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Chinas Revolutionen im Spiegel Europas  
  Die Chinaberichterstattung in Österreich hat sich im Laufe der Jahrzehnte nicht wirklich verändert, sondern ist heute noch wie vor 100 Jahren. So eine Erkenntnis der Historikerin und Sinologin Monika Lehner bei ihren Forschungen über die Perzeption revolutionärer Bewegungen in China durch die europäische Politik.  
"Die Berichte der österreichischen Vertreter sprechen immer wieder davon, dass man den Handel mit China intensivieren müsste, dass österreichisch-ungarische Unternehmen verstärkt nach China gehen müssten - trotzdem ist es nicht zu einer Intensivierung des Handels gekommen", sagt Monika Lehner.
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Der Begriff "Revolutionen" in Europa und China
In Europa wird der Begriff "Revolution" seit der französischen Revolution von 1789 mit einem gewaltsamen Umsturz der bestehenden politischen oder sozialen Ordnung, Umwälzung und Neubeginn gleichgesetzt. Zuvor wurden mit Revolution ja nur die Bewegungen von Planeten bezeichnet. In China hingegen bedeutet das Wort für Revolution einen Endpunkt und den Wechsel von Dynastien.
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Europa-zentriert kontra Handelsinteressen
Österreich-Ungarn war die europäische Macht, die am Europa-zentriertesten war: "Österreich war immer daran interessiert, was die anderen europäischen Mächte denken. Das war zentraler, als sich selbst eine aktive Chinapolitik überlegen zu müssen", so die Historikerin.

Großbritannien hingegen war maßgeblich an der Öffnung Chinas für den Handel beteiligt, hatte eine starke militärische Präsenz und Vertretungen in allen größeren Städten.
Die Revolution von 1911
China 1911: Binnen weniger Wochen werden in fast allen Provinzen revolutionäre Regierungen gebildet, die sich von der Regierung lossagen. Auslöser war ein Plan der chinesischen Regierung, die Haupteisenbahnlinien im Reich zu verstaatlichen und dazu weitere Kredite vom Ausland aufzunehmen.
Ende eines Kaiserreichs
Diese Revolution sollte ein zweitausendjähriges Kaiserreich beenden. Besorgt berichtet der österreichisch-ungarische Gesandte Wilhelm Ritter von Storck am 13. Oktober 1911 an Alois Lexa Freiherr von Aehrenthal, Minister des kaiserlichen und königlichen Hauses und des Äußern:

"Die Aufregung der chinesischen Bevölkerung und der europäischen Kolonie war indes sehr groß, wenn jetzt auch wieder die Ordnung hergestellt sein soll. Die Revolutionäre sind, wie es hier heißt, insgesamt festgenommen und gegenwärtig ist alles wieder ruhig. Die Anwesenheit mehrerer fremder Kanonenboote auf dem Cantonflusse, sowie die Nähe Hongkongs bürgen für die Sicherheit der europäischen Residenten Cantons."
Politischer und wirtschaftlicher Niedergang
Das ausgehende 19. Jahrhundert war für China eine Zeit des politischen und wirtschaftlichen Niedergangs, vor allem nach dem verlorenen Krieg von 1894/95 gegen Japan.

China musste Gebietsteile an die Japaner abtreten und auch die europäischen Mächte stellten neue Gebietsansprüche. Es lief Gefahr, in einen neuen Kolonialstatus abzusinken.
Österreich als das europäische China
Etwa zeitgleich zeichnete sich in Europa das Ende Österreich-Ungarns als der europäischen Großmacht ab. Wegen seiner überbordenden Bürokratie wurde die Monarchie als das "europäische China" bezeichnet.
1949 - die Gründung der Volksrepublik
Am 1. Oktober 1949 gibt Mao Zedong auf dem Tian-an-men Platz in Peking die Gründung der Volksrepublik China bekannt. Peking wird zur neuen Hauptstadt. Bald danach löst Österreich seine Gesandtschaft auf, besetzt den Botschafter nicht nach - warum, wird nie ausgesprochen.

Vermutlich, weil Österreich zu der Zeit noch besetzt war; der Kalte Krieg hatte bereits begonnen und Österreich wollte keine der vier Besatzungsmächte vergrämen.
Diplomatische Abkühlung
Durch die Auflösung der Gesandtschaft entzog sich Österreich diplomatisch der Frage, ob es die Volksrepublik China anerkennen solle oder nicht.

Einen offiziellen Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich und China gab es nicht, doch es sollte bis in die 70er Jahre dauern, ehe die Beziehungen wieder aufgenommen wurden.

Ein Beitrag von Judith Brandner für die Ö1-Dimensionen
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->   Radio Ö1
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01.01.2010