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Zivilisationskritiker Ivan Illich wird 75  
  "Schafft die Schule ab!" - dieser Satz zählt zu den bekanntesten Aussagen des in Wien geborenen Zivilisationskritikers Ivan Illich. Der Priester, Sozialphilosoph und Gesellschaftskritiker wollte damit darauf hinweisen, wie "lebensferne Inhalte" der Schule zur Ausbreitung sozialer Ungleichheit in der Gesellschaft beitragen. Illich feiert heute seinen 75. Geburtstag.  
Flucht vor den Nazis
Illich wurde am 4. September 1926 in Wien geboren. Sein Vater war Katholik aus Dalmatien, seine Mutter eine lutherisch getaufte deutsche Jüdin. Er musste ein Wiener Gymnasium, das er anfangs besuchte, auf Grund der nationalsozialistischen Rassengesetze verlassen.
Priesterweihe im Vatikan
So verschlug es ihn nach Florenz, wo er auch maturierte. In Rom und Salzburg studierte er Geschichte, Kristallographie, Philosophie und Theologie. Nach der Priesterweihe und Tätigkeit im Vatikan ging er 1951 nach New York, wo er als Seelsorger in den puertorikanischen Slums arbeitete und die US-Bürgerschaft erwarb. Von 1956 bis 1960 war er Vizerektor der katholischen Universität in Ponce (Puerto Rico).
Konflikt mit Klerus ...
Durch seine kritische Haltung gegenüber der Politik der katholischen Kirche in Südamerika geriet er in Konflikt mit dem Klerus und dem Vatikan.
... und Diktatoren Südamerikas
1961 wurde Illich einer der Direktoren des von ihm gegründeten Centro intercultural de documentacion (CIDOC) in Cuernavaca bei Mexiko. Ursprünglich eine Institution zur Einführung von Entwicklungshelfern in Sprache und Kultur Lateinamerikas, entwickelte es sich schnell zu einem intellektuellen Zentrum politischer Diskussion und Aktivität gegen die südamerikanischen Militärdiktaturen.

Illich übte dabei auch Kritik an den "kulturzerstörerischen" Entwicklungsprogrammen und der ökonomisch-politischen Ausbeutung Lateinamerikas sowie allgemein am Konzept des unbegrenzten Wachstums sozialer Institutionen.
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Aufgabe des Priesteramtes
Illich zog sich immer wieder den Zorn der katholischen Kirche zu, so konterte er ein Glaubensverfahren der Kurie mit der Offenlegung eines geheimen Dokuments. Er schmuggelte 85 Fragen, welche ihm die "Kongregation für die Glaubenslehre" bei einem Verhör vorlegte, an die Öffentlichkeit und stellte damit die Kurie bloß. 1969 gab Illich das Priesteramt auf Grund wachsender Konflikte mit Rom auf, erklärte jedoch, dass er weder vom Breviergebet noch vom Zölibat befreit werden wolle.
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Gastprofessuren in Deutschland und den USA
Seit der Schließung des CIDOC im Jahr 1976 nimmt er Gastprofessuren an deutschen, japanischen und amerikanischen Universitäten wahr. So lehrt der gebürtige Wiener mit dem amerikanischen Pass seit 1991 in Bremen und ist als Professor der Staatlichen Universität von Pennsylvania tätig.

Seine Zuhörer an der Uni Bremen sind längst nicht mehr nur Studierende, sondern auch Geschäftsleute, Ärzte und Lehrer. Seine Vorlesungen mit dem Akzent seiner Geburt trägt er assoziativ und frei vor, obwohl ihm ein Krebsleiden zusehends zu schaffen macht.
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Buchautor
Illich ist Autor zahlreicher Bücher. Seine zivilisationskritischen eröffentlichungen heißen "Die Entschulung der Gesellschaft", "Selbstbegrenzung. Eine politische Kritik der Technik", "Die Nemesis der Medizin", "Genus - Zu einer historischen Kritik der Gleichheit", "H2O und die Wasser des Vergessens" oder "Was macht den Menschen krank".
->   Bücher von Ivan Illich
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Statt einer umfassenden Philosophie bietet er vereinzelte, aber gezielte Provokationen. Als Gast auf einem Ökonomenkongress zum Beispiel sprach er über die Geschichte des Abfalls, auf einer Tagung über das Thema "Entropie" über die "Entwertung" der Verrichtungen des Körpers im Zusammenhang mit der Verbreitung der Toilette.

(APA/red)
->   Circle for Research on Proportionality (CROP)
->   Ivan Illich Studies web site, Pennsylvania State University
->   Ivan Illich: writing on the web
->   Zitate aus "Die Nemesis der Medizin"
 
 
 
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01.01.2010