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Nanotechnologie repariert alte Gemälde  
  Hätte Leonardo da Vinci von den Möglichkeiten der Nanotechnologie gewusst, dann wären viele seiner Erzeugnisse heute in einem besseren Zustand. Chemiker haben jetzt einen Weg gefunden, mit nanotechnologisch hergestellten Materialien alte Fresken und Bilder vor der Zerstörung zu bewahren.  
Das erklärten italienische Wissenschaftler in der jüngsten Ausgabe der Chemie-Fachzeitschrift "Langmuir". Die Malerei Leonardo da Vincis gehört zu den am meisten von der Zeit angegriffenen Arbeiten alter Künstler.

Die zum Teil erheblichen Schäden stammen aus dem unwissenden Experimentieren mit diversen Materialien. Schließlich war da Vinci kein Chemiker. Der Verfall vieler alter Fresken stellt für Konservatoren heute ein zunehmendes Problem dar.
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Leonardo da Vinci
1452 bis 1519; italienischer Maler, Bildhauer, Architekt, Kunsttheoretiker, Naturforscher und Erfinder. Neben seinen vollendeten Werken, die zum großen Teil verloren gingen oder zerstört wurden, geben seine Zeichnungen, Skizzen und die theoretischen Schriften erst eine zulängliche Vorstellung vom Umfang seiner Arbeit.

Als Architekt war da Vinci mit den Arbeiten am Mailänder Dom, am Dom zu Pavia u. a. verbunden. Als Naturforscher beschäftigte sich Leonardo da Vinci mit zahlreichen Gebieten, wobei er die Natur in ihren Einzelerscheinungen zu begreifen suchte. Als Kunsttheoretiker hinterließ er wertvolle Schriften. Er begründete eine Lehre der Schatten und führte neben der Linienperspektive die Luftperspektive ein.
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Anfangs perfekt scheinende Technik
Piero Baglioni und seine Kollegen von der Universität Florenz konnten jetzt mit ihrer neuen Methode ein weniger bekanntes Werk restaurieren: Ein Gemälde von Santi di Tito in der Kathedrale Santa Maria del Fiore in Florenz aus dem 16. Jahrhundert.

Bevor italienische Künstler begannen, mit Leinwänden zu arbeiten, trugen sie ihre Farben direkt auf den feuchten Putz einer Wand auf. Die Farbpigmente hafteten an dem Substrat, sobald der Putz trocknete.

Die anfangs stabil scheinende Technik ist jetzt zum Problem geworden. Ein halbes Jahrtausend später blättert die oberste Schicht der Fresken langsam ab.
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Putz und gelöschter Kalk
Der von den Künstlern verwendete Putz bestand üblicherweise aus Sand und Kalk. Dieser verwandelte sich in gelöschten Kalk, sobald er mit Feuchtigkeit und Wasser in Kontakt kam. Wenn er schließlich trocknete, reagierte der gelöschte Kalk mit dem Kohlendioxid der Luft zu einer gipsartigen Konsistenz.
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Feste Verbindung
Baglioni und seine Kollegen verwendeten eine geringe Menge gelöschten Kalks als eine Art Bindemittel für die abblätternde Farbe. Sie applizierten sie als eine Suspension kleiner Kalkkristalle in einer Alkohollösung.

Als der Alkohol verdampfte, absorbierten die Kristalle Wasser und Kohlendioxid und verbanden sich mit dem Kalk in der Farbschicht und der darunter liegenden Putzschicht. Das leimte laut den italienischen Chemikern die Substanzen wieder fest zusammen.
Nanotechnologischer Kalk
Die von den Wissenschaftlern verwendeten Kalkkristalle waren allerdings keine gewöhnlichen. Denn normale Kalkkristalle haben zu große Abstände zwischen ihren Einzelteilchen, um so effektiv zu arbeiten.
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Nanotechnologie
Methoden zur Hertstellung von molekularen Maschinen und Computern, deren Größenordnung im Nanometerbereich (1 nm = 10 hoch -9 m) liegt. Die Umsetzung ist bisher nur in Ansätzen gelungen. Die Nanotechnologie basiert zu einem Großteil auf der supramolekularen Chemie, die sich mit der Synthese und der molekularen Handhabung komplexer, hochmolekularer Aggregate befasst.

Man erhofft sich von der Nanotechnolige nutzbringende Anwendungen u. a. in der Robotik, Sensorik, Prozesstechnik, Biotechnolgie, Medizin und Kunstrestauration. Systeme der Nanotechnologie sollen Eigenschaften, die für biologische Systeme typisch sind, aufweisen: Selbstorganisation, Selbstreproduktion, Anpassungsfähigkeit und Kontinuität.
->   Mehr zu Nanotechnologie
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Spezielles Aufgabengebiet
Die Teilchen der verwendeten Kalkkristalle waren wesentlich schmäler angeordnet: Sie bestehen aus sechseckigen Platten, die zwischen 100 und 250 Nanometer groß sind.

So können sie sehr viel tiefer in die Strukturen der Fresken eindringen und ihre Struktur ermöglicht eine effizientere Wasser-Absorbtion. Das erleichtert wiederum ihre Umwandlung in Kalziumkarbonat bei Verdampfung des Alkohols.

Die Entwicklung solcher Nanokristalle ist eines der wesentlichen Gebiete der Nanotechnologie. Jetzt kann diese nicht nur dazu beitragen, die Informationstechnologien der Zukunft zu gestalten, sondern auch Vergangenes für die Zukunft zu bewahren.

(red)
->   science.orf.at: Mikrobielle Kunstbanausen
->   Abteilung für Chemie der Universität Florenz
Originalartikel in "Langmuir" 2001; 17(14); 4.251-4.255(kostenpflichtig): Colloidal Particles of Ca(OH)2: Properties and Applications to Restoration of Frescoes
->   Originalartikel in 'Langmuir'
 
 
 
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01.01.2010