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Das stillgelegte X-Chromosom  
  Weibliche Embryonen verdanken ihr Überleben einer Art molekularen Nachrichtensperre. Dabei wird das Abschalten eines ihrer X-Chromosomen zum Überlebensfaktor für den sich entwickelnden Fötus. Ein Gen, das dafür sorgt, dass das X-Chromosom inaktiv bleibt und damit die gesunde Embryo-Entwicklung garantiert, wurde jetzt entdeckt.  
Dies berichten Terry Magnuson und sein Team von der University of North Carolina in der neuesten Ausgabe von "Nature Genetics" (Nature Genetics, 28, 371 ¿ 375, 2001).
Dauerhafte Abschaltung notwendig
Weibliche Säugetiere besitzen einen doppelten
X-Chromosomensatz, wobei ein X-Chromosom vom Vater, eines von der Mutter stammt. Um eine doppelte "Dosis" X-Chromosom zu verhindern, wird die Aktivität des männlichen bei weiblichen Embryonen unterbunden. Wenn Ei und Samenzelle einen weiblichen Embryo formen, dann schaltet ein Gen namens "Xist" das X-Chromosom des Vaters ab.

Doch die Abschaltung des männlichen X-Chromosoms durch "Xist" hält nicht lange. Für eine dauerhafte Inaktivierung des männlichen X-Chromosoms und damit für eine normale Entwicklung des weiblichen Embryos notwendig ist ein Gen namens "edd", das das Team von Magnuson jetzt entdeckte.
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Chromosomen
Träger der Gene. Chromosomen bestehen hauptsächlich aus DNA. Ihre Gestalt und Zahl ist artspezifisch. Die Form der Chromosomen ändert sich mit der genetischen Aktivität. Zu Beginn der Kernteilung treten sie mit charakteristischen Stäbchenformen hervor, und die Spindelansatzstelle des Chromosoms wird als Einschnürung an bestimmten Stellen sichtbar. Ferner zeigen sich knötchenartige Verdickungen. Chromosomen vermehren sich durch Verdopplung. Diploide Zellen enthalten 2 Chromosomensätze, die Geschlechtszellen enthalten nur einen Chromosomensatz. Abweichungen von der typischen Chromosomenzahl, -Form und -Größe können zu mehr oder weniger schweren Erbschäden bis hin zur Lebensunfähigkeit führen.
->   Mehr zu Chromosomen
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Inaktivierung nach wenigen Tagen aufgehoben
Bei Mäusen, denen das edd-Gen fehlte, hielt die Inaktivierung des männlichen X-Chromosoms gerade ein paar Tage an. Die Forscher verwendeten in ihrer Untersuchung weibliche Mäuseembryonen, bei denen das aktive X-Chromosom durch ein fluoreszierendes Protein sichtbar wurde. Inaktive X-Chromosomen blieben unsichtbar.

In den Mäusen, denen das edd-Gen fehlte, begannen die inaktiven X-Chromosomen nach ein paar Tagen wieder zu leuchten, d.h. sie wurden wieder aktiv. Das Plazentagewebe entwickelte sich in diesen Mäusen nicht und sie starben kurz darauf.
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Geschlechtschromosomen
ein Paar oder eine Gruppe in der Struktur und in der Funktion von den übrigen Chromosomen abweichender Chromosomen, die in Beziehung zur Geschlechtsbestimmung stehen. Sie werden als X- und Y-Chromosomen bezeichnet. X tritt entweder allein als X0-Typ oder als XY-Typ auf. Bei der Kombination XY entsteht z. B. bei Säugetieren ein Männchen, bei XX ein Weibchen. Bei abnormer Kombination der Geschlechtschromosomen können gewisse intersexuelle Formen entstehen.
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Fundamentale Schlussfolgerung
Aus diesen Ergebnissen schlossen die Forscher, dass das edd-Gen einen fundamentalen Bestandteil in der natürlichen Entwicklung weiblicher Embryonen darstellt. Es sorgt dafür, dass die vom Xist-Gen eingeleitete Inaktivierung des männlichen X-Chromosoms aufrechterhalten bleibt.

Das edd-Gen gehört zur Gruppe der so genannten Polycomb-Gene, eine Gengruppe, die in erster Linie die Aktivität von Genen während der Entwicklung kontrolliert. Andere Polycomb-Gene sind in die Inaktivierung von Genen der nicht geschlechtsspezifischen Chromosomen involviert.
Geburtendeffekte
Weibliche Mäuse mit teilweise fehlerhaften edd-Genen entwickeln sich zwar 'normal', die Embryonen haben aber meist Geburtendeffekte.

Diese Mäuse neigen auch stärker zur Entwicklung bestimmter Krebsarten, als solche die ein funktionierendes edd-Gen besitzen. Das unterstreicht die wichtige Rolle des edd-Gens für die Entwicklung weiblicher Embryonen.
Details noch zu untersuchen
Wie das edd-Gen im Detail die X-Chromosomen inaktiviert, wollen die Wissenschaftler als nächstes herausfinden. Das edd-Gen ist in die "Verpackung" der DNA innerhalb der Chromosomen involviert.

Möglicherweise entfaltet es an dieser Stelle seine Aktivitäten zur Inaktivierung der Chromosomen, so vermuten die Wissenschaftler.

(red)
->   Department of Genetics, University of North Carolina
->   'Nature Genetics'(kostenpflichtig)
 
 
 
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01.01.2010