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Ötzi: Mord-Theorie immer stärker bezweifelt  
  Ist der Gletschermann "Ötzi" tatsächlich einem Mord zum Opfer gefallen? Die seit vergangener Woche heiß diskutierte Frage wird von Experten immer häufiger mit Nein beantwortet.  
Der Südtiroler Konservierungsbeauftragte Eduard Egarter-Vigl, Primar der Bozner Pathologie, etwa bezweifelt die Mordtheorie.

Wahrscheinlicher sei, dass der Eismann während einer "kriegerisch-kämpferischen Auseinandersetzung" mit einem Pfeil verletzt worden sei. Weitere Untersuchungen sollen wissenschaftliche Erkenntnisse über Ötzis Tod liefern, erklärte Egarter-Vigl im APA-Gespräch.
Röntgen zeigte Pfeilspitze
Für Aufregung hatte in der vergangenen Woche eine Entdeckung am Krankenhaus Bozen gesorgt, dass Ötzi von hinten mit einem Pfeil angeschossen worden war. Bei Röntgenuntersuchungen war im linken Schulterbereich des Eismannes eine Pfeilspitze gefunden worden.

In den Medien wurde daraufhin vielfach die Meinung kolportiert, Ötzi sei Opfer eines Mordes geworden. Für den möglichen Tathergang gebe es jedoch noch keine wissenschaftlichen Belege, betonte der Konservierungsbeauftragte.
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Die Pfeilspitze war Todesursache
Schon vergangene Woche hielt Horst Seidler, leitender Forscher der "Eismann-Kommission", die Mord-Theorie für reine Spekulation. Der Humanbiologe betonte gegenüber science.orf.at allerdings, dass mit der Pfeilspitze die tatsächliche Todesursache des Ötzi gefunden wurde: Zwar habe diese keinerlei lebenswichtige Organe getroffen, doch seien dadurch massive Schmerzen und Blutungen "über mehrere Stunden" ausgelöst worden. Der Mann sei dann, verursacht durch die Wunde, vermutlich erschöpft zusammengebrochen und erfroren.
->   Mordfall in den Alpen?
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Auseinandersetzung, Flucht oder Jagdunfall?
Darüber könne vorerst nur spekuliert werden, am wahrscheinlichsten erscheine ihm jedoch die Verletzung im Zuge einer Auseinandersetzung, erklärte Egarter-Vigl.

Eine weitere Theorie vom Innsbrucker Ur- und Frühgeschichtler, Univ.-Prof. Konrad Spindler, besage, dass Ötzi nach einem Überfall auf sein Dorf in die Berge geflüchtet sei.

Dabei könnte er von seinen Verfolgern angeschossen worden sein. "Eher unwahrscheinlich" ist nach Ansicht des Konservierungsbeauftragten die Möglichkeit, dass der Mann aus dem Eis bei einem Jagdunfall umgekommen sei. Auch eine "Opfertheorie" stehe auf "wackeligen Beinen", derzufolge Ötzi als Menschenopfer sein Leben einbüßen musste.
Weitere Gewebeproben sind vonnöten
Noch würden sich einige offene Fragen rund um die Gletscherleiche stellen, betonte der Bozner Ötzi-Chef. Vorerst gebe es noch keine Gewissheit darüber, welchen Schaden die Pfeilspitze in Ötzis Schulter verursacht habe.

Weitere Gewebeproben sollen Aufschluss darüber geben, ob durch den Fremdkörper eine Eiterung oder Blutung entstanden war. Zudem müsse erst geklärt werden, wie viel Zeit zwischen dem Einschuss und dem Tod des Eismannes vergangen war. Mit "großer Wahrscheinlichkeit" sei Ötzi aber an den Folgen dieser "nicht unerheblichen" Verletzung gestorben.
Magen-Endoskopie soll Klärung bringen
Im Zuge von weiteren Untersuchungen soll eine "Magen-Endoskopie" über die Speiseröhre der Gletscherleiche durchgeführt werden. Wissenschaftliche Erkenntnisse erhoffe man sich von einem eventuell vorhandenen bakteriellen Keim ("Helicobacter pyori") in "unverdauten Lebensmitteln" des Magens.

Dieser Keim sei verantwortlich für Gastritis, Magengeschwüre bis hin zu Krebserkrankungen und siedle sich "als Haustier" in der Magenschleimhaut an. Man habe den Keim auch bereits an Toten aus dem Mittelalter nachweisen können.

Für diese Untersuchungen sei aber zuerst eine Genehmigung durch den wissenschaftlichen Beirat des Bozner Archäologiemuseums nötig, erklärte Egarter-Vigl.

(APA/red)
Mehr über die Gletschermumie:
->   Mord an Ötzi wird bezweifelt
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01.01.2010