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Künstliche Antibiotika durchlöchern Bakterien  
  Neu entwickelte Antibiotika sollen den bisher resistenten Bakterienstämmen zu Leibe rücken. Die ringförmigen Eiweißmoleküle dringen in die Zellwände der Bakterien ein und durchlöchern diese.  
Antibiotika resistente Bakterien sind ein immer größer werdendes Problem der Medizin.

Ein Team von Wissenschaftlern rund um Reza Ghadiri vom kalifornischen Scripps Forschungsinstitut hat möglicherweise die Lösung für dieses Problem gefunden.
Röhren zerreißen Zellwand
Die Wissenschaftler stellten kleine Eiweißmoleküle, so genannte Peptide, her. Die ringförmigen Moleküle bestehen aus sechs bis acht Aminosäuren. Wenn die Peptide auf die Zellwand eines Bakteriums treffen, bilden sie spontan Wasserstoffbrücken und schließen sich so zu röhrenähnlichen Gebilden zusammen (siehe untenstehende Abbildung).

Durch den Einschluss mehrerer Peptidröhren wird die Zellwand soweit gedehnt bis sie reißt.

 


Schematische Darstellung der röhrenförmigen Struktur der Peptide.
Im Tierversuch erfolgreich
In ersten Versuchen an Mäusen wirkten die Peptide unter anderem auch gegen einen Antibiotika-resistenten Stamm der Bakterienart Staphylococcus aureus. Ob sich die Ringmoleküle als Antibiotika auch beim Menschen erfolgreich anwenden lassen, muss erst getestet werden, berichten die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift "Nature".
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Staphylococcus aureus
Staphylokokken sind nicht bewegliche, nicht sporenbildende grampositive, katalasepositive Kokken. Sie können unter verschiedenen Umweltbedingungen wachsen, am besten jedoch bei Temperaturen zwischen 30 Grad Celsius und 37 Grad Celsius. Eine erhöhte pH-Toleranz und Resistenz gegen Austrocknung und Desinfektionsmittel macht sie vergleichsweise unempfindlich. Staphylokokken sind allgemein als Besiedler der Haut sowie der Schleimhäute beim Menschen und bei Tieren weit verbreitet, als Infektionserreger sind sie bedingt pathogen. Die stärkste Pathopotenz der bekannten Staphylokokken-Spezies besitzt Staphylococcus (S.) aureus.
->   Vorkommen, Infektionsweg des Staphylococcus aureus
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Vorbild Natur
Eine Vielzahl von Pflanzen und Tieren produziert antibakteriell wirkende Peptide zur Selbstverteidigung. Schon seit langem bemühen sich Forscher, diese Eiweißmoleküle als Alternative zu den herkömmlichen Antibiotika auch für den Menschen nutzbar zu machen. Diese Bemühungen scheiterten bisher vor allem an der Größe der Peptide.

Die natürlichen Peptide sind so groß, dass sie nur sehr langsam durch das Gewebe an den Ort der Entzündung wandern. Die nun entwickelten Moleküle sind kleiner und offenbar leichter beweglich. Im Tierversuch wirkten die künstlichen Peptide auch, wenn sie nicht direkt in den Infektionsherd gespritzt wurden.
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Ringförmige Peptide
Ringförmige D, L-Peptide besitzen aufgrund ihrer einzigartigen Struktur Fähigkeiten die bisher von keinem anderen Peptid - Antibiotikum bekannt waren. D, L - Peptide sind leicht zu synthetisieren, sehr beweglich und auf Grund ihrer schnellen Reaktion in Bakterien könnten sie die Geschwindigkeit der Resistenzbildung der Bakterien erheblich verlangsamen.
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Wettlauf mit der Zeit?
Wissenschaftler sind ständig auf der Suche nach neuen Antibiotika, weil immer mehr Resistenzen bei Bakterien beobachtet werden. Besonders gefürchtet sind multiresistente Bakterien, die mit den herkömmlichen Antibiotika nicht mehr zu behandeln sind.

Erst Kürzlich traten bei einem Patienten erstmals Resistenzen gegen das neue Antibiotikum Linezolid auf. Dieses Mittel wurde erst im vergangenen Jahr in den USA als Waffe gegen multiresistente Bakterienstämme zugelassen.

Daher hoffen die Wissenschaflter auf Grund der bisher erzielten Ergebnisse, mit den künstlichen ringförmigen Peptiden, eine neue Klasse flexibler Antibiotika entwickeln zu können, die auch gegen bisher resistente Bakterienstämme erfolgreich sein könne

(red)
Der Artikel in der Fachzeitschrift 'Nature' (Band. 412, S. 452, kostenpflichtig)
->   Antibacterial agents: Cyclic peptides show promise
Mehr zu diesem Thema finden sie in science.orf.at unter:
->   Erste Resistenz gegen neuartiges Antibiotikum
 
 
 
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01.01.2010