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Das Ende der Automatisierungseuphorie?  
  Zwar boomen nach wie vor die Umsätze der Anbieter von Automatisierungstechnik. Doch dies verdeckt, dass in der Investitionsgüterindustrie der Automatisierungsglaube immer stärker einer nüchternen Einschätzung gewichen ist.  
Das zeigt die jüngste Auswertung einer Erhebung des Fraunhofer-Instituts für Systemtechnik und Innovationsforschung ISI, Karlsruhe, die zusammen mit dem Institut für Fabrikanlagen der Universität Hannover vorgenommen wurde.

Danach haben bereits mehr als ein Drittel der zirka 1.000 untersuchten Betriebe mit hoch automatisierten Anlagen das Niveau der Automatisierung in ihrer Produktion gesenkt oder planen dies. Wichtigster Grund: Die zu geringe Flexibilität dieser Anlagen.
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Beispiel Volkswagen
Lange Zeit galt die Halle 54 von Volkswagen in Wolfsburg als Einzelfall einer automatisierten Fabrik. Doch machten Umbau- und Stillstandsverluste sowie ein hoher technischer Wartungsaufwand die erwarteten wirtschaftlichen Erfolge schnell zunichte. Heute weichen vielerorts hoch automatisierte Produktionseinrichtungen Systemen mit deutlich geringerem Automatisierungsgrad. Berücksichtigt man, dass es Entscheidungsträgern schwer fallen dürfte, Fehlentscheidungen offen zuzugeben, ist der Umfang des in der Industrie vorhandenen "Overengineering" bemerkenswert.
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Ausmaß der Automatisierung variiert
Das Ausmaß übertriebener Automatisierung variiert dabei erheblich: 38 Prozent der Firmen bezeichneten ihre hoch automatisierten Materialfluss-Systeme in der Montage als Fehlinvestition.

Bei den hoch automatisierten Bearbeitungsmaschinen liegt der Wert immerhin noch bei 23 Prozent. Dabei schossen große wie kleine Betriebe gleichermaßen über das Ziel hinaus.
Unzureichende Flexibilität
Zwei Drittel der Firmen, die unzufrieden sind, gaben an, dass die kleiner werdenden Seriengrößen mit den Anlagen nicht mehr wirtschaftlich zu bewältigen seien. Eine unzureichende Flexibilität der Kapazitäten folgt als Grund auf Rang zwei. Besondere Schwierigkeiten haben Betriebe mit einer innovativen Produktpalette.

Hier gibt es erhebliche Probleme bei Montagestationen und beim Materialfluss in der Fertigung. Kurze Innovationszyklen bilden offensichtlich die Grenze der wirtschaftlichen Automatisierung.
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Keine Qualitätsverminderung
Die Qualität der hergestellten Produkte leidet bei Reduzierung der Automatisierung unterdes nicht. Ganz im Gegenteil: Für Firmen, die ihren Automatisierungsgrad reduziert haben, konnten die Wissenschaftler mit einer Ausschussquote von 4,1 Prozent sogar bessere Werte ermitteln als für Firmen, die weiterhin ihre hoch automatisierten Anlagen betrieben. Diese weisen einen Wert von 5,1 Prozent auf.
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Keine höhere Wertschöpfung
Für Betriebe mit hoch automatisierten Anlagen
ermittelten die Wissenschaftler ferner keine signifikant höhere Wertschöpfung pro Mitarbeiter. Die Werte liegen jeweils um die 130.000 DM (ca. 910.000 ATS).

Das gilt auch für Betriebe ohne Automatisierungslösungen. Die Zahlen machen deutlich, dass Probleme bei der Hochautomatisierung die gewünschten Produktivitätsgewinne oftmals wieder aufzehren.
Klassische Automatisierung stößt an Grenzen
Das Fazit der Wissenschaftler lautet daher: Kleinere Seriengrößen und starke Veränderungen der Umsätze machen die Grenzen der klassischen Automatisierung deutlich.

Die Lösung des Dilemmas scheint weniger eine Frage der Automatisierung, sondern eher eine Frage der Organisation und Logistik zu sein.

(idw/red)
->   Fraunhofer Institut Systemtechnik und Innovationsforschung
 
 
 
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01.01.2010