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Kulturgeschichte des Gesichts  
  Der Wissenschaftspublizist Daniel McNeill hat ein Buch über die Kulturgeschichte des Gesichts geschrieben: mit Anekdoten und Fabeln angereichert und quer durch die Wissenschaftsdisziplinen Biologie, Genetik, Literatur und Medizin recherchiert.  
Würdige Bärte
Bärte zählen zu jenen Merkmalen des Gesichts, die uns die größten Rätsel aufgeben. Früher standen sie für Männlichkeit und Ansehen. In vielen Religionen ist der Bart heute noch ein Zeichen der Würde und der Weisheit.

Der Bart hat eine bemerkenswerte Geschichte. Peter der Große zum Beispiel ließ ihn verbieten, weil er angeblich die Rückständigkeit Russlands symbolisierte.
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In den kommenden Wochen geben Redakteure und Redakteurinnen der Ö1-Wissenschaft Tipps für wissenschaftliche Bücher, die sowohl populär verfasst als auch anregend zum Lesen sind.

Bereits erschienene Buchbesprechungen:

Ulrich Enzensbergers "Parasiten"

John Horgan, "Der menschliche Geist. Wie die Wissenschaften versuchen, die Psyche zu verstehen"
->   Radio Österreich 1
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Zur Theorie des Bartes
Die evolutionären Vorteile des Bartes sind umstritten: Zwar wärmt er. Warum aber kommt er dann nicht bei den Eskimos vor, sondern bei Bewohnern tropischer Regionen?

Eine andere Theorie besagt, dass der Bart das Kiefer größer erscheinen lasse und dadurch Macht ausdrücke. Haare im Gesicht wären also doch nützlich, schreibt McNeill.
Grimmige Glatzen?
Wenn Haare so nützlich und begehrenswert sind, warum kommt es dann aber zu Kahlheit, fragt der Wissenschaftspublizist. Sein Fazit: "Wir wissen es nicht. Einer Theorie zufolge verleiht sie dem Betreffenden Autorität, vergleichbar der Autorität, die mit fortgeschrittenem Alter einhergeht."

Bei einer Kahlköpfigkeit liege mehr Kopfhaut frei. Wenn sich das Gesicht vor Ärger rötet, sehe dies entsprechend eindrucksvoller und grimmiger aus, erklärt er.
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Eine andere Theorie geht von einem nahezu gegenteiligen Effekt aus.: "Wenn Männer altern, produzieren sie weniger Testosteron, wirken fürsorglicher und großväterlicher - ein Wesenszug, der dazu beiträgt, dass ihre Gene gefragter sind", heißt es in dem Buch.
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Bartwuchs statt mimischer Signale
Offene, unbehaarte Gesichter entwickelten sich bei Affen, um die mimischen Signale des Gesichts klarer erkennbar zu machen. Entstanden Bärte etwa, um diese Signale zu verbergen?
Größere Fähigkeit zur Täuschung

"Wenn Bärte bewirken, dass sich der Ausdruck der unteren Gesichtshälfte weniger gut deuten lässt, dann steigern sie vermutlich die Fähigkeit des Bartträgers, andere zu täuschen", folgert McNeill.

Theoretisch sollten bärtige Männer also besser verhandeln und mit größerer Glaubwürdigkeit politische Lügen von sich geben können, meint der Autor weiter. "Also sollten sie auch in der Lage sein, mehr Geld, mehr Ansehen und mehr Frauen zu bekommen."

Um dem entgegenzuwirken, hätten wir es uns angewöhnt, sie voller Misstrauen zu betrachten und sie mit größter Aufmerksamkeit zu beobachten.
Das Auge des Feindes
Größte Aufmerksamkeit gegenüber potentiellen Feinden erleichtert auch die Struktur des Auges. Jeder Mensch hat ein unverwechselbares Irismuster, das Weiße des Auges ist von größter Wichtigkeit.

"Da [die Struktur] mit der dunkler gefärbten Iris und der Pupille kontrastiert, lässt sie Bewegungen des Auges besser erkennbar werden. Die Richtung eines Blicks ermitteln zu können, ist eine lebensnotwendige Fähigkeit. Ein Blick kann eine Bedrohung anzeigen oder Bewegungen voraussagen", schreibt der Autor McNeill.
Gesicht als Ganzes schwer erfassbar
Man sagt auch, dass man einem Menschen an der Nasenspitze ablesen kann, was er im Schilde führt. Die Nase ist der variantenreichste Teil in unserem Gesicht. Aber auch Stirn, Ohr, Lippen und Wangen kommen nicht zu kurz. Zu jedem weiß der Autor interessante Details zu erzählen.

Und doch ist das Gesicht als Ganzes schwer zu fassen. Das verdeutlichen Augenzeugenberichte am besten: Irrtümer von Augenzeugen sind mit Abstand der häufigste Grund für ungerechtfertigte Verurteilungen.

Von 205 untersuchten Justizirrtümern gingen einer Studie zufolge zweiundfünfzig Prozent auf falsche Identifizierungen zurück.

Ulrike Schmitzer, Ö1-Wissenschaft
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Daniel Mc Neill, "Das Gesicht. Eine Kulturgeschichte" ist erschienen im Verlag Kremayr und Scheriau 2001.
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01.01.2010