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Stress führt zu Erinnerungsproblemen  
  Sowohl bei Ratten als auch bei Menschen kann chronischer Stress in der Jugend die Erinnerungsfähigkeit im Alter beeinträchtigen. Forscher haben nun eine Substanz ausgemacht, die dafür verantwortlich sein könnte.  
Wie ScienceNow berichtet, injizierten Wissenschaftler der University of California in Irvine jungen Ratten ein Hormon, das als Gegenreaktion auf Stress produziert wird.

Später stellten sie fest, dass die Ratten unter extremen Erinnerungslücken litten, was auf das Schrumpfen bestimmter Gehirnteile zurückzuführen ist.
Fehlende Nervenzellen im Hippocampus
Jenen erwachsenen Ratten mit stresshafter Vergangenheit fehlten Nervenzellen im Hippocampus, jenem Teil des Gehirns, der für Erinnerungen zuständig ist. Warum die Neuronen allerdings verringert wurden, war den Forschern lange nicht klar.

Stresshormone, die so genannten Glukokortikoide, galten lange Zeit als die wahrscheinlichsten Verursacher. Allerdings, so ScienceNow, interagieren diese normalerweise nicht mit dem Hippocampus.

Deshalb untersuchten die Neurowissenschaftler in der neuen Studie eine andere Substanz, die ebenfalls mit Stress zu tun hat: das so genannte Corticotropin-freisetzende Hormon, kurz CRH.
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Corticotropin-releasing hormone (CRH)
CRH ist ein regulatorisches Hormon, das die Ausschüttung von ACTH (Kortikotropin) fördert. In verschiedenen Stresssituationen wird es im Hypothalamus gebildet, dem für das Hormonsystem wichtigsten Regulations- und Steuerzentrum im Zwischenhirn, und gelangt über Blutgefäße in den Drüsenteil der Hypophyse, den Hypophysenvorderlappen. Das in diesem untergeordneten Steuerzentrum freigesetzte ACTH erreicht über den Blutkreislauf seine Zielorte, u.a. die Nebennierenrinde, wo es die Ausschüttung von Glukokortikoiden wie Kortisol stimuliert.
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Ratten irrten sich im Irrgarten
Um die Auswirkung von CRH auf die Gedächtnisleistung zu beobachten injizierte ein Forschertieam um Tallie Z. Baram von der University of California 10 Tage alten Ratten das Hormon, während sie deren Niveau an Glukokortikoiden konstant hielten. Sobald die Ratten ihr drittes Lebensmonat überschritten hatten, überprüften sie ihr Gedächtnis.

Die CRH-Ratten wurden einem Irrgarten und einem Objekt-Erkennungs-Test ausgesetzt - und schnitten signifikant schlechter ab als ihre unbehandelten Artgenossen. Nachdem sie sechs bzw. zehn Monate alt waren, klafften noch größere Lücken in ihrer Erinnerungsfähigkeit.

Bei der Untersuchung der Rattengehirne fanden die Forscher eine mögliche Ursache für die verminderte Gedächtnisleistung. Ihrem Hippocampus fehlten wichtige Neuronen, wie die aktuelle Ausgabe der Proceedings of the National Academy of Sciences berichtet.
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Hippocampus
Der Hippocampus ist Teil des limbischen Systems im Gehirn, das wiederum die "Schaltstelle" für die emotionale Bewertung von Situationen ist. Gefühle wie Furcht, Wut und Aggression entstehen unter Beteiligung von Großhirnrinde, Thalamus und Hypothalamus. Über den Hypothalamus vermittelt es auch Reaktionen auf emotional belastende Situationen, u.a. Blutdruckanstieg, Erröten, Erblassen oder erhöhte Herzfrequenz. Es hat auch Einfluss auf die Gedächtnis- und Lernfunktion des Gehirns.
->   Wie wirkt sich Dauerstress auf den Hippocampus aus?
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Neue Therapie-Formen?
"Die konventionelle Ansicht war bisher, dass jene neuronalen Schäden durch Vermittlung der Glukokortikoiden entstehen", meinte der Neurobiologe Paul Plotzsy von der Emory University in Atlanta.

"Sollte für die Erinnerungsprobleme aber tatsächlich das CRH verantwortlich sein, könnten sich neue Behandlungsmethoden für Kinder ergeben, die unter chronischem Stress oder Gehirnverletzungen mit nachfolgenden Gedächtnisausfällen leiden."

(red)
->   UC Irvine's Center for the Neurobiology of Learning and Memory
->   Proceedings of the National Academy of Sciences
 
 
 
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01.01.2010