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Häufiger Krebs rund um AKWs  
  Die Neubewertung statistischer Daten in Deutschland spricht eine deutliche Sprache: Rund um drei bayrische Atomkraftwerke liegt die Zahl der Krebserkrankungen bei Kindern um 20 Prozent höher als im Bundesdurchschnitt.  
Die Zahlen liegen schon lange vor, nur bei der Auswertung hat es bisher einen "Krieg der Wissenschaftler" gegeben. Jetzt hat man sich erstmals geeinigt ¿ auch das Deutsche Bundesamt für Strahlenschutz hat die Ergebnisse anerkannt.
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Neue Studie vorgestellt
Die neue Studie " Krebsrate bei Kindern im Umkreis bayerischer Atomkraftwerke" wurde vom Umweltinstitut München e.V. im Auftrag der Organisation "Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs" (IPPNW) durchgeführt. Dabei wurden die Zahlen aus vorliegenden Studien überprüft und neu bewertet.

Bei einem gemeinsamen Arbeitstreffen des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) mit IPPNW, dem Umweltinstitut München und der Gesellschaft für Strahlenschutz in Kassel wurden die Ergebnisse erstmals vom BfS bestätigt.
->   Zusammenfassung der Studie beim Umweltinstitut München
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20 Prozent mehr Krebs rund um AKWs
Das Ergebnis: In den untersuchten Landkreisen rund um die drei bayrischen Atomkraftwerke Gundremmingen, Isar und Grafenrheinfeld sind bei Kindern bis 15 Jahre um 20 Prozent mehr Krebserkrankungen aufgetreten als in Gebieten ohne Atomkraftwerke.
362 Krebsfälle diagnostiziert
Zwischen 1983 und 1998 wurden rund um die AKWs 362 Krebsfälle diagnostiziert, statistische erwartet hätten die Wissenschaftler 302 Fälle. Eine signifikante Erhöhung, über deren Ursachen jetzt spekuliert wird.
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Der lange Streit um die Zahlen
Anfang 1998 wurde vom Umweltinstitut München e.V. die Studie des Instituts für Medizinische Statistik und Dokumentation (IMSD) aus dem Jahr 1997 überprüft. Die IMSD-Studie hatte kein erhöhtes Krebsrisiko bei Kindern um die westdeutschen Standorte von kerntechnischen Anlagen gefunden.

Die vom Umweltinstitut erstellte Neuauswertung der Daten ergab dagegen eine signifikant Erhöhung der Krebsrate bei Kleinkindern im 5-km-Nahbereich der Anlagen, wenn nur die 15 Standorte der 19 deutschen Leistungsreaktoren, nicht aber stillgelegte Atomkraftwerke und Forschungsreaktoren betrachtet werden.

Eine unabhängig davon im Jahr 1995 erstellte Studie des Bundesamts für Strahlenschutz hatte ebenfalls keine erhöhte Krebsrate bei Kindern in der Umgebung von fünf bayrischen Standorten von kerntechnischen Anlagen ergeben. Aber auch bei dieser Studie waren neben den drei Standorten von Atomkraftwerken der Forschungsreaktor in Garching bei München und der schon 1985 stillgelegte Versuchsreaktor in Kahl am Main einbezogen worden.

Wieder ergab die vom Umweltinstitut erstellte Neuauswertung der Daten eine signifikante Erhöhung der Krebsrate, wenn nur die drei Standorte von Leistungsreaktoren berücksichtigt werden.
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Atomkraft als Ursachen noch nicht bewiesen
Die erstmals einhellige Bewertung der Zahlen wird als Indiz dafür genommen, dass die Atomkraftwerke für Krebsrisiken und Krebserkrankungen verantwortlich sind, bewiesen ist das aber noch nicht. Darauf hat selbst IPPNW hingewiesen.
Verschiedenste Krebstypen
Aus dem britischen Sellafield ist ein deutliches Ansteigen der Leukämie-Erkrankungen bekannt, aus Tschernobyl Schilddrüsenkrebs.

Im Falle der drei AKWs in Bayern hat man vor allem Nierenkrebs und Tumore des Zentralnervensystems entdeckt, während bei Leukämie nur eine leichte statistische Abweichung nach oben registrierbar war.
Keine Erklärung für Unterschiede
Warum das so ist, darauf gibt es noch keine Antworten, die Wissenschaftler gehen aber davon aus, dass die Frage, welche Krebsart ausgelöst wird, nicht die wichtigste ist.
Suche nach Ursache geht weiter
Zuerst muss die Ursache zweifelfrei feststehen. Dazu werden zwei weitere Studien gemacht. Die eine wird die Landkreise rund um die Atomkraftwerke in ganz Deutschland untersuchen.

Man geht davon aus, dass auch dort ähnliche statistische Abweichungen gefunden werden wie in Bayern.
Ursachenforschung nach dem Ausschließungsprinzip
Die zweite Studie wird sich der Ursachenforschung widmen, und zwar nach dem Ausschließungsprinzip. Dazu wird untersucht, welche Krebsrisiken Kinder hatten, ehe sie krank wurden.

Das reicht von einer Schwangeren, die geraucht hat, bis zu bestimmten Lebens- und Ernährungsgewohnheiten. Das Ergebnis wird Fall für Fall mit Kontrollkindern verglichen, die keinen Krebs haben.
Risikofaktor Atomkraftwerke
Am Ende bleibt dann im besten Fall ein Risikofaktor übrig ¿ das könnten die Atomkraftwerke sein. Bis zum Beweis der Ursache bleibt aber eines jedenfalls als gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis: In der Umgebung der Kernkraftwerke leben Kinder gefährlich.

Fabio Polly, ORF Berlin
->   Umweltinstitut München e.V.
->   Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs (IPPNW)
->   Deutsches Bundesamt für Strahlenschutz
 
 
 
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01.01.2010