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Grazer Zoologe untersucht Verhalten der
'Killerbienen'
 
  Sie produzieren bis zu fünf Mal mehr Honig als ihre heimischen Kolleginnen, aber sie sind auch um Vieles angriffslustiger: Die sogenannte 'Killerbiene'. Nun soll ein neues Projekt das Verhalten der angriffslustigen Insekten unter die Lupe nehmen.  
Mit Hilfe von Infrarot-Kameras will der Biologe Gerald Kastberger vom Institut für Zoologie der Grazer Universität nun dem besonderen Aggressionsverhalten dieser Bienenhybridart, der seit den späten 50er Jahren rund 600 Menschen in Süd- und Nordamerika zum Opfer gefallen sein sollen, auf die Spur kommen.
Filmische Dokumentation
Am Ende seiner "Reise zu den Bienen", die der Zoologe dieser Tage antritt, soll auch eine umfassende filmische Dokumentation der folgenreichen, nunmehr rund 45-jährigen Geschichte des Kreuzungsexperimentes stehen.

"Die Hysterie um die Biene, die vor allem im nordamerikanischen Raum entfacht wurde, scheint mir maßlos übertrieben", so Kastberger im Gespräch mit der APA. Dahinter würden auch medial hochgespielte Mythen von Tieren, welche die Herrschaft übernehmen könnten, stecken, die immer wieder auch in Kinofilmen - man denke an den "weißen Hai" - ihren massenmedialen Niederschlag fänden.
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Apis mellifera scutellata, die 'Killerbiene'
Unterart der Honigbiene; ihr Verbreitungsgebiet reicht von Südamerika bis in die USA, sie ist angepasst an wärmere Klimate. Die Killerbiene ist das Ergebnis eines Kreuzungsexperiments im Jahre 1956 zwischen der europäischen Honigbiene (Apis mellifera l.) und einer afrikanischen Bienenart aus Tansania mit dem Ziel, eine besser an das heiße brasilianische Klima angepasste Honigbiene zu züchten. Die Killerbiene zeichnet sich durch erhöhte Aggressivität aus.
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Apis mellifera scutellata
"Diese Bienenrasse ist zwar aggressiver als die europäische, aber keinesfalls so kampfeslustig, wie sie in den Medien gerne beschrieben wird", betont der Biologe.
Spezielle Verteidigungsbereitschaft
Mit seinen aktuellen Untersuchungen zur Aggressivität der Killerbiene - Kastberger spricht lieber von einer speziellen "Verteidigungsbereitschaft" - will der Bienenforscher dem Verhalten der Tiere auf die Spur kommen.

Dazu bedient er sich vergleichender Untersuchungen bei unterschiedlichen Honigbienenrassen, die dann das
besondere Verhalten der Hybridart herauszeichnen sollen.
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Messung mittels Infrarot
Das wichtigste Instrument bei diesen Forschungsarbeiten ist die Infrarot-Kamera, die das Verhalten der Bienen in ihren Stöcken, die gezielten Reizen ausgesetzt werden, in Wärmebildern festhält: Je
aktiver die Bienen werden, umso mehr Bereiche des Stockes werden in den Kameraaufnahmen in Rottönen wiedergegeben. Gemessen wird von Kastberger aber auch die Zahl der am Verteidigungsverhalten beteiligten Bienen.
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Verschiedene Verteidigungsstrategien
"Meine bisherigen Untersuchungen an der europäischen Carnica-Rasse aber auch an der asiatischen Riesenhonigbiene Apis dorsata haben gezeigt, dass Bienenkolonien auf Störungen mit unterschiedlichen Strategien reagieren."

Im Vorjahr hat Kastberger erste Untersuchungen an Scutellata-Kolonien vorgenommen: In Amazonien hat der Zoologe sein Stativ unmittelbar neben einen Bienenstock aufgestellt. Binnen 15 Sekunden waren tausende Individuen alarmiert und stürzten sich
gezielt auf den unmittelbaren "Feind" in Gestalt der Kamera. Für Kastberger bestand keine Gefahr, obwohl er nur rund zehn Meter davon entfernt war.
Bekannte Panikreaktionen
Bei der Carnica-Rasse gebe es dieses gezielt auf einen
Massenangriff ausgerichtete Verhalten nur in äußersten Notfällen und wesentlich zeitverzögerter, so Kastberger. Die wortwörtlich "geballte Angriffslust" der "Killerbiene" führe dann auch zu den bekannten Panikreaktionen der Bevölkerung, bei denen auftretende Schwärme sofort ausgerottet werden.
Strategien der betroffenen Bevölkerung
Auf seiner Reise auf den Spuren der Bienenhybridart in Süd- und Nordamerika will der Bienenexperte auch die unterschiedlichen Strategien der betroffenen Bevölkerung dokumentieren: "Unter anderem werde ich auch einen Padre im Regenwald Amazoniens besuchen, der einigen Indio-Stämmen den Umgang mit diesen Bienenstämmen lehrt".

Ein Treffen wird es aber auch mit dem Forscher geben, der für die Existenz der auf heute auf eine Milliarde Völker geschätzte Hybridrasse verantwortlich ist: dem brasilianischen Genetiker Warwick Estavam Kerr.
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Fatales Kreuzungsexperiment
Kerr hatte im Auftrag der brasilianischen Regierung im Jahr 1956 rund 100 Königinnen einer afrikanischen Bienenrasse nach Brasilien gebracht, um eine neue, ertragreichere Bienensorte züchten. Zu diesem Zweck kreuzte er die einheimische Honigbiene mit ihrer leistungsfähigeren afrikanischen Artgenossin in Brasilien. Aus der in Lateinamerika afrikanisierten Honigbiene wurde aufgrund von Sensationsberichten in der Regenbogenpresse bald die sogenannte "Killer-" oder "Mörderbiene". Ihr Stich enthält 30% weniger Gift als der einer europäischen Honigbiene. Allerdings ist die afrikanisierte Honigbiene viel aggressiver und sticht bei der geringsten Provokation. Sie sticht dreimal schneller, verabreicht zehnmal mehr Stiche und verfolgt ihre Opfer über viel größere Distanzen als ihre europäische 'Schwester'.
->   Mehr zum Kreuzungsexperiment
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Zu Beginn der Neunziger in den USA
1982 überquerten sie den Panama-Kanal, zu Beginn der neunziger Jahre erreichten sie schließlich den Süden der USA. Alle Versuche, den Vormarsch der "Killerbienen" zu stoppen, schlugen fehl. In Mexiko versuchte man vergeblich, durch das Entfernen aller Bienenvölker eine Barriere gegen ihr Vordringen aufzubauen.

Auch Experimente, die "afrikanisierten" Königinnen durch zahmere Exemplare auszutauschen und ihren genetischen Code durch die Vermehrung der europäischen Arten abzuschwächen, brachten nicht den gewünschten Erfolg.
Resistent gegen Bienen-Parasiten
Laut dem Grazer Biologen Gerald Kastberger könnten die "afrikanisierten Bienen" auch von Nutzen sein: Die Varoa-Milbe bereite dem hybriden Bienenvolk ebenso wenig Probleme wie eine "neue Zeitbombe für die Imker: der afrikanische Kleine Stockkäfer", so Kastberger.

Der parasitierende Kleine Stockkäfer (Aetina tumida) legt seine Eier in die Waben von Honigbienen. Wenn die Larven schlüpfen, fressen die die Waben - samt Bienenlarven - völlig aus. Im Gegensatz zu europäischen Bienenrassen haben die Hybridbienen keine Probleme mit ihrem Parasiten: Die Stockkäfer warten bis die stark migrierenden Bienenvölker ausziehen und legen dann ihre Eier in die leeren Waben.

Solange die Bienenvölker noch anwesend sind, helfen sie sich mit einer eigenen Strategie: Sie drängen die Käfer an den Rand der Wabe und halten sie dort in einem aus Propolis umrahmten Bereich.
Nur eine Frage der Zeit
1998 gelangte der Bienenparasit vermutlich mit importierten Südfrüchten nach Florida und verbreitete sich innerhalb von zwei Jahren bis in die Neuenglandstaaten und South Dakota.

Für Kastberger ist es nur eine Frage der Zeit, wann der Kleine Stockkäfer auch in Europa eingeschleppt wird: "Denn Früchte importiert wohl jedes europäische Land aus Südafrika".

(APA/red)
->   Institut für Zoologie der Universität Graz
->   Mehr Infos zur 'Killerbiene'
 
 
 
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01.01.2010