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Forum Alpbach: Was blieb von Europas Kolonialzeit?  
  Was ist von der Erschließung der Welt durch Europa geblieben, welche Spuren haben die einstigen Kolonialreiche hinterlassen? Dieser Frage ging der deutsche Historiker Jürgen Osterhammel in einem Referat beim Forum Alpbach nach.  
Die Antwort kurz gefasst: All zuviel ist von der Erschließung der Welt durch Europa heute nicht mehr erkennbar.
Nur wenige Länder Europas haben Weltwirkung
Es waren nur wenige europäische Staaten, die an der Erschließung der Welt beteiligt waren, die einmal Kolonien hatten.

Langfristige Wirkung hatten noch weniger Länder:
Als Weltsprachen europäischen Ursprungs sind nur Englisch, Spanisch, Russisch und in deutlich geringerem Ausmaß Französisch und Portugiesisch geblieben.
Wirtschaftliche Erschließung: Nur aus Eigennutz?
Zur industriellen Entwicklung seiner Kolonien hat Europa kaum beigetragen. Erschlossen wurden Gebiete - etwa durch die Eisenbahn - um daraus Güter und Rohstoffe abzutransportieren. Erst nach dem zweiten Weltkrieg investierten Briten und Franzosen in den ihnen verbliebenen Besitzungen.

Sobald die Staaten nationale Unabhängigkeit erreicht hatten, ging das Engagement der Europäer dann noch weiter zurück.
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Osterhammels Befund für die Gegenwart lautet: "Europa hat während der vergangenen Jahrzehnte wenig zur wirtschaftlichen Erschließung seiner Ex-Kolonien beigetragen. Entwicklungshilfe wird nur noch in Skandinavien anders als mit der üblichen Motivmischung aus Mitleid, Geiz und Opportunismus betrieben. In Afrika fragt sich mancher, was schlimmer sei: von Europa ausgebeutet oder von ihm nicht ausgebeutet zu werden."
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Politische Erschließung der Welt nicht nachhaltig
Die europäischen Kolonialstaaten wurden fast überall nach dem gleichen Muster von der Kolonialmacht geführt, sagt Osterhammel: autoritär bis despotisch, manchmal paternalistisch abgemildert.

Nach der Dekolonialisierung entstanden innerhalb zumeist weniger Jahre in fast allen früheren Kolonien Einparteiensysteme und Militärregimes von unterschiedlicher repressiver Intensität.
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Osterhammels Folgerung: "Zum politischen Fortschritt der nicht-weißen außereuropäischen Menschheit hat der europäische Kolonialismus wenig beigetragen."
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Unversalismus-Ansprüche Europas bei Menschenrechten
Der politischen, wirtschaftlichen und karitativen Vernachlässigung der nicht-weißen Nicht-Europäer stehe der Nachdruck gegenüber, mit dem Europa diesen Ländern die Beachtung der Menschenrechte und die Anerkennung der Marktgesetze abverlange.

Osterlamm warnt, dass dieser Anspruch abstrakt bleibe, wenn sich Europa nicht auch um die Bedingungen kümmert, unter denen seine Prinzipien zum Nutzen der Menschheit umgesetzt werden können.

Franz Simbürger, Ö1-Wissenschaft
Weitere Beiträge vom Forum Alpbach 2001:
->   Das moderne Menschenbild
->   Gibt es noch soziale Gerechtigkeit?
->   Wie glaubwürdig sind Naturwissenschaften?
->   Peter Sloterdijk beim Forum Alpbach
 
 
 
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01.01.2010