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Mordfall in den Alpen?  
  Seit Mittwoch ist die Sensation perfekt, Wissenschaftler haben im Körper der geheimnisvollen Gletschermumie genannt Ötzi eine Pfeilspitze gefunden, die Anlass zu Aufregung bietet. Gerne verwendete Titelzeile vieler Medien: "Wurde Ötzi ermordet?". Die Pfeilspitze ist tatsächlich ein Faktum, viele weitere Aussagen sind jedoch reine Spekulation, meint Horst Seidler, leitender Forscher der so genannten Eismann-Kommission, die die Forschung rund um den Ötzi koordiniert.  
Der Fund der Pfeilspitze sei tatsächlich eine Sensation, so Horst Seidler, Professor am Wiener Institut für Anthropologie. Die Entdeckung wurde am Mittwoch in einer Pressekonferenz präsentiert, bei der auch der Humanbiologe anwesend war.
"Reine Spekulation"
Seidler, Mitglied der so genannten Eismann-Kommission des Landes Südtirol, die alle Forschungen am Ötzi koordiniert, schwächt allerdings die enthusiastischen Aussagen mancher Forscher ab: Er halte alle über die reinen Fakten hinausgehenden Aussagen für reine Spekulation, erklärte er am Donnerstag gegenüber science.orf.at.
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Horst Seidler
Horst Seidler ist Wissenschaftlicher Leiter und Forschungskoordinator der Eismann-Kommission am Südtiroler Archäologiemuseum. Zudem gilt der Biologe international als "Mumien-Spezialist".
->   Informationen zu Horst Seidler
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Todesursache: Pfeilspitze
Der Humanbiologe ist sich allerdings sicher, dass mit der Pfeilspitze die tatsächliche Todesursache des Ötzi gefunden wurde: Zwar habe diese keinerlei lebenswichtige Organe getroffen, doch sicherlich seien dadurch massive Schmerzen und Blutungen "über mehrere Stunden" ausgelöst worden. Der Mann sei dann, verursacht durch die Wunde, vermutlich erschöpft zusammengebrochen und erfroren.
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Röntegenaufnahme, die die Pfeilspitze zeigt
Lage und Größe der Spitze
Laut Bericht der Bozener Forscher liegt die Pfeilspitze zwischen dem linken Schulterblatt, den Rippenbögen und dem Schultergelenk. Der Pfeil soll zwischen fünf und sieben Zentimeter tief in den Körper eingedrungen sein, ca. 1,5 bis zwei Zentimeter von der Lunge entfernt sei er dann im Weichgewebe steckengeblieben. Im Zielbereich des Spitze liege allerdings das Gefäß-Nervenbündel des linken Armes. Eine Verletzung desselben könnte also, so der Bericht weiter, zu einer ausgedehnten Blutung und möglicherweise zu einer Lähmung des linken Armes geführt haben. Horst Seidler sieht hier auch eine Erklärung für die Haltung, in der die Mumie gefunden wurde: Der rechte Arm lag so, dass man nun schließen könne, der Verletzte habe damit die offenbar schmerzende Wunde "gehalten".
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Suche nach Ötzis "Flucht-Motiv"
Doch wollen die eifrigen Forscher aus dem Sensations-Fund noch weitreichendere Schlüsse ziehen: Er erhoffe sich Aufschlüsse über die Motive, die den Mann zum Aufstieg in die "unwirtlichen Regionen" des Hauslabjoches bewogen haben könnten, zitiert die APA Edurad Egarter Vigl, den Konservierungsbeauftragten der Mumie.
Die letzten Stunden des Eismannes...
Auch über die Rolle des Ötzi in der damaligen Gesellschaft will man laut Egarter Vigl mehr herausfinden sowie seine letzten Stunden rekonstruieren.

Doch Seidler hält all dies für reine Spekulation. "Was wir haben, ist ein Mann, der in den Bergen gestorben ist", fasst Seidler die Fakten zusammen. Die Pfeilspitze sei vermutlich die Todesursache.
Ordentliche Untersuchung ist "spannender"
Viel spannender sei es, so der Biologe, den Verletzungsbereich nun ordentlich zu untersuchen. Man werde neue Methoden anwenden, um eine Reihe wichtiger Fragen zu klären. Etwa wie ernst die Verletzung war, ob Nerven zerstört wurden und ähnliches.
Rötgenuntersuchung brachte Spitze ans Licht
Die Spitze wurde im Krankenhaus Bozen entdeckt, als man am "Eismann" Röntgenuntersuchungen bzw. computertomografische Analysen durchführte. Bozener Mediziner analysierten die Bilder, ihnen fiel ein möglicher Fremdkörper im Bereich der linken Schulter auf.

Größe, Form, Oberflächenbeschaffenheit und Materialdichte ließen "eindeutig auf eine Silex-Pfeilspitze schließen", so der Befund der Bozener Forscher.

Silex sei eine bestimmte Art von Material, die sich gut für Steinklingen oder Pfeilspitzen eigne, so Horst Seidler. Es sei zur damaligen Zeit allgemeines Handelsgut gewesen.

(red)
->   Südtiroler Archäologiemuseum
Mehr zum Ötzi in science.orf.at
->   "Ötzis" Leben im Südtiroler Aktivmuseum (16.07.01)
->   Ötzi war kein Vegetarier (18.12.00)
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Nachtrag
Die Geschichte von der "heimtückischen Ermordung" des Ötzi hat sich mittlerweile auch in der englischsprachigen Welt herumgesprochen:

BBC: Scientists solve iceman mystery

"Scientists in Austria say they have solved the mystery of how the famous Oetzi iceman died: he was shot with an arrow..."

New Scientist: Arrow points to foul play in ancient iceman's death

"Ötzi the iceman did not die after an Alpine fall, or losing his way - he was shot in the back with an arrow..."

Science: Ice Man Was Killed From Behind

"New scan reveals arrowhead, suggesting a drawn-out and painful death..."
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01.01.2010