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Was ist Rassismus?  
  Ende August beginnt in Durban/Südafrika die UNO-Konferenz gegen Rassismus. Schon in der Vorbereitung war sie heftig umstritten: Je nach Standpunkt wird "Rassismus" als Argument eigener politischer Strategien verwendet. Und die Frage bleibt schwierig zu beantworten: Was ist Rassismus heute?  
UN-Generalsekretär Kofi Annan nennt Rassismus "eine Krankheit, unter der die Menschheit schon immer und überall gelitten hat". In der südafrikanischen Hafenmetropole Durban will die Weltgemeinschaft nach einem Konsens im Kampf gegen diese "Krankheit" suchen.
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14.000 Delegierte
Der schwierigen Aufgabe stellen sich 14.000 Delegierte aus 194 Ländern auf der "UNO-Weltkonferenz gegen Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängende Intoleranz" vom 31. August bis 7. September.
->   Die UNO-Konferenz
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Theoretische Wurzeln im 19. Jahrhundert
Die Encyclopaedia Britannica definiert Rassismus als Theorie, der zufolge es einen Kausalzusammenhang zwischen ererbten physischen Eigenschaften von Menschen und deren Persönlichkeit, Intellekt und Kultur gibt. Verbunden damit ist der Glaube an die Überlegenheit einiger Rassen über andere.

Es ist schwierig, die Wurzeln rassistischen Denkens genau zu eruieren, einer der einflussreichsten Theoretiker ist aber zweifellos Joseph-Arthur de Gobineau, der Mitte des 19. Jahrhunderts seinen vierbändigen "Versuch über die Ungleichheit der Rassen" veröffentlichte. Er lehrte die Überlegenheit der "weißen Rasse" gegenüber allen anderen.
->   Kurz-Biografie von Gobineau
Sind alle Menschen gleich?
Diesen in nationalistischen und ethno-zentrierten Kreisen bis heute beliebten Pseudo-Argumenten wurde in zahllosen Versuchen ideologiekritisch oder diskurstheoretisch begegnet.

Von ihren Einsichten überzeugte Rassisten hat das ebenso wenig überzeugt, wie das biologische Faktum, dass die Menschen - auch im Sinne der Genetik - nahezu gleich sind.
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99,9 Prozent gleiches Erbgut
Die Entschlüsselung des menschlichen Genoms hat deutlich aufgezeigt, dass jeder Mensch 99,9 Prozent seiner Erbsubstanz mit allen Menschen gemeinsam hat, die auf der Erde leben. Menschen aus unterschiedlicher ethnischer Herkunft ("Rassen") können einander genetisch ähnlicher sein als die Individuen innerhalb einer ethnischen Gruppe.
->   Das menschliche Genom bei "Nature"
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Der lange Kampf der UNO gegen Rassismus
Ethnische Konflikte, Fremdenfeindlichkeit, soziale Kämpfe und Verteilungsungerechtigkeit sind aktueller Ausdruck von Rassismus in vielen Teilen der Welt - auch in europäischen Ländern.

Die Vereinten Nationen bemühen sich seit ihrer Gründung um Maßnahmen zur Bekämpfung der Rassendiskriminierung. Die auf der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte fußenden Prinzipien wurden Ende 1965 in einer Konvention festgelegt.
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Vorläufer-Konferenzen endete mit Eklats
Die erste Weltkonferenz der UNO gegen Rassismus vor 23 Jahren in Genf endete mit einem Eklat: Weil die Mehrheit arabischer, afrikanischer und kommunistischer Staaten eine Erklärung gegen das "zionistische" Israel und das rassistische Südafrika durchsetzte, verließen die damals neun Länder der Europäischen Gemeinschaft (EG) und eine Reihe anderer die Konferenz. Die USA, Israel und Südafrika hatten sich erst gar nicht beteiligt. An Südafrika und Israel schieden sich die Geister auch auf dem 2. Antirassismus-Kongress im August 1983 wiederum in Genf. Die meisten westlichen Länder stimmten gegen die Schlusserklärung oder enthielten sich. Israelis und Amerikaner blieben auch diesmal fern.
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Konzentration auf aktuelle Missstände
Die beginnende dritte Rassismus-Konferenz steht nach Ansicht von UNO-Generalsekretär Kofi Annan vor der schwierigen Aufgabe, alte Wunden zu heilen ohne sie neu zu öffnen. Sie solle sich auf Gemeinsames konzentrieren, statt sich über heikle Fragen zu spalten, meint Annan.

Durban müsse sich zwar auch mit der Vergangenheit auseinander setzen. "Aber seine Hauptaufgabe ist, den künftigen Kurs gegen Rassismus einzuschlagen", mahnte Annan. Im Klartext: Keine Schuldtilgung für vergangene Epochen, sondern Konzentration auf aktuelle Missstände und die Suche nach Lösungen.
Was ist Rassismus?
Doch nicht nur Erwartungen überlagern die Konferenz, sondern auch Ängste. Das Wort Rassismus wird von vielen als eine Art Sammelbegriff verstanden, unter dem sich Obdachlose und Homosexuelle, Arbeitslose, Frauenrechtler(innen), Drittwelt-Gruppen oder Globalisierungsgegner wiederfinden.

Eine südafrikanische Initiative hat bereits verlangt, den mangelnden Grundbesitz der armen Massen ("Landlosigkeit") als moderne Form von Rassismus zu verurteilen. Ein Oppositionspolitiker dagegen machte Schlagzeilen mit der Forderung, die Vertreibung weißer Farmer in Simbabwe als schwarzen Rassismus diskutieren zu lassen.
Suche nach dem Konsens
Die Konferenzteilnehmer werden einen Tagungsmarathon zu bewältigen haben. In einem eher moralisch denn rechtlich verbindlichem Dokument sollen sie fixieren, was Konsens der Weltgemeinschaft bei Rassismusthemen ist.

Kaum ein Konferenz-Teilnehmer, der dabei nicht verzweifelt versucht, jeglichen Hinweis auf eigenes Fehlverhalten aus der Abschlusserklärung herauszuhalten. Das Feilschen um Sprachregelungen wird dem Treffen seinen Stempel aufdrücken.

(APA/dpa/red)
 
 
 
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01.01.2010