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Krisenfestes Leben  
  Das für das Leben vieler Organismen wichtige chemische Element Stickstoff wird von Bakterien aus der Luft gewonnen. Doch das war nicht immer so. Ein massiver Einbruch in der Stickstoff-Konzentration in der Frühzeit unseres Planeten brachte das Leben dazu, den energetisch aufwendigen Fixierungsprozess von atmosphärischem Stickstoff zu entwickeln.  
Dies berichten Rafael Navarro-Gonzalez und seine Kollegen von der National University of Mexico in der aktuellen Ausgabe von "Nature". Sie rekonstruierten eine breite Palette möglicher Zustände, in der sich die Erdatmosphäre vor über zwei bis drei Milliarden Jahren befand.
Warum ein aufwendiger Mechanismus?
Darüber hinaus simulierten sie Blitze, die ebenfalls Stickstoff in verwertbare Verbindungen verwandeln können, mittels Laser im Labor. Blitze können atmosphärischen Stickstoff so umformen, dass dieser mit Wasserstoff oder Sauerstoff reagieren kann.

Dies war einer der wesentlichen Gründe für das Erstaunen der Wissenschaftler darüber, dass Bakterien jenen energieaufwendigen Mechanismus der Stickstoff-Fixierung aus der Atmosphäre im Laufe der Evolution entwickelt haben.
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Die Erde vor zwei bis drei Milliarden Jahren
Das Archaikum ist die Zeit, in der die ersten Zellen entstanden. Die Erdatmosphäre bestand in dieser Frühzeit vorwiegend aus Wasserdampf, Methan, Ammoniak, Wasserstoff, Kohlendioxid und Schwefelwasserstoff. Die Erdkruste war genügend abgekühlt, sodass sich die Landmassen bildeten. Die ersten Sedimente vor ca. 3,8 Milliarden Jahre waren grau, ein Zeichen für reduziertes Eisen. Dies ist nur in einer Sauerstoffarmen Atmosphäre möglich. Ab 2,6 Milliarden Jahren fand man die typischen gebänderten Eisenformationen mit abwechseln roten und grauen Eisenschichten im Silikat. Aus dem Archaikum stammen auch die ältesten Fossilien. Es sind Cyano-Bakterien in präkambrischem Gestein aus Australien. Sie sind 3,5 Milliarden Jahre alt.
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Stickstoff-Krise in der Urzeit
Die Wissenschaftler errechneten, dass durch das Absinken
des Kohlendioxid-Gehaltes der Luft vor über zwei Milliarden Jahren um 20 Prozent gleichzeitig die Fähigkeit der Stickstoff-Fixierung durch Blitze und Gewitter noch um einen wesentlich größeren Faktor fiel. Das damals hauptsächlich auf Bakterien beschränkte Leben fiel sozusagen in eine "Stickstoff-Krise", wie die mexikanischen Wissenschaftler erklärten.

Kohlendioxid war ein Schlüsselfaktor in der Frühzeit des Lebens, da Sauerstoff vor 2 Milliarden Jahren noch sehr knapp war. Denn Sauerstoff, den die Bakterien benötigten, um Stickstoff in eine Form umzuwandeln, den sie nutzen konnten, konnte nur von Wasser oder Kohlendioxid kommen.
Zwei Gründe für das Absinken des Kohlendioxids
Laut den Forschern sank der atmosphärische Kohlendioxid-Gehalt vor über zwei Milliarden Jahren aus zwei Gründen: Erstens verringerte sich die Anzahl des extraterrestrische "Materialeintrages" aus dem Weltraum, der Kohlenmonoxid in Kohlendioxid oxidierte.

Gleichzeitig wuchsen die Kontinente und förderten dabei Mineralien an die Oberfläche, die mit dem Kohlendioxid der Luft reagierten und es dabei der Erdatmosphäre nach und nach entzogen.
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Stickstoff
farb-, geschmack- und geruchloses Gas, Atommasse 14,0067, Ordnungszahl 7, Siedepunkt -195,8 °C, Schmelzpunkt -210,5 °C; atomarer Stickstoff, N, ist sehr reaktionsfreudig, während Sickstoffdioxid, ein extrem stabiles Molekül ist. Distickstoff bildet mit 78,08 Volumen-Prozent den Hauptbestandteil der Luft. Gebunden mit anderen Atomen findet sich Stickstoff u. a. in Nitraten, Ammoniak, tierischen und pflanzlichen Proteinen und DNA/RNA. Zwischen der obersten Erdschicht und der Atmosphäre findet ein Stickstoffkreislauf statt. Nur Bakterien sind in der Lage, den Luftstickstoff zu binden. Stickstoff wird von Pflanzen und Tieren in großen Mengen zum Aufbau der Proteine benötigt. Durch den Proteinabbau gelangt Ammonium wieder in den Boden, wird in Nitrat umgewandelt und über Denitrifikation als Nitratstickstoff in molekularen Stickstoff umgebaut und kann so in die Atmosphäre entweichen.
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100 Millionen Jahre Troubleshooting
Vor rund 2.2 Milliarden Jahren begann die errechnete "Stickstoff-Krise" und sie dauerte an die 100 Millionen Jahre. Danach begannen photosynthetisch aktive Bakterien verstärkt Sauerstoff in die Atmosphäre abzugeben und die durch Gewittertätigkeit vorhandene Stickstoff-Fixierung nahm zu dem Zeitpunkt wieder ab.

In diesem 100 Millionenjahre-Fenster entwickelte sich laut den mexikanischen Wissenschaftlern die energieaufwendige Stickstoff-Fixierung der Bakterien. Für den Botaniker John Raven von der schottischen Dundee University sind die vorliegenden Ergebnisse sehr plausibel.
Konkurrenz-Theorien
Eine mögliche "Bedrohung" für die neue Theorie der Stickstoff-Fixierung könnte aus der noch nicht ganz geklärten Rolle des Methans in der frühen Atmosphäre erwachsen. Atmosphärisches Methan könnte auch als Quelle für den durch Gewitterblitze fixierten Stickstoff dienen, indem es durch Reaktionen die dargestellte "Stickstoff-Krise" hätte auslösen können.

(red)
->   Instituto de Ciencias Nucleares, Universidad Nacional Autonoma de Mexico
->   Space Science Division, NASA-Ames Research Center
Originalartikel in 'Nature'(Nature 412, 61 - 64 (2001) unter dem Titel "A possible nitrogen crisis for Archaean life due to reduced nitrogen fixation by lightning "(kostenpflichtig)
->   Originalartikel in 'Nature'
 
 
 
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01.01.2010