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Dem Geheimnis des Riechens auf der Spur  
  Auf der Suche nach dem Geheimnis der Geruchswahrnehmung sind Forscher jetzt einen Schritt weiter gekommen: Mit Experimenten an Fruchtfliegen und Froscheiern ist es ihnen erstmals gelungen, die Funktionalität von Geruchsrezeptoren nachzuweisen.  
Dies berichten zwei Forschergruppen der Universität Bochum in der aktuellen Ausgabe der "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS).

Mit Experimenten an Fruchtfliegen (Drosophila) und Froscheiern ist es einer Gruppe um Professor Bernhard Hovemann (Biochemie/Molekulare Zellbiochemie) und einem Team von Professor Hanns Hatt (Zellphysiologie) erstmals gelungen, die Funktionalität von Geruchsrezeptoren bei Insekten direkt nachzuweisen.
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Rezeptor
in der Biologie die Region eines Organismus, der einen Reiz aufnimmt und in Erregung transformiert; z. B. sind die Augenflecken der Geißeltierchen Fotorezeptoren. Bei den höheren Tieren sind die Rezeptoren Organe, Zellen oder Teile von Zellen.
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Gute Geruchsfähigkeit mittels Antennen
Sie züchteten zum einen Fliegen, die mit ihren Antennen nachweislich einen Stoff besonders gut riechen können, und stellten zum anderen riechende Froscheier her.

Beide sprachen auf denselben Stoff an: das nach Marzipan duftende Benzaldehyd.
Wie Insekten die Umwelt 'erschnüffeln'
Bild: Ruhr-Universität Bochum
Im Experiment leuchten die
Antennen der Fruchtfliege.
Insekten orientieren sich in ihrer Umgebung vornehmlich durch Sehen und Riechen. Deshalb können Wissenschaftler an ihnen die molekularen Vorgänge dieser beiden Wahrnehmungsprozesse hervorragend studieren.

Vor einem Jahr gelang es amerikanischen Forschern der Yale und der Columbia Universität, mittels Computerabgleich eine neue Genfamilie mit ca. 60 Rezeptoren auf den Antennen der Fruchtfliege zu finden.

Die große Frage aber war, ob diese Rezeptoren tatsächlich in der Lage sind, Geruchsstoffe zu erkennen. Den direkten Nachweis lieferten jetzt die Wissenschaftler der Uni Bochum.
Rezeptoren in Fliegenantennen melden Marzipan
Die eine Forscher-Gruppe veränderte Drosophilas Gene so, dass sie einen der 60 Rezeptoren vermehrt in den Geruchsneuronen der Antennen produzierte. Es entstand ein verändertes Tier, das das Rezeptorprotein OR43a in über 1.000 Geruchsneuronen bildet - anstatt in nur 15 wie der Wildtyp.

Dann konfrontierten sie die Fliegen mit 24 Standardduftstoffen. Elektroden, die sie dem nur einen Millimeter kleinen Tier auf die Antennen setzten, maßen ihre Reaktion auf die verschiedenen Gerüche. Das Ergebnis: Bei Benzaldehyd, das nach Marzipan duftet, reagierten die Antennen des genetisch veränderten Typs doppelt so stark wie die des Wildtyps.
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Wissenschaftlicher 'Star' Fruchtfliege
Die Fruchtfliege Drosophila melanogaster leistet nicht zum ersten Mal einen wichtigen Beitrag in der Grundlagenforschung: So hat sie mehrere fundamentale Erkenntnisse - etwa die Entdeckung der Homeo-Box-Gene - ermöglicht. Auch bei den Versuchen zum Verständnis der Geruchsverarbeitung hat die Fruchtfliege Modellcharakter.
->   Mehr zu Drosophila
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Rezeptoren nehmen Düfte wahr
Damit ist bewiesen, dass die Rezeptoren tatsächlich Düfte wahrnehmen. Darüber hinaus konnten die Bochumer Forscher zeigen, dass ein einziger Geruchsrezeptor mehrere Duftstoffe erkennen kann.

Im Labor von Hanns Hatt gingen die Forscher einen anderen Weg, um die Funktionsfähigkeit der Rezeptorgene zu beweisen: Sie injizierten die genetische Information für den Rezeptor OR43a, die sie aus der Fruchtfliege gewonnen hatten, in eine Froscheizelle.
Riechende Froscheier
Nach einigen Tagen konnten die Froscheier Duftstoffe riechen; genau dieselben, die in den Antennen der genetisch veränderten Fruchtfliege verstärkte Reaktionen hervorgerufen hatten.

Froscheier ohne Injektion antworteten auf keinen Duft. So konnten die Wissenschaftler beweisen, dass die neue Genfamilie, zu der auch OR43a gehört, tatsächlich für Riechrezeptorproteine verantwortlich ist.

Mehr noch: Das Protein reagiert sogar in Insektenzellen und Wirbeltierzellen in der gleichen Art und Weise. Dies eröffnet ganz neue gen- und biotechnologische Möglichkeiten, z. B. für Biorezeptoren.
Der Weg ins Gehirn
Die Erkenntnisse bei Drosophila sollen auch helfen zu erkennen, welche Proteinstrukturen für das Riechen wichtig sind.

Weitere Untersuchungen sollen zeigen, wie die Information von der Antenne ins Gehirn der Fliege gelangt und dort verarbeitet wird. Daraus resultiert das Verhalten des Tieres, mit dem es Futter findet und sich in seiner Umgebung orientiert.

(idw/red)
Christian H. Wetzel, Hans-Jörg Behrendt, Günter Gisselmann, Klemens F. Störtkuhl, Bernd Hovemann and Hanns Hatt: Functional expression and characterization of a Drosophila odorant receptor in a heterologous cell system. Proc. Natl. Acad. Sci. USA, Vol. 98, Issue 16, 9377-9380, July 31, 2001
Klemens F. Störtkuhl and Raffael Kettler: Functional analysis of an olfactory receptor in Drosophila melanogaster. Proc. Natl. Acad. Sci. USA, Vol. 98, Issue 16, 9381-9385, July 31, 2001-
->   Der Originalartikel in PNAS (kostenpflichtig)
->   Chemie der Uni Bochum
->   Fakultät Biologie der Universität Bochum
 
 
 
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01.01.2010