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Biowaffen: Neue Generation von Unheilbringern?  
  Milzbrand, Nervengifte und Botulinum-Toxin: In den Labors der Entwickler und Bekämpfer von biologischen Waffen wird mit allerlei gefährlichen Krankheitserregern und Giftstoffen gearbeitet. Nun warnen Wiener Zoologen, dass in Zukunft auch "sozioökonomische B-Waffen" entstehen und benutzt werden könnten.  
Sozioökonomische B-Waffen
Erreger wie beispielsweise jene der Maul- und Klauenseuche (MKS) würden ausreichen, um die Wirtschaft der betroffenen Länder zu schwächen.

"Die heutige Landwirtschaft ist durch Massenproduktion, den Transport von lebenden Tieren und Arbeitsteilung gekennzeichnet. Das ist eine Situation, die zahlreiche Probleme verursacht, wenn es sich um die Beherrschung eines Ausbruchs von Erregern wie jene der Maul- und Klauenseuche handelt", schreiben Dr. Johannes Rath, Chef des Zentrallabors des Instituts für Zoologie der Universität Wien, und sein Kollege Dr. Jochen L. Bürgel im Fachmagazin "Science" (20. Juli).
Originalartikel in Science von Johannes Rath und Jochen Bürgel (kostenpflichtig):
->   "Socioeconomic Biological Weapons"
MKS: Vorbild für neue Waffen-Generation?
Gerade die Konsequenzen der Maul- und Klauenseuche in Europa sollten zum Nachdenken anregen. Die beiden Experten: "Der wirtschaftliche Schaden ist nicht nur auf Grund der Schlachtung von Hunderttausenden Tieren enorm. Gleiches gilt für die Auswirkungen auf den Tourismus."

Das könnte laut Rath und seinem Kollegen noch weiter reichende Effekte haben. Eine sekundäre Auswirkung könne das Steigen der Inflationsrate durch höhere Lebensmittelpreise sein, so die beiden Forscher.

"Das könnte es für die Europäische Zentralbank schwerer machen, die Zinsraten stark zu senken - noch dazu in einer Zeit einer langsamer wachsenden Wirtschaft. Höhere Zinsen aber würden die ganze Wirtschaft treffen und ihr Wachstum weiter reduzieren", heißt es weiter.
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Gentechnik verstärkt Biowaffen-Risiko
Seit der Entschlüsselung des Genoms vieler Organismen hat sich das Risiko für eine neue Generation an B-Waffen neuerlich erhöht. Zu Jahresbeginn etwa erregte ein Fall australischer Wissenschaftler Aufmerksamkeit. Sie versuchten, durch gentechnische Veränderung an einem Mäusepockenvirus einen Impfstoff zu entwickeln. Da nicht alle untersuchten Mäusestämme auf das veränderte Virus ansprachen, wurde ein weiteres verändertes Gen eingeschleust. Die Wirkung war verheerend. Das an sich harmlose Virus mutierte innerhalb kürzester Zeit zu einem Killervirus, der alle Mäuse tötete. Aus einem harmlosen Virus war ein äußerst pathogener Erreger geworden.
->   Mehr dazu: Biotechnologie als Biowaffen-Produzent
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MKS bereits "offiziell" Biowaffe
Gerade das Hinzufügen der Maul- und Klauenseuche zur bisher bereits bestehenden Liste der potenziellen biologischen Waffen in den Entwurf für ein Protokoll zu der internationalen Konvention sollte die Aufmerksamkeit darauf lenken, dass sich das Bild von "biologischen Waffen" ändere, meinen die Zoologen.

Von für den Menschen potenziell tödlichen Keimen wie Anthrax (Milzbrand) oder Clostridium botulinum (Lebensmittelvergiftung/Botulismus-Toxin) bis hin zu den mikroskopisch kleinen Verursachern von enormen wirtschaftlichen Schäden.
Biowaffen-Konvention muss unterstützt werden
Deshalb sollten - so die Wiener Forscher - die Verantwortlichen gerade jetzt besonders aufmerksam sein und die Zeit für Gegenmaßnahmen nützen: "Der Verlauf der Ereignisse rund um den Maul- und Klauenseuchen-Ausbruch in Großbritannien und im Rest der EU sollte uns wachsam machen. Die industrialisierte Landwirtschaft ist höchst verwundbar, was die Anwendung von sozioökonomischen Waffen angeht."

Damit nicht genug. Rath und sein Kollege: "Das Nichtvorhandensein von ausreichenden Möglichkeiten, solche Krankheitsausbrüche bei Tieren oder Pflanzen zu beschränken, bedeutet ein hohes Risiko für die nationale Sicherheit."

Deshalb sollten auch alle Maßnahmen zur Stärkung der internationalen Biowaffen-Konvention begrüßt und unterstützt werden: "Solche Maßnahmen entscheiden über das Potenzial, der Entwicklung, Produktion, Lagerung oder dem Gebrauch solcher Waffen zu begegnen."
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Die Biowaffen-Konvention
Die Konvention gegen biologische Kampfstoffe wie Viren und Bakterien wurde 1972 verabschiedet und ist seit 1975 in Kraft. Sie wurde bisher von 143 Staaten der Erde unterzeichnet, darunter auch von den USA.
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->   Biowaffen-Konvention von 1972
->   Liste der Unterzeichner-Staaten (Stand Juni 2001)
Suche nach wirksamer Überprüfung
Bisher gibt es kaum Möglichkeiten, die Einhaltung der Konvention wirksam zu überprüfen. Deshalb wird auf internationaler Ebene an einem Zusatzprotokoll gearbeitet, das diese Überprüfung gewährleisten soll.
Die USA verweigern sich
Vergangene Woche haben sich die USA in Genf geweigert, einen entsprechenden, von der Europäischen Union eingebrachten Vorschlag zu unterstützen.

Drei Gründe wurden für die Ablehnung des Zusatzprotokolls angegeben. Erstens würden dadurch die Abwehrmaßnahmen der USA gegen Biowaffen für ausländische Inspektoren zugänglich. Damit könnte genug über die US-Verteidigungsmaßnahmen in Erfahrung gebracht werden, um Gegenmaßnahmen entwickeln zu können.

Zweitens würden Entwicklungsländer Zugang zu Wissen der US-Pharmaindustrie erhalten. Es sei nicht richtig, dass die US-Industrie den gleichen Inspektionen ausgesetzt wäre wie das
iranische Gesundheitsministerium. Drittens könnten Länder mit Hilfe des Protokolls strenge US-Exportkontrollen unterlaufen.

(APA/ AFP/red)
->   Sunshine-Project (Internationale Organisation gegen Biowaffen)
->   Database about biological weapons and the Biological and Toxin Weapons Convention (BTWC)
->   Institut für Zoologie, Universität Wien
->   Science
 
 
 
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01.01.2010