süden in der Südpolardrift teil am polaren Zirkulationssystem. Von diesen Strömen sind Südäquatorialstrom, Karibische Strömung und Golfstrom sehr beständig mit 75 Prozent Strömungskonstanz und Geschwindigkeiten von zwei km/h.
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Deutliche Abnahme sichtbar
Zwischen Ende 1995 und Sommer 2000 konnten die Wissenschaftler eine Abnahme des kalten Tiefenwasser-Stroms von zwei bis vier Prozent pro Jahr feststellen. Während der zurückliegenden 50 Jahre ist die Gesamtwassermenge dabei um nahezu 20 Prozent zurückgegangen - d.h. dass sich dieser Trend immer mehr verstärkt hat.

In Zusammenhang bringen das Wissenschaftler mit der Tatsache, dass die arktischen Eismassen infolge der globalen Klimaerwärmung zurück gehen.
Immer mehr Süßwasser im Nordatlantik
Die schrumpfenden Eismassen bringen immer größere Mengen an Süßwasser in den Nordatlantik ein. Die Dichte des so verdünnten Salzwassers nimmt zunehmend ab und kann deshalb nicht mehr so leicht in die Tiefe sinken. Genau das ist aber für die Aufrechterhaltung des Golfstrom-Zyklus von entscheidender Bedeutung.

Untersuchungen norwegischer Forscher scheinen den Negativtrend zu bestätigen: Der Salzgehalt in der Meeresstraße zwischen den Färöer- und Shetland-Inseln ist innerhalb der letzten zwanzig Jahre um 0,02 Gramm pro Liter gesunken.
Ursachen noch nicht geklärt
Bei der Beurteilung der vorliegenden Ergebnisse herrscht allerdings unter den Forschern noch Zurückhaltung. Es sei nicht auszuschließen, dass es längerfristig zu einer Verlagerung des Nordatlantischen Tiefenstroms kommt. Die kalten Wassermassen würden dann eventuell auf anderen Wegen nach Süden strömen.

Wäre aber tatsächlich eine Abnahme im Strom kalten Wassers nach Süden zu verzeichnen, könnte das stark abkühlende Wirkung auf die Witterung in Europa haben. Dann würden in Irland Bedingungen wie im heutigen Norwegen herrschen.

(red)
->   Marine Laboratory, Aberdeen
->   Bjerknes Centre for Climate Research and Geophysical Institute, Bergen, Norway
Unter dem Titel " Decreasing overflow from the Nordic seas into the Atlantic Ocean through the Faroe Bank channel since 1950", kostenpflichtig).
->   Originalartikel in 'Nature'
 
 
 
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01.01.2010