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Dynamische Entscheidungsprozesse bei Ameisen  
  Bei Menschen sind Entscheidungsprozesse schon in Kleingruppen oft langwierig und komplex. Hunderte Ameisen dagegen entscheiden in relativ kurzer Zeit über die Attraktivität potenzieller Plätze für ihren Ameisenstaat.  
Jede einzelne Information über potenzielle Nistplätze
wird in einer dynamischen Art und Weise in einen schnellen Entscheidungsfindungsprozess eingearbeitet und mitverwertet.

Dies beschrieb Stephan Pratt von der englischen Bath University auf dem Meeting der "Animal Behavior Society" in Corvallis, Oregon(USA), wie Nature Science Update berichtet.

Er löste im Labor die Nester der europäischen Ameise 'Leptothorax albipennis' auf, um das Migrationsverhalten bei der Suche neuer geeigneter Nistplätze zu beobachten.
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Ameisen 1
...über die ganze Erde verbreitete, zu den Hautflüglern gehörende Überfamilie Staaten bildender Insekten mit dreierlei Individuentypen: 1. geflügelte, nur zur Schwarmzeit vorhandene Männchen. 2. Weibchen, zur Schwarmzeit ebenfalls mit Flügeln versehen, die sie aber nach erfolgter Befruchtung abwerfen, um einen neuen Staat zu gründen und als Königin nur noch Eier zu legen. 3. Ungeflügelte Weibchen mit rückgebildeten Geschlechtsorganen, die als Arbeiterinnen die Hauptmasse eines Ameisenstaates ausmachen. Sie kümmern sich um die Eier und die Larven und schaffen Nahrung herbei. Bei einigen Arten sind die Arbeiterinnen, die für die Verteidigung des Staates zuständig sind, als 'Soldaten' mit vergrößerten, beißenden Mundwerkzeugen entwickelt.
->   Mehr zur kollektiven Problemlösung bei Ameisen
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Genaue Inspektion
Entdeckt ein 'Ameisen-Kundschafter' einen potenziellen Nistplatz, wird dieser zunächst genauestens inspiziert. Daraufhin kehrt der "Kundschafter" zum Nest zurück, um eine weitere Ameise zu seiner Entdeckung zu geleiten, die das potenzielle Nest inspiziert. Diese wiederum lotst eine dritte Ameise zu dem vermeintlichen Nest und so weiter.

Aber die Ameisen "denken" genau über den potenziellen Nistplatz nach, bevor sie einen Artgenossen davon in Kenntnis setzten. "Je länger sich der Kundschafter mit der Übermittlung seiner Inspektions-Erkenntnisse Zeit lässt, desto weniger ist er von diesem überzeugt", beschreibt Pratt seine Entdeckung. "Die Ameisen führen eine Art Befragung durch, bevor sie sich für einen neuen Platz für ihren Staat entscheiden.
Spontane Verhaltensänderung
Interessant ist aber auch die Reaktion von Kundschaftern, die an einem potenziellen Nistplatz bereits Artgenossen vorfinden: ihr Verhalten ändert sich nämlich spontan.

Anstatt andere Ameisen zu dem potentiellen Nest zu lotsen, beginnen sie, Larven und Eier vom alten zum neuen Platz zu tragen. D.h. für sie steht zu diesem Zeitpunkt die Entscheidung über den neuen Nistplatz bereits fest und sie richten spontan ihr Verhalten danach aus.
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Ameisen 2
Die Ameisen sind von großer Mannigfaltigkeit in Lebensweise, Verhalten und Vorkommen. Einige Arten sind Körnersammler und Pilzzüchter, andere rauben die Puppen anderer Arten, ziehen sie groß und halten sie als 'Sklaven', wieder andere füttern in besonderen Gewölben Arbeiterinnen mit Honig derart, dass sie zu bewegungsunfähigen Vorratsbehältern mutieren. Tropische Wanderameisen bauen fast jeden Abend ein neues Nest. Vorliebe für süße Stoffe führt zum Besuch der Blattläuse, die die Ameisen durch 'Betrillern' mit den Fühlern zur Abgabe ihres stark zuckerhaltigen Kots veranlassen. 'Ameisenstraßen' sind durch Geruchsstoff für jede staatsangehörige Ameise markiert. Ameisen können polarisiertes Licht wahrnehmen und Nachrichten durch Austausch von Tastreizen mit den Fühlern übermitteln. Die etwa 6.000 verschiedenen Arten verteilen sich auf 8 Familien.
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Simple Regeln
Das Befolgen von simplen Regeln durch einzelne Individuen resultiert in einem sozial komplexen wie dynamischen Verhalten. "Es ist nicht nötig ein kompliziertes Regelwerk herauszubilden, um effiziente Entscheidungen zutreffen", so Jennifer Fewell, die das Verhalten von Ameisen an der 'Arizona State University' studiert.

Solche einfachen Entscheidungsmuster und Verhaltensweisen scheinen eher das Resultat der Interaktionen in der Gruppe zu sein, als ein Produkt der natürlichen Selektion, erklärt die Wissenschaftlerin.
Inspiration für Informatiker
Die Idee, dass ein Netzwerk vieler kleiner Hirne Probleme besser lösen kann, als ein großes Gehirn, regt vor allem die Phantasie von Informatikern an.

Laut Pratt existiert bereits ein ganzes Forschungsfeld, das sich mit der effizienten Umsetzung von Verhaltensalgorithmen von Ameisen in den verschiedensten Bereichen der Informationstechnologie beschäftigt.

Diese Ansätze sollen zum Beispiel komplexe Probleme beim Design von Verteilungs-Netzwerken lösen helfen.

(red)
->   Meeting der "Animal Behavior Society" in Oregon
->   Department of Biology and Biochemistry
->   Artikel in Nature Science Update zum Ameisen-Verhalten
 
 
 
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01.01.2010