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Kernfusion - neuer Weg zur Energiegewinnung?  
  Energiekrisen, Umweltverschmutzung und wachsende Bevölkerungszahlen verlangen nach zukunftsweisenden Energiequellen. Viele Physiker sehen in der Kernfusion die potenteste Energiequelle der Zukunft. Kann die hochgelobte Kernfusion halten, was sie verspricht? Neuere Studien sagen ja.  
Im Gegensatz zur Kernspaltung, die zur Energiegewinnung in Atomkraftwerken eingesetzt wird und in Tschernobyl traurige Berühmtheit erlangte, versprechen sich die Forscher von dem gegenteiligen Prozess der Kernverschmelzung oder ¿fusion eine saubere, sichere und ergiebige Technologie zur Produktion von Energie.
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Kernspaltung
der Zerfall eines schweren Atomkerns in zwei Bruchstücke, entweder spontan oder durch Energiezufuhr. Die durch Neutronen erzielte Kernspaltung findet technische Anwendung im Atomreaktor.
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Neue Wege der Energiegewinnung
Japanische und britische Physiker sind einer neuen Methode der Energiegewinnung durch Kernfusion auf der Spur, wie jetzt in der aktuellen Ausgabe von "Nature" berichtet.

Eine Testreihe des Forscherteams um den japanischen Physiker Ryosuke Kodama von der Universität Osaka verlief vielversprechend. Bisherige Tests zur Kernfusion mit den Wasserstoffisotopen Deuterium und Tritium waren schlecht kontrollierbar und hatten laut 'Nature' eine enttäuschende Energiebilanz.
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Kernfusion ¿ was ist das?
die Bildung schwerer Atomkerne aus leichteren unter gleichzeitiger Energieabgabe. Die Kernfusion ist ein in Sternen permanent ablaufender Energie-Prozess. Energietechnisch aussichtsreich erscheint die Kernfusion des schweren Wasserstoffisotops Deuterium zu Helium: Die dabei frei werdende Energie ist einige Millionen Mal größer als bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe. Man muss Deuteriumgas mit einer Dichte von 10 hoch-16 Teilchen auf 100 Millionen Kelvin erhitzten. Bei der dann einsetzenden Kernfusionen werden große Energiemengen frei. Technische Schwierigkeiten liegen noch in der Erzeugung der Anfangstemperaturen und in der Herstellung von Behältern für das heiße Gas. Da das sehr heiße Gas nicht mehr aus elektrisch neutralen Molekülen, sondern aus Ionen und freien Elektronen besteht, sollte es sich durch geeignete magnetische Felder in vorgegebenen Raumbereichen konzentrieren lassen.
->   Mehr zur Kernfusions-Forschung
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Neue Lasertechnologie
Bei der herkömmlichen Methode wird unter Druck eine solide Masse aus beiden Isotopen mit einem Laserstrahl beschossen, so dass sie miteinander reagieren und dann Energie freisetzen.

Kodama hingegen setzte die Laser-Technik in zwei Stufen ein und brachte das Isotop Deuterium als eine Art hohlen Energieball in den Versuchsreaktor.
Geringerer Energieaufwand
Dieser Energieball wurde zunächst eine Nano-Sekunde (ein Milliardstel einer Sekunde) lang mit dem Laser beschossen und in Plasma verwandelt, ein Gemisch aus freien Elementarteilchen.

Anschließend wurde ein stärkerer Laserstrahl auf die Spitze eines Metallzylinders gerichtet, der mit der gebündelten Energie das Plasma entzündete und die Fusionsreaktion in Gang setzte. Bei dieser Methode werde bei weitem weniger Energie aufgewendet, berichtet "Nature".
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Verbrennungswärme von 11 Tonnen Kohle
Ziel der Fusionsforschung ist es, aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie zu gewinnen. Kernverschmelzungen sind wichtige Naturprozesse: Ein Gramm Brennstoff könnte in einem Kraftwerk 90 000 Kilowattstunden Energie erzeugen - die Verbrennungswärme von 11 Tonnen Kohle. Die Fusionsbrennstoffe sind billig und auf der Erde gleichmäßig verteilt. Deuterium ist in nahezu unerschöpfbaren Mengen im Meerwasser zu finden. Da ein Fusionskraftwerk zudem günstige Umwelt- und Sicherheitseigenschaften aufweisen wird, könnte die Fusion nachhaltig zur künftigen Energieversorgung beitragen.
->   Max-Planck-Institut für Plasmaphysik
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Effizienterer Ansatz?
Theoretisch könne das Verhältnis von eingesetzter und erzeugter Energie eins zu 300 betragen.

"Unser Ansatz ermöglicht es, die Kompression und die Erhitzung simultan zu erzeugen, was den Weg zu einer effizienten Energiegewinnung aus der Kernfusion ebnen könnte", wurden die Forscher zitiert.
Erfolgreiche Versuche in Deutschland
Erst vor kurzem haben Wissenschafter vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik bei München haben erfolgreich eine Methode zur besonderen Reinhaltung von Kernfusions-Plasma erprobt.

Damit könnten zukünftig Plasmen mit bisher unerreichter Dichte erzeugt werden, teilte die Max-Planck-Gesellschaft mit. Mit der Erprobung der neuen Methode hat das Institut in Garching nach eigenen Angaben eine wichtige Voraussetzung für das 2006 geplante Greifswalder Fusionsexperiment "Wendelstein 7-X" geschaffen.
->   Fusionsexperiment 'Wendelstein 7-X'
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Problem der Magneten
Starke Magnetfelder kontrollieren beim Verschmelzungsvorgang von Wasserstoff, Deuterium oder Tritium zu Heliumkernen das bis zu 100 Millionen Grad heiße Plasma unter hohem Druck. Erst unter diesen Bedingungen kommt es zur Kernverschmelzung. Bisher verhinderten kleine Schwankungen im Magnetfeld allerdings einen gleichmäßigen Einschluss des Plasmas. In einem Testreaktor in San Diego ist es den amerikanischen Physikern gelungen, durch zusätzliche Magneten die geringfügigen Abweichungen im Magnetfeld unter Kontrolle zu bringen.
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Rekord-Strom in Karlsruher Modellspule
In die Reihe vielversprechender Versuche reihen sich die Experimente Karlsruher Wissenschaftler, die einen Strom von 80.000 Ampere durch eine so genannte supraleitende Magnetspule fließen ließen. Das ist 160.000 Mal so viel, wie in einer 100-Watt-Glühbirne im Haushalt.

Die Forscher werteten den erfolgreichen Test "als Meilenstein für die Kernfusion". Die Spule soll in einem künftigen Fusionsreaktor den rund 100 Millionen Grad heißen Brennstoff magnetisch einsperren. Dafür muss sie ein Magnetfeld erzeugen, dass 200 000 Mal stärker ist als das der Erde.
Größte Anlage in Europa
Die Anlage sei die Größte ihrer Art in Europa und die derzeit einzige, an der solche Tests vorgenommen werden könnten, hieß es.

Über den Standort des geplanten Test-Fusionsreaktors ITER (International Thermonuclear Experimental Reaktor) ist allerdings noch nicht entschieden worden.

 
Quelle: ITER
Quelle: Max-Planck-Institut für Plasmaphysik

Der experimentelle Fusionsreaktor ITER.
Projekt ITER
Die Bedeutung, die der Kernfusion mittlerweile beigemessen wird, ist an dem Projekt ITER abzulesen. Mit ITER, einem Projekt Europas, Japans und Russlands soll bei einer Leistung von 500 Megawatt die Fusion erstmals länger - nämlich bis zu einer halben Stunde - aufrecht erhalten werden.

Technisch ist man durchaus soweit, die Lücke zwischen großen Experimenten, wie sie derzeit durchgeführt werden, und ersten Demonstrationskraftwerken mit ITER zu schließen, meinen die beteiligten Wissenschaftler.
->   ITER
Energie-Option für die zweite Jahrhundert-Hälfte
Die Fusionsforscher sind sich jedenfalls einig, mit der
Kernverschmelzung "die Energie-Option für die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts" in der Hand zu haben.

Vor allem angesichts der erwarteten Verdoppelung bis Verdreifachung des Weltenergiebedarfs auf Grund des Bevölkerungswachstums und den damit verbundenen massiven Umweltproblemen.

(APA/red)
->   Programm Kernfusion des Forschungszentrums Karlsruhe
->   Institute of Laser Enegineering Osaka University
Originalartikel in 'Nature' unter "Fast heating of ultrahigh-density plasma as a step towards laser fusion ignition"(kostenpflichtig).
->   Originalartikel in 'Nature'
 
 
 
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01.01.2010