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Gehirnbilder erklärt  
  Wenn wir denken, dann können Forscher aktive Bereiche in unserem Gehirn durch neue Techniken sichtbar machen.
Was diese sichtbar gemachten "Denk-Spuren" aber bedeuten, konnte jetzt erstmals geklärt werden.
 
Jetzt konnte gezeigt werden, dass die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) Nervenzellen sichtbar macht, wie diese Informationen empfangen und verarbeiten.

Nikos Logothetis und seine Kollegen vom "Max Planck Institut für Biologische Kybernetik" erklären jetzt in der aktuelle Ausgabe von "Nature", was die in fMRT-Bildern dargestellten hellen Bereiche wirklich über die Aktivität von Neuronen aussagen: es sind die Veränderungen im Blutfluss innerhalb bestimmter Gehirnbereiche.
Neue experimentelle Anordnung
Mit einer neuartigen experimentellen Anordnung konnten die Tübinger Wissenschaftler nachweisen, dass mit fMRT tatsächlich Veränderungen der Neuronenaktivität exakt gemessen werden.

Darüber hinaus stellten sie fest, dass mit dieser Methode vor allem Eingangssignale aus anderen Hirnarealen und ihre lokale Verarbeitung erfasst werden, und weniger Ausgangssignale zu anderen Hirnarealen (Nature; 412, 150 - 157, (2001). Damit eröffnen sich grundsätzlich neue Möglichkeiten, viele in der Hirnforschung bei Tieren seit Jahren gewonnene Erkenntnisse mit am Menschen gewonnenen Befunden zu verknüpfen.
Signalübertragung über ein Eingangssignal
Gehirne von Wirbeltieren sind in Rindenregionen aufgeteilt, von denen jede einzelne auf die Verarbeitung unterschiedlicher Formen von Information spezialisiert ist.

Bei allen Nervenzellen verläuft die Signal-Übertragung über ein Eingangssignal, das in der Zelle verarbeitet und weitergeleitet wird, zu einer Reihe von Aktionspotentialen, die zur Ausschüttung eines Neurotransmitters führen. Dieser wiederum regt als Übertragungssignal die nächste(n) Nervenzelle(n) an.
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Funktionelle Magnetresonanztomographie
Eine räumlich begrenzte Messung überwindet die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT). Sie misst im ganzen Gehirn geringste Veränderungen eines Magnetfeldes, die entstehen, wenn sich die Konzentration des Desoxyhämoglobins in den venösen Blutgefäßen des Gehirns ändert. Dieser von der Sauerstoffaufnahme des Blutes abhängige Kontrastmechanismus(BOLD-Effekt) wird beim Menschen in großem Maßstab für die Untersuchung kognitiver Hirnleistungen sowie psychiatrischer und neurologischer Störungen eingesetzt. Doch bisher war nicht bekannt, in welchem Zusammenhang das BOLD-Signal mit den oben genannten elektrophysiologischen Mechanismen steht. Zwischen diesen beiden Untersuchungsmethoden klaffte ein Graben.
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Überwundenes Hindernis
Die Wissenschaftlern konnten aufklären, welches elektrophysiologische Signal vom BOLD-fMRT gemessen wird. Bisher stand dem zeitgleichen Einsatz von direkter elektrophysiologischer Ableitung und funktioneller Magnetresonanztomographie die Interferenz zwischen dem starken Magnetfeld des Tomographen und den an den Elektroden gemessenen elektrischen Strömen im Weg.

Die Tübinger Max-Planck-Forscher konnten dieses Hindernis mit Hilfe einer neuartigen Versuchsanordnung mit Spezialelektroden und einer aufwändigen EDV überwinden.

Ihre methodische Neuerung ermöglicht es ihnen jetzt, den visuellen Kortex von Affen, die einem optischen Reiz ausgesetzt waren, gleichzeitig mit drei verschiedenen Methoden - BOLD-fMRT sowie Multi-Unit-Aktivitäten (MUA) und der lokalen Feldpotentiale (LFP) als elektrophysiologische Parameter - zu untersuchen.
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Das BOLD-Verfahren
Das BOLD-Verfahren basiert auf den unterschiedlichen elektromagnetischen Eigenschaften des mit oder ohne Sauerstoff beladenen Hämoglobins und misst Veränderungen des Blutes im Gehirngewebe, die durch erhöhte Neuronenaktivität ausgelöst werden. Die Elektrodenableitungen (MUA und LFP) messen Wechselwirkungen zwischen Nervenzellen bzw. Synapsen in der Nähe der Elektroden. Der MUA-Wert erfasst vor allem das Ausgangssignal einer relativ kleinen Neuronengruppe in der unmittelbaren Umgebung, während sich die LFP-Werte aus dem Eingangssignal und der Signalverarbeitung in einer deutlich größeren Neuronenpopulation ergeben.
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Wichtig für Grundlagenforschung
Die von den Tübinger Forschern entwickelte Kombination von Elektrophysiologie und Magnetresonanztomographie sind von entscheidender Bedeutung für die neurowissenschaftliche Grundlagenforschung wie für die klinische Forschung.

"Wir können erst dann wirklich genau verstehen, was einzelne Neuronen tun und wie sie es tun, wenn wir ihre Aktivitäten im Kontext aufgabenspezifischer, räumlich verteilter Aktivierungen neuronaler Netzwerke interpretieren können - und diese lassen sich nur mit Hilfe hochauflösender bildgebender Verfahren sichtbar machen", erklärt Logothetis.
Mehrdimensionale Informationen
Die neue Messmethode liefert gleichzeitig Informationen auf zwei verschiedenen räumlichen und zeitlichen Ebenen. Die Elektroden haben eine gute räumliche und zeitliche Auflösung, doch ihre Reichweite ist sehr begrenzt.

Hingegen liefert die Magnetresonanztomographie wichtige Informationen in einem viel größeren räumlichen und zeitlichen Maßstab. BOLD-fMRT bietet zudem die Möglichkeit, Prozesse zu studieren, die verteilt über verschiedene oder innerhalb einzelner Hirnareale stattfinden.
Verhältnis zwischen Hirntätigkeit und Physiologie
Schließlich ermöglicht die Kombination von BOLD-fMRT und Elektrophysiologie, das Verhältnis zwischen Hirntätigkeit und jenen physiologischen Parametern besser zu verstehen, die durch die bildgebenden Verfahren gemessen werden, wie Blutfluss, Blutmenge und Sauerstoffgehalt des Blutes.

(red)
->   Max Planck Institut für Biologische Kybernetik
Originalartikel in 'Nature' (Nature; 412, 150 - 157, (2001).
->   Originalartikel in 'Nature'
 
 
 
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01.01.2010