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Gentechnik-Debatte in Deutschland  
  Ähnlich wie in Österreich und in anderen europäischen Staaten diskutiert man in Deutschland momentan ethische, soziale, medizinische, juristische, wirtschaftliche und politische Standpunkte zur Gentechnik.  
Eine klare Meinung dazu gibt es noch nicht, im deutschen Bundestag wurde eine Enquete-Kommission beauftragt, einen Standpunkt herauszubilden, daneben gibt es einen Ethik-Rat, der sich mit dem Thema beschäftigt und auch die deutsche Forschungsgesellschaft diskutiert öffentlich darüber.
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Debatten-Serie in science.orf.at und Ö1
Eine Serie über die weltweite Gentechnik-Debatte ist diese Woche im Ö1-Mittagsjournal zu hören, 9.-13. Juli, jeweils ab 12 Uhr. Der jeweilige Bericht erscheint auch in science.orf.at.

Bisherige Berichte:

Stammzellen: Die Diskussion im Überblick (09.07.01)

Es folgen weitere Korrespondentenberichte aus den USA (Mittwoch) und aus Großbritannien (Donnerstag). Am Freitag schließlich veranstaltet die ÖVP die erste österreichische Bioethik-Konferenz. Anlass für einen Überblick über die Debatte in Österreich.
->   Radio Österreich 1
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Antrag auf Stammzellenforschung erhitzt Gemüter
Die Debatte in Deutschland hat sich an einem Antrag der Bonner Neuropathologen und Stammzellenforscher Othmar Wiestler und Oliver Brüstle erst richtig entzündet. Sie wollen embryonale Stammzellen aus Israel importieren und an ihnen forschen.
Debatte quer durch die Reihen
Die breite Debatte geht in Deutschland quer durch die Reihen, weder in den Parteien noch in Interessensgruppen, auch nicht unter Forschern gibt es einhellige Standpunkte. Lediglich die katholische Kirche sagt ganz klar: Lasst die Finger davon.

Zwei Themen stehen im Vordergrund: die Forschung an embryonalen Stammzellen und die PID, die Präimplantationsdiagnostik.
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PID und embryonale Stammzellen
Embryonale Stammzellen gewinnt man bei künstlicher Befruchtung im Reagenzglas, kurz nachdem sich die Eizelle ein paar Mal geteilt hat. Diese Zellen können alles werden: Nerven, Muskel oder Organe, daher versprechen sich die Forscher viel von ihnen. PID heißt, dass mögliche schwere Erb-Krankheiten oder erbliche genetische Defekte an künstlich gezeugte Embryonen untersucht werden, ehe sie im Mutterleib eingesetzt werden.
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Juristische Fragestellungen der Stammzellenforschung
In der Diskussion zeichnen sich in Deutschland vier Bereiche ab. Zunächst der juristische: Das Embryonen-Schutzgesetz, vor 10 Jahren beschlossen, legt fest, dass an Embryonen, die in Deutschland künstlich gezeugt wurden, nicht geforscht werden darf.
Import nicht explizit ausgeschlossen
Der Import solcher Zellen ist aber nicht explizit ausgeschlossen worden, weil er damals völlig unwahrscheinlich war. Eine Lücke, die sich die Forscher zunutze machen wollen:

Tatsächlich sollen auch bereits derartige Zellen nach Deutschland importiert worden sein, völlig legal und unbemerkt von der Öffentlichkeit, geforscht wurde aber an ihnen noch nicht.
Ethik-Debatte um das Töten von Embryonen
Die Ethik bildet den zweiten Teil der Diskussion in Deutschland. Ist es ethisch vertretbar, lebende Embryonen zu töten, um an einer ihrer Zellen zu forschen, lautet die Frage?
Gegenargumente: Abtreibung und Spirale
Vor allem konservative Politiker haben vor den Folgen mit den Worten gewarnt, damit werde der Rubikon überschritten. Ihnen wird entgegengehalten, dass es jährlich Tausende Abtreibungen gibt.

Auch die Spirale als Empfängnisverhütung wird häufig eingesetzt. Sie sorgt dafür, dass ein Embryo in einem viel späteren Stadium vom Körper abgestoßen wird, als jenes, in dem die Forscher ihre Zellen gewinnen wollen.
PID als "zynische Auslese"
Gleiches gilt für die PID: Embryonen vor der Einpflanzung in den Mutterleib auf Erbkrankheiten zu untersuchen, sei eine besonders zynische Auslese moderner Art, heißt es.

Doch tatsächlich werden Embryonen schon heute sehr viel später bei so genannter medizinischer Indikation abgetrieben, wenn also schwere Erbschäden festgestellt werden, auch eine Art der Auslese.
Neuauflage der Abtreibungsdiskussion
Der ethische Teil der Diskussion führt derzeit in Deutschland ganz klar zu einer Neuauflage der Abtreibungsdiskussion, und ist von ihr auch nicht zu trennen. Kommentatoren haben in diesem Zusammenhang schon von der Büchse der Pandora geschrieben, die durch die Diskussion geöffnet wird.
Heilungschancen für schwer Kranke
Häufig diskutieren gesunde Menschen darüber. Mit diesem Hinweis haben Forscher auch auf die soziale und medizinische Dimension aufmerksam gemacht. Von embryonalen Stammzellen erhofft man sich derzeit Wunderbares, etwa Heilungs-Chancen bei Multipler Sklerose.

Doch auch hier gibt es Gegenstandpunkte: Nachdem auch adulte Stammzellen entdeckt wurden, also Stammzellen bei Erwachsenen, müsse ihre Forschung forciert werden, ehe man sich an Embryonen macht.
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Adulte Stammzellen
Adulte Stammzellen kann man, sagen Forscher, aus Organen von Erwachsenen gewinnen ¿ sie können zumindest das Organ reproduzieren, aus dem sie entnommen wurden.
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Auch wirtschaftliche Dimension wird diskutiert
Schließlich gibt es noch die wirtschaftliche Debatte. Deutschland will als Forschungsland führend bleiben, Politiker wie Bundeskanzler Schröder sehen auch Chancen für der ohnedies angeschlagenen Arbeitsmarkt. Ihr Argument: wenn wir es nicht machen, dann tun es andere und machen auch noch Geld damit.

Tatsächlich haben deutsche Forscher auch schon klar gemacht, dass sie ins Ausland gehen würde, wenn Deutschland sich verschließt.
Deutschland will internationale Diskussion
Dagegen und gegen den Gen-Tourismus etwa für Paare, die genetische Risiken bei der Zeugung eines Kindes haben, will Deutschland durch eine internationale Diskussion und ähnliche Regeln in den europäischen Ländern ankämpfen.

Gen-Forscher Wiestler sieht allerdings auch eine gewisse Gefahr der Überforderung durch die vielfältige Debatte über so viele Spezialbereiche.

Auf der anderen Seite müsse man an diesem Beispiel lernen, dass die Wissenschaftler in Deutschland, vielleicht in Europa insgesamt, sich in Zukunft mehr um die Aufgabe kümmern müssten, die Öffentlichkeit über ihr Tun zu informieren.

Fabio Polly, ORF-Berlin
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ORF-Symposion "Embryonenschutz"
Am 11. und 12. Oktober 2001 findet das ORF-Symposion "Embryonenschutz - Hemmschuh für die Biomedizin ?" im Radiokulturhaus in Wien statt. Veranstalter des Symposions sind die Wissenschaftsredaktion des ORF-Hörfunks und das Institut für Ethik und Recht in der Medizin der Universität Wien, Kooperationspartner die Österreichische Ärztekammer und das Zentrum für Medizinrecht.
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Mehr über die internationale Gentechnik-Diskussion in science.orf.at
->   Schweiz setzt nationale Bioethik-Kommission ein (03.07.01)
->   Öterreichische Bioethik-Kommission hat sich konstituiert (02.07.01)
->   Habermas fordert Bewusstsein für Gentechnik-Folgen (29.06.01)
->   Stephen Hawking zu Zukunft und Gefahren der Genetik (15.01.01)
Hostbeiträge zum Thema in science.orf.at:
->   Ulrich Körtner: Stammzellenforschung - Plädoyer für eine seriöse Debatte
->   Ulrich Körtner: Überzählige Embryonen - was tun?
->   Erich Loewy: Stammzellen und Bioethik
Zur Information: Sämtliche Beiträge der wissenschaftlichen Hosts in science.orf.at finden sich über die Autoren-Leiste: Durch Anklicken des Namens werden alle publizierte Artikel des jeweiligen Autoren aufgelistet.
 
 
 
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01.01.2010