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Enttäuschung über Stammzellen-Entscheidung  
  Die Entscheidung von US-Präsident George W. Bush, die Stammzellenforschung nur unter begrenzten Voraussetzungen zu fördern, hat viele Forscher und Patienten enttäuscht. Einige sprechen von einem Desaster.  
Der Bioethiker Arthur Caplan kritisierte an der Entscheidung von Bush, dass Stammzellenforscher nur dann Hilfe aus Washington erwarten dürfen, wenn sie mit bereits existierenden Linien von Stammzellen arbeiten.

''Erstens halten diese Zell-Linien nicht ewig, und zweitens sind viele von ihnen durch Patente und Lizenzen für Forscher an Universitäten nicht verfügbar'', sagte Caplan.
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Die Entscheidung
Der amerikanische Präsident George Bush hatte in der Nacht auf Freitag angekündigt, Experimente mit bestehenden Linien embryonaler Stammzellen zu fördern, nicht aber die mit neu gezüchteten Linien.
->   Mehr zu diesem Thema in sience.orf. at unter: Bush zur Stammzellenforschung: Ja, aber
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Ein Desaster
Der Biologe und Nobelpreisträger der Chemie (1980) Paul Berg von der Stanford Universität in Palo Alto, Kalifornien, betrachtet den von Bush gewählten Weg gar als ''Desaster''.

Der Wissenschaftler befürchtet, dass die vielversprechendsten Stammzellenprojekte mit Bushs Regelung ''in Privathand'' blieben.

Das Gros der Forscher an den Universitäten und anderen öffentlichen Einrichtungen müssten sich mit ''Nischen'' begnügen, die nicht schon durch Patente und Rechte vergeben sind.
Großzügigere Lösung erhofft
Der querschnittsgelähmte US-Schauspieler Christopher Reeve (''Superman'') gab im Gespräch mit dem CNN-Moderator Larry King zu, auf eine weitaus großzügigere Regelung gehofft zu haben.

Reeve ist überzeugt davon, dass embryonale Stammzellen ihm eines Tages wieder zum Laufen verhelfen könnten.
Alternative: gespendete Embryos
Berg und Reeve plädieren dafür, alle jene Embryos zur Gewinnung von Stammzellen zu nutzen, die von Behandlungen in Fruchtbarkeitskliniken übrig geblieben und für Forschungszwecke gespendet worden waren.
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Studien mit neu gewonnenen Stammzellen schließt der US-Präsident jedoch von der Förderung mit Steuergeldern aus und erlaubt stattdessen nur die wenigen Zell-Linien, die in den vergangenen Jahren bereits gewonnen wurden und sich seitdem immer weiter vermehren.
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Genügen Stammzell-Linien vorhanden?
Bush bezifferte die bereits existierenden Zell-Linien in seiner Ansprache auf ''etwa 60'' und rief mit dieser Zahl weithin Erstaunen her vor.

Reeve sagte bei CNN offen, noch nie von eine so hohen Zahl gehört zu haben. Auch seine Schauspielkollegin Mary Tyler Moore, die wegen ihrer Diabetes-Kranheit ebenfalls zu den Stammzelle-Aktivisten gehört, war überrascht.

Nach Auskunft des Chemie-Nobelpreisträgers Berg stammen alle in den USA entwickelten Stammzell-Linien vom Forschungsinstitut WiCell in Madison, Wisconsin. WiCell liefert seine Stammzellen auch ins Ausland, laut Berg aber aus weitaus weniger als 60 Zell-Linien.
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Der Gründer und wissenschaftlicher Direktor des Instituts, James Thomson, hatte 1995 als erster Forscher weltweit embryonale Stammzellen von Primaten isoliert und 1998 - ebenfalls als erster- embryonale Stammzellen des Menschen.
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Wichtigste Rechte bereits verkauft
Allerdings verkaufte WiCell der Biotechfirma Geron die Rechte zur Entwicklung von Stammzellentherapien gegen acht besonders schwere und weit verbreitete Krankheiten. Zu ihnen gehören Diabetes und Nervenleiden wie Parkinson und Alzheimer.

Damit sind andere Forscher an amerikanischen Universitäten sowie auch in Europa von der Suche nach den am meisten benötigten Therapien ausgeschlossen, solange sie die Stammzellen-Linien aus Wisconsin benutzen.
Wenig Alternativen
Nach Auskunft von Berg gibt es weltweit nur ganz wenige Unternehmen dieser Art, wie z. B. ein Institut in Australien, dessen Stammzell-Linien nicht patentrechtlich geschützt sind. Damit wären sie für staatlich geförderte, öffentliche Forschungsprojekte in den USA noch verfügbar.
Positives Echo in Deutschland
Der Präsident der deutschen Bundesärztekammer, Jörg Dietrich Hoppe, hat die Entscheidung von US-Präsident George W. Bush hingegen begrüßt.

Damit würden die Befürworter ''von Experimenten mit Menschen und an Menschen'' in die Schranken verwiesen, sagte Hoppe am Freitagmorgen im DeutschlandRadio Berlin. Allerdings könnten Privatunternehmen in den USA weiterhin ''sozusagen machen ..., was sie wollen''; sie bekämen nur keine staatliche Förderung mehr.
Erwachsene Stammzellen genügen?
Der Präsident der deutschen Bundesärztekammer meint, er hätte ethische Bedenken gegen die Behauptung, eine Forschung an embryonalen Stammzellen sei leichter als an erwachsenen Stammzellen.

Es sei abzuwarten, ob die aus embryonalen Zellen gewonnenen Gewebezüchtungen zu Heilungszwecken überhaupt genutzt werden könnten. ''Für Menschen, die das mal bekommen sollen, ist das Fremdgewebe, das möglicherweise wieder abgestoßen werden kann'', sagte Hoppe.

(APA)
 
 
 
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01.01.2010