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Brüssel für besseren Patientenschutz  
  Seit dem Lipobay-Skandal steht auch die europäische Zulassungspolitik im Mittelpunkt der Kritik. Die EU-Kommission in Brüssel will den Patientenschutz unter anderem mit einem verbesserten "Schnellwarnsystem" bei Problemen mit Medikamenten stärken.  
Neufassung des Arzneimittelrechts gefordert
Die entsprechenden Vorschläge für eine Neufassung des Arzneimittelrechts stammen bereits aus der Zeit vor bekannt werden der möglicherweise tödlichen Nebenwirkungen des Cholesterin-Senkers Lipobay.
EMEA - institutionalisiertes Schnellwarnsystem
Eine besondere und verbesserte "Wachhund"-Funktion käme demnach der Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (EMEA) mit Sitz in London zu.

Sie soll durch den Ausbau wissenschaftlicher Ausschüsse gestärkt werden, die als "Aufpasser" in das Schnellwarnsystem eingebunden sind, um ein Problem wie jetzt mit Lipobay schnell zu erkennen und dann auf Gemeinschaftsebene unverzüglich handeln zu können.
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EMEA seit 1995
Die EMEA ist seit 1995 für die Zulassung modernster Medikamente innerhalb der EU zuständig. Die Agentur wurde gegründet, um ein zentralisiertes Zulassungsverfahren für biotechnologische Arzneimittel zu schaffen.
->   EMEA Homepage
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Bisher "bloß" Empfehlungscharakter
Die Experten der EMEA - rund 200 Beschäftigte, darunter die Hälfte im Referat für die Beurteilung von Humanarzneimitteln - prüfen einen Zulassungsantrag und geben eine Empfehlung ab, die dann formal von der EU-Kommission in Brüssel in eine Genehmigung umgesetzt wird.
Weg der "gegenseitigen Anerkennung"
Eine solche Genehmigung ist in allen Ländern der Union gültig. So genannte neue und innovative Arzneimittel können, müssen aber nicht von der EMEA zugelassen werden.

Diese Art von Medikamenten kann derzeit auch noch auf dem Wege der gegenseitigen Anerkennung auf den Markt kommen: Ein EU-Staat erteilt die Zulassung, die dann von den anderen EU-Ländern ebenfalls anerkannt werden sollte.
Schwierige Handhabung in der Praxis
Tatsächlich gibt es bei dieser gegenseitigen Anerkennung in der Praxis immer wieder Schwierigkeiten. Herkömmliche Arzneimittel werden ohnehin national zugelassen.

Die Vorschläge der EU-Kommission zielen unter anderem darauf ab, dass die EMEA künftig nicht nur für alle biotechnologischen Medikamente, sondern auch für alle neuen und innovativen Arzneimittel zuständig wird.
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Bisher 324 Anträge geprüft
Die EMEA hat seit ihrer Gründung 1995 genau 324 Anträge auf Zulassung von Arzneimitteln für Menschen geprüft. Davon wurden 186 positiv entschieden. Im Veterinärbereich waren es 54 Anträge und 34 positive Entscheidungen. Etwa ein Viertel aller Anträge wird während des Prüfungsvorganges von den antragstellenden Unternehmen zurückgezogen, weil die Produzenten Probleme erkennen oder sich abzeichnet, dass keine Zulassung zu erwarten ist.

Von der EMEA positiv geprüfte
Medikamente für Menschen
Medikamente für Tiere
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Mehr Kontrolle nach Zulassung gefordert
"Eines unserer Anliegen ist es, im Fall eines Problems mit einem Medikament schnell und gemeinsam zu reagieren - auch wenn es bereits auf dem Markt ist", erläutert Jorna die im Juli veröffentlichten Vorschläge für eine umfassende Reform der EU-Rechtsvorschriften für Arzneimittel.

Damit könnten auch rasch zwischenzeitliche, befristete Maßnahmen ergriffen werden - letztlich also auch Medikamente vom Markt genommen werden. "Insgesamt soll nach den Worten der Kommissionssprecherin ein möglichst hohes Maß an Patientenschutz gewährleistet werden.
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Nebenwirkungen fordern mehr Tote als Straßenverkehr
Das scheint auch notwendig, denn nach Expertenangaben sterben allein in Deutschland jährlich bis zu 16.000 Menschen an den Nebenwirkungen von Arzneimitteln - das sind doppelt so viele Tote wie im Straßenverkehr. "Ich bin überzeugt, dass diese Reform in kürzester Zeit zu einer deutlichen Verbesserung beim allgemeinen Gesundheitsschutz für die Bürger Europas führen wird", sagte der zuständige EU-Kommissar Erkki Liikanen zu den Vorschlägen.
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Anpassung an US-Zulassungsbestimmungen gewünscht
Um Nachteile sowohl für Hersteller als auch für Patienten zu vermeiden, sollen der Reform zufolge neue Medikamente in größerer Anzahl und rascher als bisher auf dem europäischen Markt verfügbar sein.

Damit soll die europäische Zulassung an die US-amerikanische angeglichen werden. Dies ist allerdings an die Bedingung geknüpft, dass grundlegende Kriterien der Unbedenklichkeit, Qualität und Wirksamkeit erfüllt werden.

Grundlage für die Zulassung könnten aber auch weitergehende Auflagen sein, die beispielsweise den Hersteller verpflichten, weitere Studien zu unternehmen.
Bürokratie bremst Reform
Bis die Reformen in den EU-Mitgliedstaaten umgesetzt sind, werden aber noch etwa bis zwei Jahre vergehen. So lange dauert es, bis sich nun der zuständige EU-Ministerrat sowie das Europäische Parlament mit den Reformvorschlägen der Kommission abschließend befasst haben werden.

EU-Kommissionspräsident Romani Prodi mahnt angesichts des Lipobay-Skandals zur Eile: "Wir haben verbesserte Vorschriften für diesen Bereich vorgeschlagen und ich rufe die Mitgliedstaaten auf, schnell darauf zu reagieren."

(APA, Jörg Berendsmeier/dpa, red)
->   Die Europäische Kommission
 
 
 
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01.01.2010