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Warum Insekten fliegen können  
  Nach konventionellen aerodynamischen Berechnungen könnten Insekten eigentlich nicht vom Boden abheben. Wissenschaftlern gelang es jetzt erstmals in einem Modellversuch, den genauen Strömungsverlauf am Flügel eines Insekts zu beschreiben.  
Nachbau einer Taufliege
Die Frage, wie Insekten durch das Schlagen ihrer Flügel den zum Fliegen benötigten Auftrieb erzeugen, beschäftigt Zoologen wie auch Flugzeugkonstrukteure schon lange.

Um eine Antwort auf diese Frage zu erhalten, bauten James Birch und Michael Dickinson von der University of California den Flügel der Taufliege Drosophila melanogaster in größerem Maßstab nach.

Die Ergebnisse ihrer Versuche veröffentlichten die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe von "Nature" (Bd. 412, S. 688).
Das Modell
 


Die Bewegungen der 19 Zentimeter langen Plastikflügel des Insektenmodells werden von einem Computer gesteuert, der gleichzeitig die an den Flügelbasen auftretenden Kräfte misst.
Die Erschaffung realer Bedingungen
Da es schwierig ist, den Verlauf der Luftströmung um die Insektenflügel aufzuzeichnen, tauchten das Team um Birch ihre ''Roboterfliege'' in eine mit Öl gefüllte Wanne. Bewegen sich die Flügel, werden sie vom Öl umströmt.

Die Ölströmung untersuchten die Wissenschaftler mit Hilfe von kleinen im Öl eingeschlossenen Luftbläschen. Sie bestrahlten das Ölbad abschnittsweise mit einem Laser und zeichneten die Bewegungen der Luftbläschen in der Ölströmung mit einer speziellen Digitalkamera (CCD-Kamera) auf.
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CCD-Kamera
Im Gegensatz zu einer lichtempfindlichen Emulsion wie z.B. auf einem Diafilm, werden in diesen Kameras elektronische Bauteile verwendet. Es handelt sich also um ein optisches Aufnahmesystem mit optoelektronischer Bildaufzeichnung durch so genannte CCD-Sensoren (Charge Coupled Device). Die einzelnen Bauteile (CCD Chip) sind in viele kleine Bereiche (Pixel) unterteilt, in denen das einfallende Licht gesammelt und gespeichert wird. Je nach Lichtmenge in einem Bildelement liefert der Chip eine Zahl für jeden seiner Pixel. Je mehr Licht auf eine Pixel fällt, desto größer wird diese Zahl. Um aus diesen Zahl wieder ein Bild zu erhalten, werden diesen Zahlenwerten im Computer Graustufen oder Farbwerte zugeordnet.
->   Die genaue Funktionsweise der CCD-Kamera
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Die Erfassung der einzelnen Stömungsteilchen
Indem die Wissenschaftler die Rasterebene des Lasers verschoben, ließ sich ein genaues, dreidimensionales Abbild der Strömungsverhältnisse aufzeichnen - eine Methode, die man digital particle image velocimetry (DPIV) nennt.

Zusätzlich waren in der Nähe des Flügelgelenks auch Sensoren angebracht, welche die Kraft senkrecht und parallel zu dem Flügel messen konnten.
->   Digital Particle Image Velocimetry
Luftwirbel an der Vorderkante des Flügels
Die Forscher ließen den transparenten Acrylflügel etwa zehnmal in der Minute schlagen und maßen gleichzeitig Kräfte und Strömungen.

Wie sich zeigte, bildete sich längs der Vorderkante des Flügels ein Wirbel der wesentlich zur Erzeugung des Auftriebs beiträgt. In der Realität rotiert an dieser Stelle Luft schnell um einen Kern mit niedrigem Luftdruck.

Derartige Wirbel sind aber nicht immer stabil. Im Gegenteil, in zweidimensionalen Modellen und Experimenten wurden sie schnell größer, um sich dann abrupt aufzulösen.
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Frühere Versuche
Ein ähnliches Phänomen beobachteten Forscher bereits vor fünf Jahren, bei Untersuchungen eines Modellflügels des Tabakschwärmers (Manduca sexta). Man vermutete schon damals, dass diese Wirbel, die während des Flügelschlags nach unten stabil sind, den Auftrieb der Schwärmer verbessern.
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Warum bleiben die Luftwirbel stabil?
Beim realen Insektenflug bleiben die Luftströmungen jedoch länger stabil und sorgen so für mehr Auftrieb.

Im Falle der Taufliege zeigen die Versuche, dass Abwärtsströmungen sowie Luftverwirbelungen, die hinter den Flügeln entstehen, den so genannten effektiven Angriffswinkel reduzieren, mit dem die Luft auf den Flügel trifft. Dadurch wird anscheinend auch das Wachstum des frontalen Luftwirbels verhindert.
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Wirbelstrukturen sorgen für Auftrieb bei Tabakfalter
Beim Tabakschwärmer ist die Situation allerdings anders. Hier ist die Wirbelstruktur spiralartig, und entlang des Flügels lässt sich ein Luftstrom nachweisen, der einen Teil der Energie wegträgt und auf diese Weise die Größe des Wirbels begrenzt. Auf einem ähnlichen Prinzip beruhen beispielsweise auch dreieckige Tragflächen, wie sie bei der Concorde zum Einsatz kommen.
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Nicht alle Insektenflügel funktionieren gleich
Was bei der einen Art von Insekten gilt, kann bei der nächsten wieder ganz anders sein. Denn die Flügel der Taufliege scheinen ganz anders zu funktionieren als die des Tabakschwärmers. Möglicherweise liegt das an der ungleichen Größe der beiden Insekten. schließlich ist der Schwärmer rund zehnmal so groß wie die Taufliege.
Beobachtungen im Flug wäre das Beste
Möglicherweise lässt sich die DPIV-Technik so weit verkleinern, dass man Insekten direkt im Flug beobachten kann. Denn dann könnten die Insekten selbst den Beweis für die Richtigkeit der erstellten Modelle liefern.

(red)
Der Artikel in "Nature" (Bd. 412, S. 688 / kostenpflichtig):
->   Aerodynamics: Flight of the robofly
->   Michael Dickinson, University of California, Berkeley
->   Drosophila melanogaster - die Taufliege
 
 
 
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01.01.2010