News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben .  Technologie 
 
Warum Chilischoten so scharf sind  
  Warum Chilischoten eine Schärfe besitzen, die selbst eingeschworenen Genießern die Tränen in die Augen treibt, konnte jetzt erstmals geklärt werden. Die "Scharfmacher" in Chilischoten schützen die Paprikaart vor unliebsamen Samenräubern und fördern damit die Verbreitung des ''scharfen'' Gewächses.  
Der für den scharfen Geschmack verantwortliche Stoff
Capsaicin lockt Tiere wie etwa bestimmte Vögel an, die die Schärfe der Samen tolerieren und damit der Ausbreitung der Pflanze dienlich sind. Zugleich schreckt dieser "Scharfmacher" aber alle potenziellen Samenräuber ab.

Das berichten Josh Tewksbury von der University of Montana in Missoula und Gary Nabhan vom "Center for Sustainable Environments" der Northern Arizona University in "Nature" (Bd. 412, S. 403).
...
Capsaicin: Der Scharfmacher
Chemisch ist dafür eine Reihe von Verbindungen verantwortlich, die - abgeleitet vom botanischen Pfeffer-Oberbegriff Capsicum - als Capsaicinoide bezeichnet werden. Hauptkomponente ist das Alkaloid Capsaicin. (Es ist ein Vanillyl-amid der 8-Methylnon-6-ensäure.) Capsaicin selbst ist farblos und - bis eben auf die Schärfe - geschmacklos. Außerdem ist es ziemlich beständig - es wird weder durch das Erhitzen beim Kochen noch durch Einfrieren zerstört. Isoliert präsentiert es sich als weißes Pulver, das in Alkohol, nicht aber in Wasser löslich ist (darum hilft auch kein Wassertrinken nach Genuss zu scharfer Chili-Speisen).
->   Mehr zu Capsaicin
...
Aus Gründen der Verbreitung
Die Hauptfunktion reifer, fleischiger Früchte sei es, Tiere anzuziehen, die den Samen verbreiten, schreiben die Forscher. Allerdings würden normalerweise auch solche Tiere angelockt, die Früchte fressen, ohne den Samen weiterzubefördern.

Tewksbury und Nabhan wollten herausfinden, warum solche Samenräuber um die für sie gut erreichbaren Chili-Sträucher dennoch einen weiten Bogen machen.

Sie starteten einen Versuch mit der wichtigsten und formenreichsten Paprikaart, Capsicum annuum, und pflanzten zugleich eine mutierte Variante an, die genauso aussieht, aber nicht scharf ist.
...
Über die Wirkung von Chilischoten
Das "Brennen" beim Kontakt mit Capsaicin ist sozusagen eine "thermische Täuschung": Es kommt durch Einwirkung auf jene Nervenendigungen zu Stande, die normalerweise den Wärmereiz aufnehmen. Da Capsaicin zu einer relativ lang anhaltenden Desensibilisierung dieser Nerven führt, vertragen regelmäßige Chiliesser schärfere Speisen. Der Capsaicin-Gehalt der verschiedenen Pfeffersorten ist sehr unterschiedlich, und damit ihre Schärfe. Die bei uns verwendeten Paprika wurden so gezüchtet, dass sie kein Capsaicin enthalten. Andere Pfeffersorten wie der mexikanische Habanero enthalten so viel Capsaicin, dass für "Untrainierte" der pure "Genuss" kaum erträglich ist und es zu verbrennungsähnlichen Irritationen kommen kann.
->   Der "Brennometer" zur Einteilung der Chili-Pfeffersorten nach Schärfegrad
...
Die scharfen liegen gelassen
In dem Versuch mit zwei Früchte fressenden Samenräubern - Packratten und Kaktusmäusen - fanden die Forscher heraus, dass diese die unscharfen Paprika verzehrten und die scharfen hängen ließen.

Im Gegensatz zu den Nagern wurde der Krummschnabel, eine Spottdrossel-Art, von der Chemikalie in der Schote angelockt. Die Wissenschaftler konnten beobachten, wie der Vogel den Samen
verbreitete und so neue Sträucher wuchsen.
Ausgeklügelte Strategie der Evolution
Für Tewksbury und Nabhan stellt die Entwicklung eines Abwehrmittels gegen Samenräuber, das aber die Tiere, welche die Verbreitung der Art fördern, unbeschadet lässt, eine erfolgreiche evolutionäre Strategie der Paprikapflanzen dar.

"Die Capsaicin-vermittelte Verbreitung der Chilischoten liefert unseres Wissens den ersten Beweis, dass direkte Abschreckung durch eine reife Frucht Pflanzen-Wirbeltier-Interaktionen formen kann", resümieren die Autoren der Studie in "Nature".

Die nun vorliegenden Ergebnisse lassen sich auch zur Entwicklung von natürlichen, chilibehandelten Schädlingsbekämpfungsmitteln nützten, die bestehende Vogelbestände aber nicht gefährden würden.
->   Department of Biological Sciences, University of Montana
->   Department of Zoology, University of Florida
Originalartikel in "Nature" (Bd. 412, S. 403; kostenpflichtig) unter dem Titel "Seed dispersal: Directed deterrence by capsaicin in chillies"
->   Originalartikel in "Nature"
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben .  Technologie 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010