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Tuberkulose: Ein heimtückische Erreger  
  Tuberkulose fordert jährlich Millionen Opfer weltweit. Jetzt wurde entdeckt, wie der Tbc-Erreger, der im Körper überdauert, sich vor dem Immunsystem 'versteckt' und damit seiner Vernichtung entgeht. Doch gerade diese Erkenntnis könnte zur Entwicklung eines hochwirksamen Impfstoffes führen.  
Die Tbc-Bakterien überlisten das Immunsystem ihres Wirtes auf sehr raffinierte Weise, wie Erika Noss von der Case Western Reserve University und ihre Kollegen in der aktuellen Ausgabe des "Journal of Immunology" berichten. Die Erreger hindern die Immunzellen ihres Wirtes daran, die für die Immunabwehr wichtigen MHC-Moleküle herzustellen.
Verantwortliches Protein
Dafür verantwortlich ist ein von den Tbc-Bakterien produziertes Protein, das diese in großen Mengen herstellen. Es hemmt das Ablesen der die MHC-Moleküle codierenden Gene.

Darüber hinaus verwenden die Tbc-Erreger dafür auch ein wichtiges membranständiges Protein, einen Rezeptor. Dieser spielt bei der Erkennung pathogener Erreger eine besondere Rolle.
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MHC-Komplex und MHC-Moleküle
eine Gruppe von Genen, die Informationen tragen, welche zur Herstellung bestimmter Proteine dienen, die für die Immunerkennung, die Gewebeverträglichkeit und die immunologische Individualität des Menschen wichtig sind. Die Genprodukte, die MHC-Moleküle, sind körpereigene Antigene auf der Oberfläche jeder Körperzelle, die immunologische Vorgänge regulieren. Diese Moleküle kennzeichnen die Zellen als zum Körper gehörig und sind auf weißen Blutkörperchen (Leukozyten) leicht nachweisbar. Daher kommt auch die Bezeichnung HLA-System (Human leucocyte antigen system) für das Regulationssystem der Immunabwehr, dessen wichtigster Bestandteil der MHC ist.
->   Mehr zum MHC-Komplex
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'Übersehene' Erreger
Indem Tbc-Bakterien die Makrophagen, die Fresszellen des Immunsystems beschäftigen, gelingt es den Erregern, das Immunsystems so zu überlisten, dass sie 'übersehen' werden.

Der Tuberkulose-Erreger Mycobacterium tuberculosis wartet nämlich im Körper auf den für ihn optimalen Zeitpunkt der Vermehrung - und als vorübergehende Zufluchtsstätte sucht er sich ausgerechnet die Makrophagen aus. In ihnen verbirgt er sich in kleinen bläschenartigen Strukturen, wo er für andere Immunzellen unangreifbar bleibt.

Makrophagen zerlegen die Proteine von Viren und Bakterien, die sie 'geschluckt' haben, in kleine Bruchstücke. Diese heften sie dann an die MHC-Moleküle. Derart beladen wandern die MHC-Moleküle an die Oberfläche der Zelle und präsentieren dort die Fragmente. Bestimmte T-Zellen des Immunsystems erkennen die fremden Peptide und lösen weitere Immunreaktionen aus.
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Tuberkulose
Weltweit verbreitete Infektionskrankheit bei Mensch und Tier. Erreger ist Mycobacterium tuberculosis. Die Übertragung erfolgt heute fast ausschließlich über die Atemwege. Die Erstinfektion befällt fast immer die Lungen. Zwei Tubekuloseformen existieren: 1. Primär-Tbc, die nach einer Erstinfektion entsteht und fast immer die Lunge betrifft. Oft kommt es zu einer spontanen Ausheilung und Abkapselung der Erreger, die aber jahrelang infektiös bleiben. 2. Postprimäre Tbc, die sich nach einer Primär-Tbc durch Einschwemmung der Erreger über die Lymphknoten in die Blutbahn und Transport über den Blutweg zu den verschiedenen Organen entwickeln kann. Alle Organe können befallen werden und so Ausgangspunkt für eine später sich entwickelnde Organtuberkulose sein.
->   Mehr zur Tuberkulose
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Wirkungsvoller Impfstoff dringend benötigt
Dass sich die neuen Erkenntnisse in einen wirkungsvollen Impfstoff umsetzten lassen, ist zu hoffen. Denn noch immer sterben jährlich etwa zwei bis drei Millionen Menschen an den Folgen einer Tbc-Infektion, obwohl es einen Impfstoff für Kinder gibt. Seit einigen Jahren jedoch breitet sich die Krankheit wieder epidemisch aus.
'Tuberkulose heilbar'
"Tuberkulose ist heilbar - aber nur, wenn sie früh genug erkannt und konsequent behandelt wird", so Kunrad Wolf, Oberarzt am Pulmologischen Zentrum in Wien und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Tuberkulose der österreichischen Fachgesellschaft für Lungenerkrankungen.
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Acht Millionen Infizierte
Pro Jahr erkranken mehr als acht Millionen Menschen an Tbc, die Zahl der Todesfälle beträgt weit über zwei Millionen. Gefährdete Personengruppen sind, so der Experte, ältere Menschen, die vor der Einführung einer wirksamen Therapie infiziert wurden (bis etwa 1950) oder bereits erkrankt waren. Betroffen sind aber auch soziale Randgruppen in großen Städten, Personen, die in den vergangenen Jahren aus einem Land mit hoher Tbc-Durchseuchungsrate zugewandert sind sowie bereits infizierte Menschen, die durch schwere Krankheit oder bestimmte Behandlungsformen ein geschwächtes Immunsystem aufweisen.
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Abbild der sozialen Situation
Die Tuberkulose-Situation ist aber in jedem Land auch ein Abbild des Sozial- und Gesundheitssystems. Wolf: "Um diese Risikogruppen untersuchen, neue Infektionen verhindern bzw. Tbc-Erkrankungen entsprechend therapieren zu können, benötigen wir ein ausreichend dotiertes und gut funktionierendes Gesundheitssystem."

Dies sei neben modernsten Verfahren die Voraussetzung dafür, um zielgerichtet und kosteneffizient eingreifen zu können, so der Mediziner.

(red)
->   School of Medicine, Case Western Reserve University
->   WHO-Tuberkulose-Strategien
Originalartikel im 'Journal of Immunology' ("Toll-Like Receptor 2-Dependent Inhibition of Macrophage Class II MHC Expression and Antigen Processing by 19-kDa Lipoprotein of Mycobacterium tuberculosis"; kostenpflichtig).
->   Originalartikel im 'Journal of Immunology'
 
 
 
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01.01.2010