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"Falsche" Vaterschaft - Mediziner in der Zwickmühle  
  Was tut ein Arzt, der bei einer genetischen Untersuchung zufällig feststellt, dass ein Kind nicht vom angegebenen Vater sein kann. Eine Frage, die Mediziner, Familienrechtler und Datenschützer gleichermaßen beschäftigt.  
Die provokante Meldung einer deutschen Ärztezeitschrift schürt das Misstrauen so mancher Väter: Jedes dritte Kind hätte der Schätzung zufolge einen anderen Vater als angenommen, realistischere Schätzungen sprechen von jedem fünfzehnten.
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Bericht in der "Ärzte Zeitung"
Konservativ geschätzt kommen in Deutschland pro Jahr etwa 7.000 Kinder zur Welt, die einen anderen Vater haben als vermutet", berichtete die "Ärzte Zeitung" (Neu Isenburg) kürzlich. Das Fachblatt berief sich auf zwei britische Studien und rechnete die Zahlen auf Deutschland hoch.
->   Artikel in der "Ärztezeitung"
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Schweigen oder nicht?
Die wenigsten Väter wissen davon. Der Arzt der so ein "Familiengeheimnis" im Zuge anderer Untersuchungen entdeckt, sitzt in der Zwickmühle: Schweigen oder nicht? Eine heikle Frage...
Zufällige Entdeckung...
Es ist kein Vaterschaftsverfahren anhängig, die Familie hat keine Frage bezüglich der Abstammung des Kindes, sondern es geht um die Gesundheit.

Ein Gentest wird gemacht, um die Gefahr einer Erbkrankheit abzuschätzen. Der Arzt entdeckt dabei eigentlich durch Zufall, dass der Vater nicht der Vater ist.
Familienrechtler: "Zwickmühle"
Mit diesem Ergebnis hat der Arzt nun die Antwort auf eine Frage, die gar nicht gestellt wurde. Ein Zwickmühle, sagt der Familienrechtler Wolfgang Zankl vom Institut für Zivilrecht der Universität Wien.
Recht oder Pflicht des Arztes?
"Es gibt weder eine Rechtsvorschrift, die es dem Arzt ausdrücklich gestattet, solche Informationen zu geben, es existiert aber auf der anderen Seite auch keine Bestimmung, die den Arzt ausdrücklich dazu verpflichtet, solche Informationen zu geben", so Zankl.
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Ausweg Pflegschaftsgericht?
Die Entscheidung, ob der Arzt die Eltern über dieses Ergebnis informiert oder nicht, muss er selbst treffen - im Rahmen von Arzt- und Zivilrecht. Möglich sei auch, so Zankl, der Weg zum Pflegschaftsgericht, das dem Arzt dann die Entscheidung abnimmt.
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Ärztliche Schweigepflicht
Die Leiterin der Datenschutzkommission im Bundeskanzleramt, Waltraut Kotschy, empfiehlt, die ärztliche Schweigepflicht zu wahren und zu schweigen.

Fragen des Familienrechts seien nämlich im Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient nicht enthalten, so die Datenschützerin.
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Behandlungsvertrag Arzt - Patient
Waltraut Kotschy: "Der Behandlungsvertrag mit einem Arzt bezieht sich auf die Gesundheit des zu Behandelnden - und das kann ja wohl nicht mit der familienrechtlichen Frage verknüpft werden, wer wessen Kind oder Vater ist."
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Keine Hilfe im Gentechnikgesetz
Ob der Arzt die Information - nach der der Patient ja gar nicht gesucht hat - weitergeben darf, ist aus Sicht des Datenschutzes fraglich.

Im Gentechnikgesetz heißt es in Paragraf 71: der untersuchten Person seien unerwartete Ergebnisse mitzuteilen, die von unmittelbarer klinischer Bedeutung sind oder nach denen sie ausdrücklich gefragt hat.
Vaterschaft "nicht von klinischer Bedeutung"
Von klinischer Bedeutung sei die Frage der Vaterschaft nicht, so die Datenschutzexpertin Kotschy. Im Gesetz heißt es weiter, dass die Mitteilung solch unerwarteter Ergebnisse in Grenzfällen auch unterbleiben kann. Der Arzt bleibt also in seiner Zwickmühle...
->   Gentechnikgesetz
Boom bei Vaterschaftstests ...
Der private Vaterschaftstest ist mittlerweile ein gutes Geschäft. Im Internet finden sich zahlreiche Seiten von Labors, die genau darauf spezialisiert sind.

Die Unternehmen verdienen am Misstrauen der Partner und am Seitensprung. Für ein paar Tausend Schilling oder ein paar hundert Mark wird laut Homepage die Frage nach dem richtigen Papa beantwortet.

Lediglich Speichel, Haare, Zahnbürste oder gar ein benütztes Taschentuch von Kind und Vater müssen eingeschickt werden. Der Abstammungsfrage wird dann mittels DNA-Test nachgegangen, das Ergebnis per Post zugeschickt.
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Boom auch in Österreich
Private Tests bei öffentlichen Instituten in Österreich kosten bis zu 20.000 Schilling. In Linz hat das Gerichtlich-Medizinische Institut der Johannes-Kepler-Universität in den vergangenen 6 Jahren eine Verdoppelung der Vaterschaftstests verzeichnet - zunehmend mehr Privatgutachten. Privatgutachten können vor Gericht verwendet werden, müssen aber nicht anerkannt werden, erklärt der Familienrechtler Zankl.
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... wegen drohender Unterhaltszahlungen
Die Gentechnik soll Klarheit ins Familienleben bringen, doch wirft sie erst recht viele Fragen auf: In den meisten Fällen treibt eine drohende Unterhaltszahlung mögliche Väter ins Labor, es geht um Unterhalt, Obsorge und letztlich auch um Erbschaft.

Barbara Daser, Ö1-Wissenschaft
->   Institut für Zivilrecht der Universität Wien
Mehr zum Thema Vaterschaftstests in science.orf.at:
->   Genlabors mit heimlichen Vaterschaftstests (23.07.01)
->   Die Vaterschaftstests boomen (30.05.01)
 
 
 
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01.01.2010