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Die Zukunft der Halbleitertechnologie  
  All das, was wir an der Informationsgesellschaft schätzen, Computer, Internet, Satellitenkommunikation ist auf Halbleiter-Elementen aufgebaut. Und die sollen immer kleiner, schneller und billiger werden. Eine internationale Konferenz in Linz hat sich mit der Zukunft der Halbleitertechnologie auseinandergesetzt.  
Ein Problem bei der fortschreitenden Verkleinerung technischer Geräte ist, dass die einzelnen Bauelemente einander um so mehr stören, je kleiner sie werden.

Professor Helmut Heinrich vom Institut für Halbleiter- und Festkörperphysik an der Linzer Universität erklärt die technische Hürde anhand zurück schwappender Wellen in einer Badewanne.
Von Wellen, Seen und Badewannen
"Bei großen Dimensionen verhält es sich etwa so wie wenn jemand am Rand eines Sees stünde, dort auf und ab springt, Wellen schlägt und die Wellen sich dann über den See ausbreiten, verschwinden und nicht mehr zurückkommen", sagt Heinrich.

"Macht man dasselbe in einem Schwimmbecken, so werden gelegentlich Wellen zurückkommen und den, der diese Wellen schlägt wieder berühren. Und jetzt stellen Sie sich vor; jetzt machen wir die Dimensionen noch kleiner, die Schaltelemente werden noch kleiner, wir setzen uns in eine Badewanne und da springen Kinder auf und ab und wenn sie das richtig machen, dann schwappt die Badewanne über."

"Und genau das ist es, was heute in den verkleinerten Schaltelementen eines Computers passiert. Die Wellen, die mit Materie - mit Elektronen - verbunden sind, sind in der Größenordnung dieser Bauelemente; so wie die Wellen in der Badewanne in der Größenordnung der 2 Meter langen Badewanne sind und die letztlich zum überschwappen bringen''.
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MSS10 - International Conference on Modulated Semiconductor Structures
Die internationale Konferenz MSS10 wird alle zwei Jahre an einer anderen Forschungsstätte abgehalten. Nach Santa Barbara und Tokyo findet sie heuer in Linz an der Johannes Kepler-Universität statt. 400 Wissenschaftler aus aller Welt haben sich fünf Tage lang mit der Entwicklung und den Perspektiven von sogenannten Halbleiter-Heterostrukturen auseinandergesetzt. Die Konferenz endet am 27.7.2001.
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Ein Ausweg aus dem Dilemma
"Dadurch dass die Bauelemente immer kleiner werden, werden wir uns längerfristig überlegen müssen, umzusteigen. Und zwar von anorganischen Halbleitern wie Silizium oder Gallium-Arsenid auf Moleküle und zwar auf organische, also Kohlenstoffverbindungen", meint Richard Friend, Leiter einer Forschungsgruppe in Cambridge.

"Und das spannende daran ist, dass wir in den letzten Jahren ganz gut begriffen haben, wie man aus Molekülen Halbleiterstrukturen herstellen kann", so Friend weiter.
Halbleiterstrukturen aus organischen Materialien
Verwendet man Halbleiterstrukturen aus organischen Materialien dann müsste man diese, analog der Forschungsergebnisse in den Life-Sciences, auch gezielt wachsen lassen.

Erste Versuche sind so Richard Friend durchaus ermutigend: ''Die Möglichkeit des selbstorganisierten Wachstums solcher Elemente ist durchaus realistisch. Wir werden diese Strukturen nicht genau so bauen können wie die Natur das tut, aber wir verstehen zumindest die Grundbausteine natürlichen Wachstums.''

"Relativ einfache, schwache Kräfte können schon sehr übersichtliche Ordnungen in molekulare Bausteine bringen. Und nach diesen Prinzipien versuchen wir jetzt molekulare organische Halbleiter-Bauelemente herzustellen. Natürlich um ein Vielfaches simpler als in der Natur", so Friend.
Ein Quantensprung
Der sprichwörtlichen Quantensprung in der Herstellung von organischen Halbleiterelementen könnte, so Fried, mit verblüffend simplen Mitteln umgesetzt werden. Denn schon jetzt können sehr feine Strukturen mit Hilfe der Drucktechnologie hergestellt werden.

"Das heißt, mit relativ einfachen Mitteln, etwa nach dem Prinzip eines Tintenstrahldruckers, wie ihn jeder zuhause hat, können wir heute schon relativ gut funktionierende Halbleiter-Bauelemente herstellen", so Friend
Chance für Länder der dritten Welt?
Langfristig könnte damit auch eine Demokratisierung in der Herstellung von Halbleiter-Bauelementen verknüpft sein. Die Produktion solcher Elemente wäre in Zukunft auch in Staaten der sogenannten Dritten Welt möglich und könnte dort zur Verbesserung der Wirtschaft und zu einer verminderten Abhängigkeit von den hochtechnisierten Industrieländern führen.

Mit allen Auswirkungen sozialer, wirtschaftlicher und umweltpolitischer Natur meint der Forscher.
Spintronic
Dabei handelt es sich um eine noch relativ junge Forschungssparte, die sich der Besonderheit der Elektronen annimmt, dass sie nicht nur über Ladungen, sonder auch über einen sogenannten Spin verfügen. Und der gibt ihnen magnetische Eigenschaften.

"Öffnet man einen Computer, dann hat man getrennt von einander einen Prozessor und einen Speicher. Der Prozessor baut auf der Halbleitertechnologie auf. Elektronenladungen werden bewegt. das ist die Rechenleistung", so Hideo Ohno von der Tohoko-Universität in Japan.

"Beim Speicher, etwa in der Festplatte, verwendet man elektronische Magneten - denn jedes Elektron ist ein kleiner Magnet. Diese Prinzipien werden getrennt voneinander angewendet. Was wir jetzt gerne sehen würden, das ist, was passiert, wenn wir Elektronenladungen also Halbleitereigenschaften und Elektronen-Spin, also die magnetischen Eigenschaften miteinander verbinden. Denn das hat es bisher noch nicht gegeben", sagt Ohno.
Schneller, besser, weiter
Mächtigere Computer, bessere Speichereigenschaften, schnelleres Hochstarten, das verspricht man sich von der Spintronic. Ein Feld der Grundlagenforschung in dem das Team um Ohno schon relativ weit vorangekommen ist.

"Wir sind bisher soweit, dass wir Halbleitern ferromagnetische Eigenschaften gegeben haben. Also beide Eigenschaften in einem Material vereint. Und wir können auch Halbleiter-Heterostrukturen herstellen, und zwar mit ferromagnetischen Eigenschaften". Ohno weiter: "Das können wir schon bei Laser- und Transistorstrukturen anwenden und bei einigen anderen Elementen, bei denen das bisher noch nie geglückt ist".
Der erste Schritt
Die Spintronic ist ein erster Schritt in Richtung Quantenmechanik, an deren Ende der Traum vom Quantencomputer steht.

"In fünf Jahren wird man die ersten Produkte auf diesem Gebiet sehen", sagt Ohno. Das werden Hybride zwischen Magneten und Halbleiterelementen sein. Aber wenn es um Quantenmechanische Effekte in der Informationsverarbeitung geht, dann wird man noch 20 bis 25 Jahre warten müssen.
Entwicklungsfaktor Industrie
Eine wichtige Rolle bei der Entwicklung dieser neuer Technologien schreiben die Wissenschaftler in Linz der Industrie zu. Sie ist es schließlich, die Forschungsaufträge vergibt und damit die Entwicklungsrichtung auch innerhalb der Grundlagenforschung mit bestimmt.

"Die Zukunft liegt vielleicht gar nicht bei den großen alten Firmen, sondern vielleicht viel mehr bei den kleineren, viel schnelleren Startups, die aus der Forschung entstehen", meint Friend. "Und da gibt es schon einige Universitäten, die dabei recht gut sind. Und ich denke, dass das ein recht interessanter Parameter ist, der die Zusammenarbeit von Forschung und Industrie beleben könnte".
Ein neues Bild der Industrie?
"Gut möglich das die Zukunft nicht im Großen liegt, sondern im Kleinen. Und das hat sich bei der Evolution immer als gut herausgestellt", meint Friend.

Christian Schrenk, Ö1-Dimensionen
->   Institut für Halbleiter- und Festkörperphysik der Universität Linz
 
 
 
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01.01.2010