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Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 
Genmanipulierte Lebensmittel als Nahrung der Zukunft?  
  Der Streit um genmanipulierte Nahrungsmittel wird in Forscher-Kreisen heftig geführt. Ein deutscher Biochemiker meint, der Markt verlange gerade in Entwicklungsländern nach genmanipulierten Produkten. Andere wiederum kritisieren die moderne Biotechnologie als ein Projekt westlicher Großkonzerne.  
Anhaltende Debatte um die Zukunft von Biotechnologie: "Der Markt verlangt nach genmanipulierten Produkten - nicht nur in den USA, sondern gerade auch in Indien und China. Das wird die momentan existierenden bürokratischen Hürden hinwegschwemmen."

Das erklärte der deutsche Biochemiker Hans Günther Gassen am Mittwoch bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen des zur Zeit in Wien stattfindenden 17. Internationalen Ernährungskongress.
"Entscheidung der Gesellschaft" gefordert
Seine Landsfrau, die Ernährungswissenschaftlerin Beatrix Tappeser, forderte hingegen: "Wir brauchen eine breit gefächerte Wissenschaft, an deren Ende eine demokratische Entscheidung der Gesellschaft stehen muss".
Biotechnologie als Projekt der westlichen Industriekonzerne
Bisher sei die moderne Biotechnologie ein Projekt der westlichen Industriekonzerne, die Gewinn machen wollten - und nicht die Probleme in der Dritten Welt lösen.

Die Gen-Pflanzen seinen für die riesigen Agrarfabriken entwickelt worden und nicht für den kleinen Bauernhof, wie er gerade in den Entwicklungsländern, aber auch in Österreich, vorherrscht, so Tappeser.
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Gentechnik gegen den Welthunger?
Große Enttäuschung und einen Aufschrei riefen die Vereinten Nationen vor kurzem bei zahlreichen Entwicklungshilfe-Organisationen hervor. Im Weltentwicklungsbericht des UNDP heißt es nämlich dezidiert: die Gentechnik kann das Problem des Hungers auf der Welt lösen.
->   Mehr dazu in science.orf.at
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Folge: Weitere Konzentration des Marktes
Die Folge werde eine weitere Konzentration des Marktes sein: "Klein-Bauern, die Umwelt und die Entwicklungsländer werden die Verlierer dieser Entwicklung sein."

Professor M. S. Swaminathan aus Indien widersprach seiner Kollegin und gab zu bedenken, dass "heute Nacht eine Viertel Milliarde Menschen unterernährt schlafen geht."
Zwang zu hoher Konzentration?
Die Landwirtschaft der Zukunft wird nach Meinung des Inders gerade in den Schwellenländern von einem Zwang zu hoher Konzentration gekennzeichnet sein - Boden sei eine Ressource, die knapp wird.
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Großer Boden-Kongress in Wien
Anfang September findet in Wien der bisher größte bodenkundliche Kongress in Österreich statt: Rund 300 Vorträge informieren über Themen rund um die "vergessene Ressource" Boden.
->   Mehr dazu in science.orf.at
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Hoffnung auf Gen-Erdäpfel
So setzt Swaminathan große Hoffnung in die Arbeit von Wissenschaftern aus Neu-Delhi, die Erdäpfelpflanzen mit einem Gen anreichern, das in Mangrovenbäumen vorkommt, die gegen eine hohe Salzkonzentration im Boden resistent sind. Bei einem Erfolg sei der Anbau von Erdäpfeln in Gegend möglich, in denen dies bis dato undenkbar scheine.
Problem: Entscheidung durch private Großkonzerne
Allerdings sieht auch der Inder das Problem, "dass die Entscheidungen in dieser Frage primär von privaten Konzernen getroffen werden - nicht von der Öffentlichen Hand. Und diese potenten Großkonzerne haben die Entwicklungsländer nicht".
"Nahrung gehört Großkonzernen"
In dieselbe Kerbe schlug der südafrikanische Gentechnik-Kritiker Professor David Sanders: "Unsere Nahrung gehört heute wenigen Großkonzernen." So seien die weltweit operierenden Gentechnikkonzerne mittlerweile auch zu den größten Saatgutfirmen aufgestiegen.

Beispielsweise hält der US-amerikanische Chemieriese DuPont 20 Prozent am größten Saatguthersteller Pioneer Hi-Bred und der Schweizer Konzern Novartis ist zugleich der größte Agrochemie-Vertreiber der Welt, wie auch der drittgrößte Saatproduzent.
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"Terminator"-Pflanzen in den USA
Das gentechnisch veränderte Saatgut mache die Bauern in der dritten Welt von Monopolbetrieben abhängig, lautet ein häufiger Vorwurf. Wie das aussehen könnte, das zeigen die so genannten "Terminator"-Pflanzen des Saatgutherstellers Delta & Pine Land, die jetzt in Amerika freigegeben wurden: Sie sind so verändert, dass ihre Früchte nur durch Besprühen mit Chemikalien wieder fruchtbar werden. Die Bauern müssen also jedes Jahr das Saatgut oder die Chemikalie neu kaufen.
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Mögliche Gefahren der Gentechnik
"Heute leidet auf der Welt eine von sieben Personen Hunger", stellt Sanders klar, jedoch ist er nicht davon überzeugt, dass dieses Problem mit Hilfe der Gentechnologie zu lösen sei.

Die möglichen Gefahren bei gentechnisch manipulierten Pflanzen seien ihre Allergie auslösende Wirkung und das Umweltproblem, das sie bereiten würden.

Da die Pflanzen gegen Herbizide resistent gemacht werden, gebrauchen die Bauern bis zu fünf Mal mehr Spritzmittel als bei herkömmlichen Gewächsen - die Folgen für die Tier- und übrige Pflanzenwelt sind enorm. Darüber hinaus könnten die veränderten Gene auf ihre nicht manipulierten "Artgenossen" übergehen.
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Beispiel Gen-Raps-Verbreitung in Deutschland
Laut Sanders ist in Deutschland bei einem Versuchsfeld mit genetisch veränderten Raps eine Samenverbreitung im Umfeld von 200 Metern beobachtet worden - und auf ein "normales" Feld übergesprungen.
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Widersprüchliche Ansichten unter Wissenschaftlern
Sanders ist beunruhigt, dass wir "bis heute keine Methode haben, die Gefährlichkeit von genmanipulierter Nahrung im Allgemeinen zu belegen oder zu widerlegen."

Diese Bedenken ließ Swaminathan allerdings nicht gelten: "Die Wissenschaft wird voranschreiten, so lange der menschliche Geist existiert."

(APA/red)
->   17.Internationaler Ernährungskongress in Wien
Mehr zum Thema Gentechnik in science.orf.at:
->   Österreicher schlecht über Gentechnik informiert
->   Helge Torgersen: Gentechnik: Schaden oder Nutzen?
 
 
 
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01.01.2010