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Wie Zellen ihr Fett abkriegen  
  Auch wenn man üblicherweise von Medizinern und Ernährungswissenschaftlern Gegenteiliges hört: Fette bedeuten Leben. Gefördert vom Wissenschaftsfonds (FWF) analysiert eine Grazer Biochemikerin derzeit ein wichtiges Mosaikstück im komplexen Puzzle des zellulären Fettstoffwechsels: die Synthese der Phosphatidsäure, die im Lipidstoffwechsel eine zentrale Rolle einnimmt.  
Gemeinsam mit einem Forschungsteam vom Institut für Biochemie und Lebensmittelchemie der TU Graz entschlüsselt die Biochemikerin Karin Athenstaedt jene Enzyme, sprich Biokatalysatoren des Organismus, die am Aufbau der Phosphatidsäure beteiligt sind.
Modellsystem Hefe
Anhand des häufig eingesetzten Modellsystems der Hefe ''Saccharomyces cerevisae'' erörtert sie die beiden unterschiedlichen Wege der Synthese von Phosphatidsäure, bei der jeder einzelne Schritt der Synthese von mehr als einem Enzym katalysiert werden kann.

''Diese Enzyme, die die gleiche Reaktionen in Gang setzen und schlussendlich zum selben Ergebnis, nämlich zur Phosphatidsäure, führen, sind in bestimmten Teilen der Zelle, sogenannten Organellen, lokalisiert: dem Endoplasmatischen Reticulum, den Mitochondrien und den sogenannten Lipidpartikeln'', erläutert Athenstaedt.
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Fette sind Leben
Unsere tägliche Nahrung setzt sich aus verschiedenen Bestandteilen zusammen, von denen die Hauptnährstoffe Eiweiße, Kohlenhydrate und Lipide sind. Diese sind nicht nur wichtige Energielieferanten, sondern dienen gleichzeitig auch zum Aufbau und zur Erneuerung der körpereigenen Substanzen eines Organismus. Die Lipide dienen vor allem als Energielieferant und Speicherstoff. Sie sind aber als Organfett notwendig, das manche Organe wie die Nieren in ihrer natürlichen Lage fixieren und schützen. Auch Nervengewebe enthält einen hohen Anteil an Lipiden. Vor allem Phospholipide und das Cholesterin sind mitverantwortlich für den Aufbau biologischer Membranen und somit für die Stabilität von Zellen. Im Fall von höheren Organismen, den sogenannten Eukaryonten, umgeben Zellmembranen auch Organellen wie den Zellkern oder die Mitochondrien, in denen bestimmte Stoffwechselprozesse stattfinden. Darüber hinaus bilden bestimmte Fette eine essentielle Vorstufe für viele biochemische und physiologische Prozesse wie der Produktion von Sexualhormonen oder Gallensäure.
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Doppelt hält besser
''Unter anderem sind wir bemüht, den physiologischen Grund für dieses 'Doppelt hält besser'-Phänomen zu entschlüsseln. Wir glauben, dass es nicht nur dazu dient, einen eventuell auftretenden Defekt in einem der Enzyme zum umgehen'', so Athenstaedt weiter.

''Vielmehr vermuten wir, dass verschiedene Produktionsorte in der Zelle diese Phosphatidsäure synthetisieren, um diese dann zu ganz bestimmten Lipiden weiter umzusetzen'', meint die Biochemikerin.

So könnte beispielsweise Phosphatidsäure, die aus dem Endoplasmatischen Retikulum stammt, als Ausgangsmaterial für Membranfette benötigt werden. Die Phosphatidsäure an den Lipidpartikeln hingegen könnte als Basis für Triglyzeride umgesetzt werden.
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Stoffwechselstörungen durch fehlerhafte Synthese der Phosphatidsäure verursacht?
Bei höheren Organismen wie zum Beispiel beim Menschen, findet die Biosynthese der Phosphatidsäure ebenfalls in den Organellen statt. Hier konnten bereits Defekte in den einzelnen Reaktionsschritten mit schweren Stoffwechselstörungen in Zusammenhang gebracht werden.

Viele der dafür verantwortlichen Genprodukte beziehungsweise Gene konnten jedoch bisher noch nicht identifiziert werden.

''Mit Hilfe der entsprechenden Gensequenzen der Hefe-Enzyme könnte man nun das kürzlich vollständig entschlüsselte menschliche Genom nach homologen Genen durchsuchen und so die Ergebnisse des Systems Hefe für die Forschung im humanen Bereich einsetzen'', resümiert Athenstaedt.
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Förderungswürdige Forschungsarbeit
Der Wissenschaftsfonds (FWF) fördert ihre Forschungsarbeit auf drei Jahre mit einer jährlich mit 662.000 Schilling dotierten Herta-Firnberg-Nachwuchstelle.
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Wer beeinflusst wen?
Durch das Ausschalten bestimmter, an der Synthese der Phosphatidsäure beteiligten Enzyme erwartet sich die Biochemikerin Aufschlüsse über den Beitrag jedes einzelnen Enzyms zum gesamten Fettstoffwechsel.

Der Einfluss auf den Phänotyp, das äußere Erscheinungsbild der Zelle, wird als Maß für die Auswirkung einer bestimmten Mutation herangezogen. Die Parallelen zwischen Hefe und höheren Organismen könnte somit auch zur Aufklärung verschiedener vererbbarer Stoffwechselerkrankungen dienen.
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Die Phosphatidsäure
ist ein essentielles Zwischenprodukt für jene Enzyme, die in die Synthese von Phospholipiden involviert sind. Diese Phospholipide gehören unter anderem zu den Hauptbestandteilen biologischer Membranen. Außerdem kommen Phospholipide in der Gallenflüssigkeit vor und unterstützen die Verdauung von Lipiden. Überdies dienen sie in den Lungen, den Schleimhäuten von Magen und Darm sowie den Nieren als oberflächenaktive Substanzen. Weitere mit den Phospholipiden verwandte Membranbestandteile, die ebenfalls über Reaktionsschritte der Phosphatidsynthese gebildet werde, sind die Plasmalogene, die vor allem in den Nervengeweben auftreten. Eine Fehlfunktion in der Synthese der Phosphatidsäure kann zu Defekten in zellulären Prozessen und zu schweren Stoffwechselerkrankungen führen.
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Neue Erkenntnisse über den Fettstoffwechsel erhofft
Ziel der vom Wissenschaftsfonds (FWF) geförderten Forschungsarbeit ist ein umfassendes Grundlagenwissen über die biochemischen und physiologischen Prozesse der Biosynthese der Phosphatidsäure, das den Wissenschaftlern Einblick in essentielle Schritte des Fettstoffwechsels bieten.

In künftigen Untersuchungen möchte die Biochemikerin Athenstaedt ihre Arbeit auf die Identifikation von Genen und ihren Genprodukten fokussieren, die am Aufbau dieses essentiellen Lipidstoffwechsels beteiligt sind.

Eva-Maria Gruber, Universum Magazin
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01.01.2010