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Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
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Chip und Nervenzellen tauschen Signale  
  Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Biochemie haben auf einem Silizium-Chip Nervenzellen zu einem zusammenhängenden "Nerven-Netzwerk" wachsen lassen, das nicht nur Signale von dem Chip erhielten, sondern diese auch wieder zurück übertrugen.  
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Noninvasive neuroelectronic interfacing
Der Artikel "Noninvasive neuroelectronic interfacing with synaptically connected snail neurons immobilized on a semiconductor chip" ist erschienen in den PNAS (Bd. 98, S. 10457-10462).
->   Der Originalartikel (kostenpflichtig)
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Mischwesen aus Organismus und Maschine
Die beiden Biochemiker Günther Zeck und Peter Fromherz bauten einen funktionsfähigen hybriden Schaltkreis, eine Art Mischwesen aus lebendem Organismus und "Maschine".
Reize als elektrische Impulse
Das ist nicht so abwegig, wie es beim ersten Lesen den Anschein hat. Denn die Verbindung einer lebenden Zelle und eines elektronischen Bauteils ¿ in diesem Falle eines Silizium-Chips - ist nur dadurch möglich, dass auch Nervenzellen Reize nicht einfach so weitergeben können, sondern diese in elektrische Impulse übersetzen.

Damit unterscheiden sie sich zumindest in jener Hinsicht nicht wesentlich etwa von Halbleitern, die die gleiche Funktion aufweisen: elektrische Impulse werden weitergeleitet.
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Wissenschaftler forschen seit Jahren ...
Wegen dieser Gemeinsamkeit forschen Wissenschaftler seit Jahren an solchen hybriden Schaltkreisen aus Nervenzelle und elektronischem Chip. Und es gab bereits eine Reihe mehr oder weniger spektakulärer Ergebnisse. Erst vergangenen November zeigte das Science Museum in London einen Mini-Roboter mit Fisch-Gehirn, den US-Wissenschaftler konstruiert hatten.
->   Ein Roboter mit Fischgehirn (28.11.00)
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Silizium-Chip mit Miniatur-Zaun
Zunächst konstruierten die beiden Forscher also einen geeigneten Silizium-Chip, auf den die Nervenzellen aufgebracht werden sollten.

Damit sich diese nicht unkontrolliert bewegen würden, brachten die Forscher auf der Oberfläche mehrere mikroskopisch kleine "Zäune" aus Polyimid an, die als eine Art Käfig die einzelnen Zellen fixieren sollten.
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Bild: Zeck/Fromherz

Elektronmikroskopische Aufnahme des Chips
Der Chip im Detail
Die sechs kleinen Säulen aus Polyimid, einem Hochleistungs-Polymer, sind auf dem Bild links deutlich zu erkennen. Der Chip besitzt zudem paarförmig angeordnete Elektroden (siehe Bild, gekennzeichnet mit "St" für Stimulator). Kurze Spannungspulse zwischen diesen Elektroden sollen die (später aufgebrachten) Nervenzellen anregen. Weiters befindet sich auf dem Chip ein so genannter Feldeffekt-Transistor (FET), ein Halbleiterbauelement, das für die Verstärkung und Steuerung von schwachen elektrischen Impulsen dient. (Die drei Buchstaben bezeichen die einzelnen Elektroden des FET: "S" entspricht Source, "G" steht für Gate und "D" für Drain).
->   Mehr zu Feldeffekt-Transistoren
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Nervenzellen einer Schnecke landen im Käfig
Bild: Zeck/Fromherz
Chip mit Nervenzelle nach drei Tagen
Schließlich platzierten die Biochemiker Nervenzellen aus den Ganglien einer Schneckenart (Lymnaea stagnalis) auf dem Silizium-Chip, und zwar genau zwischen die kleinen "Zäune" aus Polyimid.

Nach drei Tagen in einer speziellen Nährlösung hatten die einzelnen Neuronen Nervenfortsätze ausgebildet, die sich zu einer Art synaptischen Verbindung zwischen den Zellen zusammen schlossen.
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Nervenzellen und Synapsen
Nervenzellen bilden lange Fortsätze, die die elektrischen Impulse mit einer Geschwindigkeit von bis zu 150 Metern pro Sekunde zur nächsten Zelle weiterleiten. Diese Fortsätze, die Axone, übermitteln ihr Signal an die Dendriten der nächsten Nervenzelle, die direkt am Zellkörper sitzen. Dabei müssen sie jedoch den so genannten synaptischen Spalt überbrücken, der zwischen Axon und Dendrit steht. Dies geschieht mithilfe einer chemischen Substanz, eines Transmitters, der den Spalt überspringt und in der zweiten Zelle eine "neue" elektrische Erregung in Gang setzt.
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Test auf Netzwerk-Fähigkeit
Diese solchermaßen entstandene Struktur wurde nun mithilfe des Stimulators auf ihre Netzwerk-Fähigkeit getestet: Ein elektrischer Impuls wurden eingesetzt, und regte eine der Zellen messbar an.

Diese leitete den Impuls an eine zweite Zelle weiter. Von dort gelang der Impuls schließlich zurück zum Chip, wie am modulierten Stromfluss des dazugehörigen Transistors festgestellt werden konnte.

 


Der Chip mit den Nervenzellen, die sich zu einem "Netzwerk" verbunden haben.
Chip an Zelle an Zelle an Chip
Den beiden Forschern war es somit gelungen, ein Signal ausgehend vom Silizium-Chip an eine Nervenzelle weiterzuleiten, von dort an eine weitere Zelle zu übermitteln und von dieser wieder zurück zu dem Chip.
Ausblicke auf die Zukunft
Medizinisch interessant ist vor allem die Möglichkeit, mithilfe solcher Hybrid-Technologie moderne Prothesen zu entwickeln oder etwa verletztes Nervengewebe einst durch solche Implantate zu ersetzen.

Auch für genaueste Untersuchungen der neuronalen Signal-Verarbeitung lassen sich solche neuroelektronischen Systeme verwenden.

Und Forscher träumen von der Entwicklung einer Computer-Technologie, die sich teilweise biologischer Datenverarbeitung bedient.
Versuch gelungen, Anwendung fern
Dennoch: Dieser Versuch ist zwar gelungen, eine tatsächliche Anwendung in den oben genannten Bereichen liegt jedoch auch nach Ansicht der Forscher noch in ziemlich weiter Ferne.

(red)
->   Max-Planck-Institut für Biochemie
 
 
 
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01.01.2010