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Scharfe Vatikan-Kritik an Historikern  
  Der Vatikan hat scharfe Kritik an Historikern geübt, die das Verhalten der katholischen Kirche und speziell von Papst Pius XII. (1939-1958) in der Zeit des Holocaust erforschen sollten. Die öffentlichen Darstellungen einiger Forscher seien "verdreht und tendenziös".  
Die Behauptung, der Vatikan wolle seine Archive nicht öffnen, sei falsch, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung des Vatikans.
"Mangelhafte Unterstützung" durch den Vatikan
Die Kommission aus jüdischen und katholischen Historikern hatte ihre Arbeit im Juli eingestellt, weil sie angeblich durch den Vatikan nur mangelhafte Unterstützung
erfahren hatte.
"Verleumdungskampagne"
In der von Pater Peter Gumpel herausgegebenen Erklärung ist von einer "Verleumdungskampagne" die Rede. "Die Initiative, die die Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und der jüdischen Gemeinschaft verbessern sollte, ist gescheitert", heißt es in dem Text. Direkt verantwortlich seien diejenigen, die gegen elementarste akademische und menschliche Normen verstoßen hätten.
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Pius XII. - umstrittener Papst
Kritiker werfen Pius XII. vor, er habe nicht genug getan, um die Juden in Europa vor der Vernichtung durch die Nazis zu bewahren. Sie klagen das "Schweigen des Papstes" an.

Dagegen meinen andere Forscher, mit öffentlichen Stellungnahmen hätte Pius den Hass der Nazis noch geschürt. Viele Juden verdankten dem Einsatz der katholischen Kirche ihr Leben.
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Gumpel: Alle Archiv-Dokumente einsehbar
Die Historiker hätten alle Archivdokumente zum Zweiten Weltkrieg einsehen können, betont Gumpel. Dagegen hätten von Anfang an einige jüdische Mitglieder der Kommission öffentlich den Verdacht verbreitet, der Vatikan versuche, kompromittierende Dokumente zu verbergen.

Mehrfach seien der internationalen Presse "verdrehte und tendenziöse" Darstellungen zugespielt worden. Dennoch sei der Vatikan zu weiterer Zusammenarbeit bereit gewesen.
Nicht alle Bände seien gelesen worden
Allerdings hätten nicht alle Forscher - "womöglich kein einziger von ihnen" - alle zwölf Bände gelesen. Die jeweiligen Einzelbeiträge seien so unterschiedlich gewesen, dass eine Gesamtdarstellung nach Angaben des Koordinators der Gruppe nicht möglich gewesen sei.

Daraufhin habe die Kommission 47 Fragen an den Vatikan gestellt und Einsicht in bislang nicht veröffentlichte Dokumente verlangt. Jede der Fragen sei von ihm detailliert beantwortet worden, so Gumpel.
Keine Antwort auf Fragen?
In der Folge sei von einigen jüdischen Kommissionsmitgliedern "systematisch behauptet" worden, sie hätten auf ihre Fragen keine Antworten bekommen. Bis heute sei entgegen dem Auftrag kein abschließender Bericht vorgelegt worden.
Technische Gründe verhindern komplette Einsicht
Zu dem Vorwurf, die Historiker hätten nicht alle Dokumente einsehen können, heißt es in der Vatikan-Erklärung, dies sei aus technischen Gründen nicht möglich.

Ein Berg von Material, mehr als drei Millionen Seiten, sei noch nicht katalogisiert. "Jeder Forscher weiß, dass kein Archiv konsultiert werden kann, wenn die Dokumente nicht katalogisiert und klassifiziert sind", heißt es in der Erklärung.

Sobald das der Fall sei, werde nicht nur einzelnen, sondern allen Forschern das gesamte Material zugänglich gemacht.

(dpa)
 
 
 
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01.01.2010