News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 
Ausbalanciertes Meeresleben  
  Die Wichtigkeit des Phänomens der Stickstoff-Fixierung für das Leben vieler Land- und Meeresorganismen ist schon länger bekannt. Doch jetzt wurden in den Meeren bislang unbekannte Stickstoff-fixierende Bakterien entdeckt, die wesentlich zur Stabilität der Ozeane und des globalen Kohlendioxid-Kreislaufes beitragen.  
Dies erklären Jonathan Zehr und seine Kollegen von der 'University of California' in Santa Cruz in der aktuellen Ausgabe von 'Nature' (412, 635 - 638, 2001). Bei ihrer Untersuchung von Meerwasser nach genetischen Spuren von Bakterien entdeckten sie zwei bisher nicht bekannte stickstoff-fixierende Bakterienarten.
Fundamentaler Lebensbaustein
Stickstoff, als ein basaler Bestandteil vieler Proteine, ist ein fundamentaler Baustein allen Lebens. Meeresorganismen beziehen den für sie lebensnotwendigen Stickstoff von den stickstoff-fixierenden, im Meer lebenden Bakterien.

In der selben Weise verlassen sich viele Landpflanzen auf die in ihren Wurzeln lebenden, stickstoff-fixierenden Bakterien, die Stickstoff aus der Luft gewinnen.
...
Stickstoff
farb-, geschmack- und geruchloses Gas. Atomarer Stickstoff ist reaktionsfreudig. Distickstoff bildet mit 78,08 Volumen-Prozent den Hauptbestandteil der Luft. Gebunden mit anderen Atomen findet sich Stickstoff in Nitraten, Ammoniak, tierischen und pflanzlichen Proteinen und DNA/RNA. Zwischen der obersten Erdschicht und der Atmosphäre findet ein Stickstoffkreislauf statt. Nur Bakterien sind in der Lage, Luftstickstoff zu binden. Stickstoff wird von Pflanzen und Tieren in großen Mengen zum Aufbau der Proteine benötigt. Durch den Proteinabbau gelangt Ammonium wieder in den Boden, wird in Nitrat umgewandelt, als Nitratstickstoff in molekularen Stickstoff umgebaut und kann so in die Atmosphäre entweichen.
->   Mehr zur Stickstoff-fixierung
...
Einer allein reicht nicht
Einer in den Ozeanen vorkommender wichtiger Stickstoff-Fixierer ist das Bakterium Trichodesmium, das vor allem an den Küsten zu finden ist. Aber Trichodesmium allein fixiert nicht genug Stickstoff.

Die jetzt neu entdeckten Bakterien gehören zu den Cyanobakterien (auch Blaualgen genannt), die wie grüne Pflanzen Photosynthese betreiben, um Energie zu gewinnen.

Und im Gegensatz zu Trichodesmium, dass in Ketten und Klumpenform lebt, führen die neu entdeckten Stickstoff-Fixierer ein singuläres Dasein. Deshalb werden sie auch 'Nanoplankton' genannt.
...
Cyanobakterien, Blaualgen
einzellige, oft fadenförmige, Kolonien bildende Algen von einfacher Organisation, denen ein echter Zellkern fehlt. Sie gehören zu den phototrophen Prokaryonten. Blaualgen enthalten neben Chlorophyll a, Xanthophyll und Carotin noch einen blauen (Phycocyan) und einen roten (Phycoerythrin) Farbstoff. Sie vermehren sich vegetativ durch Teilung. Die Blaualgen sind in etwa 1400 Arten über die ganze Erde verbreitet, wo sie auch extreme Biotope (z. B. Thermalquellen) besiedeln können.
->   Mehr zu Cyanobakterien
...
Verdoppelung der Stickstoff-Rate
Laut den Forschern ist dieses neu entdeckte Nanoplankton in der Lage "die Rate der Stickstoff-Fixierung der Ozeane zu verdoppeln", meint Zehr. Das würde laut den Wissenschaftlern wesentlich zu einer Ausbalancierung des Stickstoffhaushaltes der Meere beitragen.

Die Entdeckung des stickstoff-fixierenden Nanoplanktons könnte aber auch erhebliche Auswirkungen auf die Kohlendioxid-Modelle der Klimaforscher haben. Denn die Menge an Stickstoff, die
für Algen in den Ozeanen verfügbar sind, bestimmen das Wachstum der Algen und anderer Meeresorganismen und damit deren Kohlendioxid-Verbrauch.

Auf diese Weise wird die Stickstoff-Fixierung durch die Meeresalgen oft als Indikator für die Menge an Kohlendioxid gesehen, die in den Weltmeeren verbraucht werden.
...
Stickstoff-Krise in der Urzeit
Mexikanische Wissenschaftler errechneten vor kurzem, dass, vor über zwei Milliarden Jahren, durch das Absinken des Kohlendioxid-Gehaltes der Luft um 20 Prozent gleichzeitig auch die Fähigkeit der Stickstoff-Fixierung durch Blitze und Gewitter um einen wesentlich größeren Faktor fiel. Das damals hauptsächlich auf Bakterien beschränkte Leben fiel sozusagen in eine "Stickstoff-Krise", wie die mexikanischen Wissenschaftler erklärten. Kohlendioxid war ein Schlüsselfaktor in der Frühzeit des Lebens, da Sauerstoff vor 2 Milliarden Jahren noch sehr knapp war. Denn Sauerstoff, den die Bakterien benötigten, um Stickstoff in eine Form umzuwandeln, den sie nutzen konnten, konnte nur von Wasser oder Kohlendioxid kommen.
->   Mehr dazu auf science.orf.at unter 'Krisenfestes Leben'
...
Auf dem Weg der Gene
Nach ersten kleinen Hinweisen auf die neuen Stickstoff-Fixierer suchten Zehr und sein Team nach genetischen Spuren in etlichen Wasserproben, die auf die Aktivität des Stickstoff-fixierenden Enzyms(Eiweiß) Nitrogenase hinweisen.

Und sie fanden die genetischen Spuren in einer Form, die auf die Aktivität jenes Enzyms in Bakterien hinweißt, die nicht Trichodesmium sind. Konkret suchten die Forscher nach der sogenannten mRNA(messengerRNA), die ein erster Abdruck des spezifischen Gens darstellt und zeigt, dass die Genmaschinerie zur Produktion des spezifischen Enzyms bereits angelaufen ist. Damit hatten die Wissenschaftler ihren konkreten Hinweiß auf die Aktivität anderer stickstoff-fixierender Bakterien.
Phase zwei
In einer weiteren Phase wollen die kalifornischen Forscher nach weiterem Nanoplankton in den Weltmeeren fahnden, um ihren weltweiten Stellenwert für die Stickstoff-Fixierung und den globalen Kohlendioxidkreislauf zu dokumentieren.

(red)
->   Department of Ocean Sciences and Institute of Marine Sciences, University of California
->   Woods Hole Oceanographic Insitute
->   Originalartikel in 'Nature'(kostenpflichtig) unter
" Unicellular cyanobacteria fix N2 in the subtropical North Pacific Ocean"
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010