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Erste Bioethik-Konferenz in Österreich  
  Über die Möglichkeiten und Risiken der Gentechnik insbesondere der Stammzellenforschung wird im Augenblick weltweit debattiert. Zu diesen Themen fand heute die 1. Österreichische Bioethik-Konferenz in Wien statt.  
Bundeskanzler Wolfgang Schüssel sagte in seinen Eröffnungsworten zu der von der ÖVP veranstalteten interdisziplinären Konferenz, es gebe gegenüber der Biotechnik sowohl überzogene Heilungs- und ''Heilserwartungen'' als auch fortschrittsfeindliche Angst vor einer möglichen ''Menschenzucht''.

Viel in den Lebenswissenschaften sei ein Segen, manches könne aber auch ein Fluch werden. ''Die Wahrheit liegt in der Mitte'', so der Kanzler, er wolle im Zweifel ''Besonnenheit und Vorsicht'' walten lassen.
Keine Embryonen für Forschungszwecke
Entwicklungen, wie es sie in den USA gibt, Embryonen nur zu Forschungszwecken zu erzeugen, lehnt Bundeskanzler Wolfgang Schüssel ab. Man müsse nicht alles mit Embryonen machen, es gebe auch alternative Möglichkeiten.

Schüssel betonte aber auch, dass die Politik ihre Verantwortung nie an Kommissionen abtreten könne. Schlussendlich müsse sie immer noch die Entscheidungen fällen.
Verantwortung nicht abschieben
''Wir können die Verantwortung nicht an Expertengruppen abschieben'', so Schüssel über den derzeitigen ''Lauschangriff auf die Schwangerschaft''. Es sei ein Zeichen von Freiheit zu sagen, man mache etwas aus ethischen Gründen nicht, obwohl man es theoretisch könnte.

''Die Demokratie lebt davon, dass der Schleier weggezogen wird und über Fragen wie die Bioethik breit diskutiert wird'', sagte der Bundeskanzler.
Diskussion erst begonnen
Man stehe in Österreich aber erst am Beginn der Debatte, die auch für den Diskussionsprozess auf europäischer Ebene von Bedeutung sei.

Vor ''fundamentalistischen Positionen'' müsse man sich hüten, meinte Schüssel. Aber auch Länder, wo die Embryonenforschung erlaubt sei, seien Demokratien, Vergleiche mit dem Dritten Reich seien deshalb unangebracht.

Es gehe darum, sich die ''Dinge bewusster zu machen'' - deshalb hätte man auch Vertreter von Nichtregierungs-Organisationen (NGO), FrauenvertreterInnen oder Kirchenvertreter in die Diskussion eingebunden.
Ethiker warnt vor ''der Schwelle zum Menschen-Design''
''Es herrsche in den europäischen Gremien Uneinigkeit darüber, wann ein Mensch ein Mensch sei. Daraus ergäben sich in verschiedenen Staaten unterschiedliche Regelungen über die medizinische Forschung an Embryonen'', so der Tübinger Ethiker und Theologe Prof. Dietmar Mieth.

Er plädierte angesichts dieser ungeklärten Fragen für einen größtmöglichen Schutz des menschlichen Lebens von der Empfängnis an. Der Theologe warnte vor den gesellschaftlichen Folgen einer möglichen wissenschaftlichen
Wirtschaftsfaktor Biotechnologie
Umweltminister Wilhelm Molterer meinte, es gelte zu verhindern ''dass Wissenschaft und Technik die Entwicklung diktieren'', gleichzeitig dürften aber ''Ignoranz und Fundamentalismus'' Entwicklungen nicht verhindern. Die ÖVP bekenne sich jedenfalls zur ''unveränderlichen Würde des Menschen''.

Mit der Bioethik-Konferenz werde man zwar keine endgültigen Lösungen finden, man dürfe in Anbetracht der ökonomischen Bedeutung des Biotechnologie-Sektors aber auch nicht die Augen verschließen. Immerhin seien europaweit rund 600.000 Jobs mit dem Bereich der Genomforschung verbunden.

Rund drei Milliarden Euro (41 Mrd. ATS) würden weltweit für die Genomforschung ausgegeben. Molterer verwies aber auch auf Ängste, die mit der Thematik verbunden seien. Viele Menschen würden sich fragen, ob das Tempo der Wissenschaft nicht zu hoch sei, und man nicht in ein ''Hase-Igel-Phänomen'' verfalle.
Wissenschaft braucht Rechtssicherheit für ihre Arbeit...
Ernst Leitner, Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung der Biochemie in Kundl (Tirol), versuchte die ökonomische Bedeutung der Bioethik zu umreißen.

Derzeit seien die ethischen Grundsätze weltweit noch viel zu unklar und die Risken noch viel zu hoch ¿ die Pharma- und Biotechnologie-Industrie verhalte sich deshalb ''noch zurückhaltend''.
...und international geltende Rahmenbedingungen
Kundl arbeite beispielsweise nur mit adulten Stammzellen. Für die Firmen könne es sich, je nach Land, sogar negativ auswirken, wenn sie von den ethischen Standards abweiche. Leitner meinte, die Wissenschaft und Wirtschaft brauchen ''Rechtssicherheit für ihre Arbeit''. Die Politik müsste deshalb ''exakte, international geltende Rahmenbedingungen schaffen''.
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Die Bioethik-Konferenz
Informationen zur Bioethik-Konferenz gibt es auch im Internet unter unten stehender Adressse. Neben Berichten und Analysen befindet sich auf dieser Seite auch eine Rubrik ''Glossar'', wo Fachbegriffe erklärt werden.
->   Forum Bioethik
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Debatten-Serie in science.orf.at und Ö1
Diese Woche war eine Serie über die weltweite Gentechnik-Debatte im Ö1-Mittagsjournal zu hören. Die Berichte zu den einzelnen Teilen der Serie finden Sie auf science.orf.at.
->   Stammzellen: Die Diskussion im Überblick (09.07.01)
->   Stammzellen-Debatte in Deutschland (10.07.01
->   USA: Forschung an Stammzellen, Ja oder Nein? (11.07.01)
->   Großbritannien: Liberalste Stammzellen-Gesetze Europas (12.07.01)
 
 
 
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01.01.2010