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Streit um Spendenaufruf für Holocaust-Mahnmal  
  Seit Wochen sorgt eine umstrittene Plakatwerbung für das Holocaust-Mahnmal in Berlin für Aufregung. Nach zahlreichen Beschwerden haben sich nun auch 150 internationale Wissenschaftler gegen die Kampagne ausgesprochen. Die Proteste zeigen Wirkung: Das Plakat soll noch diese Woche abgenommen werden.  
"den holocaust hat es nie gegeben"
Das Plakat, mit dem um Spenden für das Mahnmal geworben wird, zeigt eine idyllische Landschaft. Darauf steht in großen Lettern das Zitat "den Holocaust hat es nie gegeben" mit dem klein gedruckten Zusatz: "Es gibt immer noch viele, die das behaupten. In 20 Jahren könnten es noch mehr sein. Spenden Sie deshalb für das Denkmal für die ermordeten Juden Europas."
Unsinnige Kampagne?
In einem Appell forderten am Wochenende Historiker und Kulturwissenschaftler aus Deutschland, Frankreich, USA, Israel und Österreich "den sofortigen Abbruch dieser unsinnigen Kampagne".

Die 150 Unterstützer des Appells kritisierten, dass die Plakatgestalter, auch ohne es zu wollen, mit "diesem ungeheuerlichen Spruch" eine "infame historische Lüge" verbreiteten und mit dem Feuer spielten.
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Prominente Unterzeichner
Unter den Unterzeichnern sind bekannte Holocaust-Forscher wie Saul Friedländer, Christopher Browning und Hans Mommsen.
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Anziehungspunkt für Rechtsextreme
Und die Befürchtungen der Wissenschaftler haben sich bewahrheitet. Der einschlägig vorbestrafte Rechtsextremist Manfred Roeder soll nach Recherchen des ZDF-Magazins Frontal 21 mit Gesinnungsgenossen das umstrittene Plakat verspottet haben.

Fotos, die dem ZDF vorliegen, zeigen Roeder und seine Begleiter, wie sie vor dem Plakat am Brandenburger Tor in Berlin Transparente entrollen und den Plakatspruch "den holocaust hat es nie gegeben" mit den Worten ergänzen "Wehrmachtsverbrechen auch nicht!"
Das Plakat wird abgenommen
Begebenheiten wie diese und die Kritik der Wissenschaftler und Politiker zeigen Wirkung: Noch diese Woche soll das Plakat abgenommen werden. Das sagte die Vorsitzende des Förderkreises zur Errichtung des Denkmals für die ermordeten Juden, Lea Rosh, am Montag in Berlin.

Der Förderkreis verwahre sich dagegen, "in irgendeiner Weise mit der Leugnung des Holocaust in Verbindung" gebracht zu werden. Sie bedauere, dass der Spendenaufruf Anlass zu Missverständnissen gegeben habe.
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1999 vom Bundestag beschlossen
Der deutsche Bundestag hatte 1999 die Errichtung des Holocaust-Mahnmals beschlossen, für das sich der private Förderkreis unter dem Vorsitz von der Journalistin Lea Rosh jahrelang eingesetzt hatte. Daraufhin wurde die Bundesstiftung "Denkmal für die ermordeten Juden Europas" gegründet, deren Vorsitzender Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) ist.
->   Deutscher Bundestag
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Strafanzeige wegen Volksverhetzung
Die Berliner Staatsanwaltschaft hatte schon vergangene Woche Ermittlungen wegen Volksverhetzung eingeleitet, nachdem mehrere Anzeigen gegen das Plakat eingegangen waren.

Kritik am Plakat äußerte auch der Präsident des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel. Wie Michel Friedman, Vizepräsident des Zentralrats und CDU-Politiker, bezeichnete er die Strafanzeige eines ehemaligen KZ-Häftlings gegen den Förderkreis aber als falsch.
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2.700 Betonstelen
Das Mahnmal soll nach dem Konzept des US-Architekten Peter Eisenman südlich des Brandenburger Tores errichtet werden. Es sieht ein Steinlabyrinth aus 2.700 Betonstelen (Grabsäulen) vor, das durch einen unterirdischen Ort der Information ergänzt wird. Die Gedenkstätte soll bis zum 27. Jänner 2004, dem 59. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, fertig sein.
->   Holocaust-Mahnmal
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SPD-Bürgermeister für Kampagne
Bei der öffentlichen Präsentation Mitte Juli waren die Reaktionen nicht vorhersehbar. Mit Unterstützung des Berliner Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit und der Jüdischen Gemeinde der Stadt war die provokante Spendenkampagne begonnen worden.

Die Aktion werde sicherlich umstritten sein, räumte Wowereit bei der Vorstellung des Großplakats nahe dem Brandenburger Tor damals ein. Fatal wäre es jedoch, wenn es ein Plakat wäre, das niemand zur Kenntnis nähme.
Rechtfertigt der Zweck den Text?
Selbstverständlich gebe es Bedenken, sagte damals der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Alexander Brenner. Auf die Opfer, vor allem auf ältere Leute, wirke die Parole provokant.

Alle seien aber damit einverstanden, "dass der Zweck der Sache diesen Text rechtfertigt", erklärte Brenner. "Wir werden jede Aktion unterstützen, um den Bau dieses Mahnmals zu beschleunigen und zu vollenden."
Bau soll nicht nur Aktion des Staates sein
Der umstrittene Text wurde ursprünglich auch von Lea Rosh favorisiert. Damals vertrat sie die Auffassung, man könne heute in der Werbung nicht mehr mit den üblichen Mitteln arbeiten. Mit der provokativen Kampagne sollten die Menschen über Berlin hinaus in ganz Deutschland erreicht werden.

Eigentlich müsste der Verein keinen eigenen finanziellen Zuschuss leisten, da der Bund die Gesamtkosten von 350 Millionen Schilling übernimmt, aber so Rosh: "Der Bau soll keine reine Aktion des Staates sein."

(dpa/AFP/APA/AP/red)
 
 
 
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01.01.2010