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Klima: Die Zeichen stehen auf Sturm  
  Das Weltklima rückt anlässlich des Gipfels in Bonn wieder in den Mittelpunkt des Interesses. Heftig umstritten ist nach wie vor das Ausmaß des menschlichen Einflusses auf die Klimaerwärmung. Indikatoren wie die Zunahme von Hurrikans und Stürmen in verschiedenen Regionen der Erde gibt es aber mehrere, wie verschiedene neue Studien zeigen.  
Über die Karibik, Florida und andere Südstaaten der amerikanischen Atlantikküste werden noch Jahrzehnte
lang schwerste Hurrikane hinwegfegen. Das sagen US-Forscher von der Bundesanstalt für Meeres- und Atmosphärenforschung in Miami in der jüngsten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Science" (Bd. 239, S. 474) voraus.
Verdoppelung der Hurrikane seit 1995
Ihren Berechnungen nach sind noch mindestens bis zum Jahr 2010 ähnlich verheerende Herbst-Stürme in dieser Region zu befürchten wie in den vergangenen sechs Jahren. Schlimmstenfalls sollen die stürmischen Zeiten dort sogar bis 2040 dauern.

Seit 1995 hat sich die Zahl der Hurrikane über dem Atlantik und der Karibik verdoppelt, berichten Stanley Goldenberg und Kollegen in "Science". Die Zahl der Wirbelstürme mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 50 Metern pro Sekunde stieg auf das 2,5fache und die der Hurrikane in der Karibik auf das Fünffache.
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Bild: APA
Hurrikan
... tropischer Wirbelsturm über dem Atlantischen und dem östlichen Pazifischen Ozean. Die nordatlantischen Hurrikans verstärken sich bei ihrer westwärts gerichteten Verlagerung und entfalten ihre verheerenden Wirkungen vor allem über Westindien, der Karibik, dem Golf von Mexiko sowie den südlichen und südöstlichen Küstenstaaten der USA. Ihre parabelförmigen Bahnen führen sie später häufig nordostwärts unter Umwandlung in außertropische Zyklonen der gemäßigten Breiten. Die Hurrikans haben Durchmesser zwischen 200 km und 1500 km bei kreissymmetrischer Form.
->   Die National Oceanic and Atmospheric Administration zu den Hurrikans
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Fortgesetzte Periode
Das US-Team suchte in den Aufzeichnungen vergangener Stürme nach Anhaltspunkten für eine Prognose.

Basierend auf der Erkenntnis, dass eine höhere Temperatur der Meeresoberfläche und ein Mangel an senkrechten Regenfällen die Entstehung von Hurrikanen begünstigen, gehen die Forscher davon aus, dass sich die Periode heftigster Hurrikane bis in die nächsten vier Jahrzehnte fortsetzten wird.
Widerspruch bei Kollegen
Dem widerspricht allerdings Lennart Bengtsson vom Max-Planck- Institut für Meteorologie in Hamburg. Er schreibt in einem Kommentar in "Science", dass die Voraussetzungen für die Bildung eines Hurrikans noch nicht ausreichend bekannt seien, um eine solche Prognose zu wagen.

Fest stehe lediglich, dass Hurrikane heute mehr Schaden anrichten als in der Vergangenheit. Das liege aber eher an der starken Bebauung der Küstengebiete als an der Stärke der Stürme. Während der Verlust an Menschenleben weiterhin relativ niedrig bliebe, könnte ein einzelner Hurrikan heute bis zu 100 Milliarden Dollar (117 Milliarden Euro) Schaden verursachen.
0,3 Grad mehr alle 10 Jahre
Heiß umstritten sind aber nicht nur die Frequenz bestimmter Klimaindikatoren wie Stürme. Eine neue Studie hat jüngste UNO-Prognosen zur Klimaerwärmung revidiert. Ihr zufolge wird sich das Weltklima ohne durchgreifende globale Maßnahmen von 1990 bis zum Ende dieses Jahrhunderts um 1,7 bis 4,9 Grad Celsius erwärmen.

Das entspräche einem Anstieg von durchschnittlich 0,3 Grad pro Jahrzehnt, heißt es im Wissenschaftsmagazin "Science" (Bd. 293) vom Freitag. Die UNO-Prognosen waren von 0,5 Prozent ausgegangen.
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UNO-Bericht ließ Umfang offen
Der vor wenigen Monaten vorgestellte UNO-Klima-Bericht hatte den Rahmen noch offener gehalten und von 1,4 bis 5,8 Grad Erwärmung bis 2100 gesprochen. Für den gleichen Zeitraum kündigte er einen Anstieg des Meeresspiegels um neun bis 88 Zentimeter an. Seine Autoren, die 123 Forscher des zwischenstaatlichen Gremiums für Klimaveränderungen
(IPCC), warnten eindringlich vor verheerenden Folgen für die Menschheit, sollten nicht bald durchgreifende Maßnahmen folgen.
->   IPCC
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Gestraffte Werte
Die neue Studie wurde am US-Zentrum für Atmosphärenforschung in Boulder (US-Staat Colorado), dem Klimainstitut der Universität von Norwich (Großbritannien) und dem Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven erstellt.

Ihre Autoren strafften die zu erwartenden Werte für Emissionen, die Klimasensibilität und andere Unsicherheitsfaktoren und kamen dadurch zu einem "realistischeren Ergebnis" als die UNO-Prognose, wie sie in "Science" schreiben.
0,3 statt 0,5 Grad Zuwachs
Die im IPCC-Bericht vorgeschlagene Erwärmung von 0,5 Grad pro Jahrzehnt bis ins Jahr 2100 sei unwahrscheinlich, schließen die "Science"-Autoren und begründen detailliert, warum sie vielmehr nur einen Anstieg der globalen Temperatur um 0,3 Grad erwarten.

Aber auch in ihren Modellen setzte sich die Klimaerwärmung ohne globalen Eingriff bis ins 22. Jahrhundert fort.
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1990iger Jahre wärmstes Jahrzehnt seit Aufzeichnung
Der UNO-Bericht hatte festgestellt, dass die 90er Jahre sehr wahrscheinlich das wärmste Jahrzehnt seit Beginn der Aufzeichnungen 1861 waren. Seinen Analysen zufolge war die Erwärmung im gerade zu Ende gegangenen Jahrhundert mit großer Wahrscheinlichkeit auch die höchste in den vergangenen
1000 Jahren. Weiter hieß es, dass die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre seit 1750 ein Niveau erreicht habe, das es davor in 420 000 Jahren und möglicherweise sogar in 20 Millionen Jahren nicht gegeben habe.
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Milliarden Dollar
Diskutiert wird unter Experten aber zunehmend auch die allfälligen Kosten, die eine sich abzeichnende Klimaerwärmung mit sich bringt. Die Folgen der sich jetzt abzeichnenden Klimaveränderung können nach Schätzung von Experten jährliche Kosten von bis zu 300 Milliarden Dollar (344 Mrd. Euro) verursachen.

Der Leiter der Forschungsgruppe Geowissenschaften bei
der Münchner Rückversicherung, Gerhard Berz, rechnet bis zur Mitte dieses Jahrhunderts mit einer Zunahme von Naturkatastrophen und einer weiteren Verbreitung tropischer Krankheiten.

Zwar seien die Folgekosten der Klimaveränderung nicht genau berechenbar, "aber man kann versuchen, es einigermaßen vernünftig abzuschätzen", so Berz.
Versunkenes Land
"Sollte die Entwicklung so ablaufen, wie es uns die Modelle und der gesunde Menschenverstand andeuten", würden Landflächen an der Küste im Meer versinken und Salzwasser in landwirtschaftliche Gebiete eindringen, erklärte Berz.

Der Wissenschaftler rechnet mit einem ergebnislosen Ausgang der Bonner Klimakonferenz. Er fürchtet zudem, dass der ganze Prozess ins Stocken geraten wird, "und dass wir damit noch größere Schwierigkeiten bekommen werden, die ganzen Veränderungen aufzuhalten".

(dpa/APA/red)
->   National Center for Atmospheric Research
->   Cooperative Institute for Marine and Atmospheric Studies
Originalartikel in 'Science' zu den Hurrikans (S.451;The Recent Increase in Atlantic Hurricane Activity: Causes and Implications; kostenpflichtig).
->   Originalartikel in 'Science' zu den Hurrikans
Originalartikel in 'Science' zum Grad der Klimaerwärmung (S.474, Interpretation of High Projections for Global-Mean Warming; kostenpflichtig).
->   Originalartikel in 'Science' zum Grad der Klimaerwärmung
 
 
 
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01.01.2010