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Wissenschaft gratis für alle?  
  Der Streit um Gratis-Zugänge zu wissenschaftlichen Publikationen schwelt seit Jahren. Vor allem Institutionen in ärmeren Ländern beklagen die hohen Kosten für wissenschaftliche Magazine, die sie sich oftmals nicht leisten können. Der Versuch von rund 27.000 Wissenschaftlern, die großen Fachmagazine zur Freigabe ihrer Publikationen zu bewegen, ist jedoch erst einmal gescheitert.  
Vor wenigen Tagen lief das Ultimatum ab: Insgesamt 26.960 Naturwissenschaftler aus 170 Ländern (darunter 188 in Österreich tätige Forscher) hatten einen offenen Brief der Organisation "Public Library of Science" unterschrieben, in dem gedroht wurde, vom 1. September an einige der größten und renommiertesten Fachmagazine zu boykottieren.
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"Public Library of Science"
Der Name der Initiative, die diesen offenen Brief gestartet hat, steht für sich: "Public Library of Science" will nichts weniger erreichen, als den weltweiten kostenlosen Zugang zu wissenschaftlichen Fachpublikationen aus dem Bereich der Naturwissenschaften.
->   Public Library of Science
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Die Drohung von "Public Library of Science"
Weder wolle man Artikel einreichen, noch werde man als Gutachter zur Verfügung stehen oder diese weiterhin abbonieren, hieß es in dem Brief an verschiedene große Verlagshäuser.
Freier Zugang nach sechs Monaten
Gefordert wurde, dass die Zeitschriften wissenschaftliche Veröffentlichungen jeweils ein halbes Jahr nach der Erstveröffentlichung freigeben sollten.

Die Internetseite der Initiative wollte diese dann auf der eigenen Homepage oder auch auf anderen Online-Foren gratis zur Verfügung stellen.
Größter Teil der Magazine zog nicht mit
Doch die Verlage - zumindest der größte Teil - zogen nicht mit. Die Liste derjenigen, die sich zur Kooperation in der verlangten Form bereit erklärten, ist kurz und besteht zum Teil aus Journalen, die ihre Texte sowieso schon frei zugänglich machen.
Für einen umfassenden Überblick
Das Ansinnen der Organisatoren hat verständliche Hintergründe: Zum einen halten die beteiligten Forscher eine zentrale Datenbank für unerlässlich, um einen umfassenden Überblick über aktuelle Forschungsergebnisse und eine effektive Recherche in der Bio-Wissenschaft zu ermöglichen.

Schließlich haben oft nicht einmal gutbetuchte Universitäten sämtliche Fachzeitschriften einer bestimmten Disziplin abbonniert. Ein Nachteil, der vielleicht weniger die Wissenschaftler trifft als vielmehr die Studenten, wenn sie zu einem bestimmten Thema recherchieren.
Gegen die Benachteiligung ärmerer Institutionen
Außerdem hätten dann auch jene Forscher, Institutionen und Studenten Zugang zu den neusten Daten, die sich keine teuren Abonnements leisten können.

Die Verlage wiederum haben Angst um ihre Umsatzzahlen, was ebenfalls verständlich ist. Ob sich allerdings eine Zweit-Veröffentlichung nach sechs Monaten wirklich negativ auswirkt, ließe sich nur durch einen Versuch feststellen.
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Hohe Kosten für manche unerschwinglich
Rund um den Zugang zu den Publikationen hat es seit Jahren Streitigkeiten gegeben. Immerhin kosten manche Abonnements bis zu 1.500 US-Dollar (24.401 ATS) pro Jahr. Das stellt eine zum Teil unüberbrückbare Hürde für viele Institutionen dar.
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Neues Ziel: Selbst online publizieren
Die Initiatoren veröffentlichten nun zum Ablauf des Ultimatums einen weiteren "offenen Brief": Aufgeben wollen sie keineswegs, wie man dort erfährt.

Man sei zu dem Schluss gelangt, dass sich eine Änderung nur erreichen lasse, wenn man selbst das Veröffentlichen übernehme. Geplant ist die Gründung eigener Online-Journale, die Artikel dem üblichen Peer-Review durch anerkannte Experten unterziehen und schließlich frei zugänglich für alle veröffentlichen.
Mehr und mehr Initiativen lassen hoffen
Das Beispiel "Public Library of Science" steht im Übrigen nicht alleine, denn die Initiativen für die Freigabe von Wissen häufen sich. Darunter sind auch mehr und mehr erfolgreiche Projekte zu finden.

Da wäre zum Beispiel das so genannte PubMed Central-Forum, ein Projekt der amerikanischen National Institutes of Health (NIH). Seit April 2000 können Fachjournale dort ihre Inhalte präsentieren.
->   PubMed Central
Projekt der WHO für Entwicklungsländer
Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat ein Projekt gestartet, das bestimmten Ländern einen verbilligten bzw. teilweise einen Gratis-Zugang zu rund 1.000 der wichtigsten biomedizinischen Fachzeitschriften ermöglichen soll.

Studierende, Forscher und Lehrer sollen somit Zugang zu internationalen Medizin-Datenbanken erhalten, aktuelle Fachzeitschriften lesen und an internationalen Diskussionsforen im Netz teilnehmen können.
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Ausweitung auf 30 bis 40 Länder geplant
An dem auf fünf Jahre ausgelegten Gemeinschaftsprojekt der WHO, privaten Stiftungen und Internet-Providern werden laut Organisatoren zunächst Armenien, Ghana, Mali, Mosambik, die Mongolei, Uganda, Tansania und Usbekistan teilnehmen. Geplant ist allerdings, das Projekt innerhalb von zwei Jahren auf 30 bis 40 Länder auszuweiten.
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Führende Verlage unterzeichneten Abkommen
Verlage wie Blackwell, Elsevier Science, die Harcourt Worldwide STM Group, Wolters Kluver International Health & Science, Springer Verlag und John Wiley unterzeichneten das Abkommen im Juli. Auf die Umsetzung darf man gespannt sein.
Vorreiter MIT stellt Lehrinhalte ins Netz
Auch das weltbekannte Massachusetts Institute of Technology (MIT) hat sich im April zu einer neuen "Wissensvermittlungs-Politik" bekannt: Die Technologieschmiede in Boston will in den kommenden zehn Jahren sämtliche Lehrinhalte gratis im Internet anbieten.
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Quer durch alle Fakultäten
Dafür investiert man immerhin rund 100 Millionen Dollar (1,52 Milliarden ATS). Unterrichtsmaterialien für über 500 Lehrveranstaltungen sollen im Web bereit gestellt werden. Und zwar quer durch alle Fakultäten von Technik über Kunst bis zu Geistes- und Sozialwissenschaften.
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"OpenCourseWare" ab 2002
Die Seite mit dem klingenden Namen "OpenCourseWare" wird allerdings erst 2002 die ersten Inhalte bereitstellen, wie dort nachzulesen ist. Bis dahin muss sich der Lernwillige also noch gedulden.

(red)
->   MIT OpenCourseWare
 
 
 
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01.01.2010