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Riesige Unterwasser-Kamine entdeckt  
  Forscher haben am Meeresboden ein neues System von Hydrothermal-Quellen entdeckt, deren mineralische Ablagerungen riesige Schlote gebildet haben. Sie fanden die Quellen an unerwarteter Stelle - ein Hinweis darauf, dass es weitaus mehr solcher Systeme gibt als bisher angenommen.  
Die US-Wissenschaftler entdeckten die Quellen durch Zufall, als sie in rund 700 Meter Tiefe die bis zu 60 Meter hohen weißen Säulen erblickten, die sich durch mineralische Ablagerungen gebildet hatten. In der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "Nature" beschreiben sie ihre Entdeckung.
Reges Mikroben-Leben
700 Meter unter der Meeresoberfläche im Nordatlantik tummeln sich rund um die Quellen Bakterien unter Bedingungen, die zu Beginn des Lebens auf unserem Planeten ähnlich gewesen sein sollen, wie die Forscher berichten.
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Hydrothermal-Systeme am Meeresboden
Hydrothermalquellen - heiße, schwefelwasserstoffreiche Quellen des Meeresbodens in mehreren tausend Metern Tiefe - wurden 1977 entdeckt und überraschten die Wissenschaft als einzigartiges Ökosystem, das vollkommen ohne Licht auskommt. Die Quellen entstehen, wenn Seewasser in die Kruste des Meeresbodens eindringt, erhitzt wird, mit dem Krustengestein reagiert und wieder zum Meeresboden aufsteigt - als Hydrothermal-Quelle. Dabei werden dem Meereswasser verschiedene neue chemische Elemente zugeführt, unter anderem Helium, Eisen und Mangan.
->   Mehr Informationen zur "Hydrothermal Vent Geochemistry"
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Bakterien-Gewimmel rund um die Quellen
Das Forscherteam entdeckte zwar nur wenige größere Organismen - hauptsächlich Krabben, Schwämme und Korallen, doch die Kamine wimmeln von Bakterien. An manchen Stellen könne man das Mineralgestein wegen der Menge von Bakterien nicht einmal sehen, erklärt die Forscherin.
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Organismen rund um die Hydrothermal-Quellen
Bekannteste Vertreter der rund um solche Unterwasser-Quellen lebenden Tiere sind der mehrere Meter lange Röhrenwurm
"Riftia pachyptila", der - ohne Mund und Darm - allein von symbiotischen schwefelwasserstoffoxidierenden Bakterien lebt, sowie der etwa zehn Zentimeter große Pompejiwurm
"Alvinella pompejana", der bei Temperaturen um den Siedepunkt überleben kann.
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Erste Untersuchungen zeigen, dass die Mikroben zu sehr alten Gruppen gehören. Diese können mit einer "Diät" aus Mineralien und organischen Verbindungen wie zum Beispiel Methan überleben.
Die 'Lost City' von Atlantis

Die Wissenschaftler tauften ihre Entdeckung "Lost City", wegen der hohen Mineralsäulen, die an Gebäuderuinen erinnern. Das betreffende Meeresboden-Areal heißt sinnigerweise Atlantis.

Rund um die Quellen haben sich bis zu 60 Meter hohe weiße Säulen aus mineralischen Ablagerungen gebildet. Damit sind dies die höchsten bisher entdeckten Schlote.
Die Forschungen an den Bakterien rund um "Lost City" geben möglicherweise auch Aufschluss über den Beginn des Lebens auf unserem Planeten. Denn die Mikroben gedeihen unter Bedingungen, die denen auf der Erde vor rund drei Milliarden Jahren ähnlich sein sollen.

Der neue Fund zeigt zudem, dass sehr viel mehr solcher Quellen existieren könnten als bisher angenommen. Denn gefunden hat das Team die Quellen an unerwarteter Stelle.
Zufallsfund am Mittelatlantischen Rücken
Die Ozeanografin Debora Kelley von der University of Washington in Seattle und ihre Kollegen waren eigentlich dabei, einen Unterwasser-Berg zu untersuchen, der rund 15 Kilometer vom Mittelatlantischen Rücken entfernt liegt. Dabei stießen sie auf das Hydrothermal-System.
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Der Mittelatlantische Rücken
Ein 1.000 bis 2.000 Kilometer breiter in nordsüdlicher Richtung verlaufender Unterwasser-Gebirgszug zwischen Island im Norden und der Insel Bouvet im Süden. Er markiert die Grenze zwischen der Eurasischen Platte (EP) und der Nordamerikanischen Platte (AP). An dieser Plattengrenze driften die Kontinente Nord- und Südamerika sowie Eurasien und Afrika auseinander.. Da sich die Platten auch heute noch voneinander wegbewegen, und zwar um jährlich 1,5 bis 2 Zentimeter, reißt an dieser "Nahtstelle" die Erdkruste immer wieder auf, basaltische Lava dringt aus dem Erdinnern hoch und formt das besagte Gebirge. Im Laufe der Jahrmillionen hat sich der Mittelatlantische Rücken mancherorts bis zum Meeresspiegel bzw. darüber hinaus erhoben. Im Nordatlantik bilden Island und die Azoren sozusagen "Berggipfel" des Mittelatlantischen Rückens.
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Normalerweise nur bei Gebirgskämmen
"Lost City" zu finden sei eine ziemliche Überraschung gewesen, meint Kelley. Denn normalerweise kämen solche Öffnungssysteme bei Unterwasser-Gebirgskämmen vor.

Das sei eigentlich der einzige Ort, an dem Magma aus dem Erdinneren nah genug an den Meeresboden heranreiche, um das Seewasser zu erhitzen und so hydrothermale Quellen zu verursachen. Dabei erreichten die Quellen in aller Regel eine Temperatur von 300 Grad Celsius.
Kälter und zudem weiß
Doch die nun entdeckte Stelle befindet sich weit vom nächsten Unterwasser-Bergkamm entfernt. Ausgestoßen werden außerdem weiße Karbonatmineralien und die Temperatur liegt zwischen 40 und 70 Grad Celsius.

Das lasse darauf schließen, dass ein viel größeres Areal auf dem Meeresboden solche hydrothermalen Quellen hervorbringen könne als bisher angenommen, meint die Ozeanografin. Zwar hatten Forscher dies bereits theoretisch vorhergesagt, doch erst mit dem neuen Fund habe sich die Theorie auch bestätigt, so Kelley.
->   University of Washington School of Oceanography
->   Der Originalartikel im Nature Magazine (kostenpflichtig)
 
 
 
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01.01.2010