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Der Mythos von der gesunden Schokolade  
  Eine jüngst erschienene Studie erfreut Schokolade-Liebhaber: Das Kakaoprodukt schmeckt nicht nur vorzüglich, sondern soll ihr zufolge auch gut fürs Herz sein. Doch dieses Ergebnis ist nicht unumstritten, denn eine ganze Reihe weiterer Untersuchungen legt nahe, dass Schokolade durchaus nicht so gesund ist.  
Die Meldung, dass Schokolade gut für das Herz sei, ist nicht neu. Sie stammt von den selben US-Wissenschaftlern, die ähnliche Untersuchungen bereits im vergangenen Jahr durchführten - und auch damals zu ähnlichen Ergebnissen gelangten.
Schokolade gegen Herzinfarkt?
Die Ernährungsforscher der Universität von Kalifornien erklärten vor wenigen Tagen (beim jährlichen Treffen der "British Association for the Advancement of Science") erneut, Schokolade mindere die Gefahr von Herzinfarkten und Schlaganfällen.

Dafür verantwortlich seien bestimmte Inhaltsstoffe des Kakaoprodukts, so genannte Flavonoide, die die Blutgerinnung herabsetzen und das Herz stärken.
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Flavonoide
Flavonoide gehören zur Obergruppe der sekundären Pflanzenstoffe, also jene Stoffe, denen ursprünglich keine Bedeutung für den Nährwert einer Pflanze zugesprochen wurde. Während man früher glaubte, Flavonoide würden nur die farblichen Eigenschaften eines Gewächses bestimmen, haben neuere Forschungen ergeben, dass sie auch - zumeist positive - Wirkungen auf den menschlichen Körper haben können.
->   Mehr Informationen zu Flavonoiden
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Vorsichtig formuliert: "Legt nahe" und "eventuell"
Immerhin formulierte der Leiter der Studie, Carl Keens, die Schlüsse aus derselben relativ vorsichtig: "Dieses Ergebnis legt nahe, dass Schokolade eventuell zu einer gesunden und ausgewogenen Ernährung beitragen kann", zitiert ihn der Nachrichtensender BBC.
Auftraggeber Mars
Eine wichtige Hintergrundinformation ist allerdings der Auftraggeber der Studie: Kein geringerer als der Schokoriegel-Hersteller Mars steht nämlich dahinter.
Obst und Gemüse sind viel gesünder
Was nicht heißt, dass die Ergebnisse falsch sind. Diese könnten durchaus stimmen, die britische Herzstiftung meint aber trotzdem, Obst und Gemüse seien viel gesünder.

Denn die enthalten einen viel höheren Anteil an Flavonoiden und dazu noch viele andere nützliche Nährstoffe, so Experten der Herzstiftung.
Schokolade: Hoher Anteil an gesättigtem Fett und Zucker
Es sei zwar richtig, dass Schokolade Flavonoide enthalte. Gleichzeitig habe sie aber einen hohen Anteil gesättigten Fetts und Zuckers, was zu einem hohen Cholesterinspiegel, zu Fettleibigkeit und zu Herzerkrankungen beitragen könne.
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Schokoladen-Inhaltsstoffe
In 100 Gramm Vollmilchschokolade sind 556 Kilokalorien enthalten, dazu 9,2 Gramm Eiweiß, bis zu 50 Gramm Fett und 56 Gramm Zucker. Daneben finden sich eine Reihe weiterer Inhaltsstoffe, die für die Ernährung wichtig sind: Mineralien wie Eisen oder Magnesium und verschiedene Vitamine. Doch damit verhält es sich so, wie im bereits erwähnten Beispiel der Flavonoide. Es gibt eine ganze Menge Nahrungsmittel, die diese Stoffe enthalten, ohne gleichzeitig den hohen Fett- und Zucker-Anteil der Schokolade aufzuweisen.
->   Eine Liste der Inhaltsstoffe von Schokolade
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"Ein bisschen Schokolade in Maßen"
Die Botschaft der britischen Herzstiftung lautet denn auch etwas anders, als sich das so mancher "Schokoholik" wünschen mag: "Genießen sie ein bisschen Schokolade in Maßen. Aber achten sie darauf, täglich fünf Portionen Obst und Gemüse zu essen, um alle benötigten Flavonoide zu bekommen, die sie benötigen - ohne zusätzliches Fett."
Schokolade macht doch nicht glücklich
Ein echter Mythos ist die Behauptung, Schokolade mache glücklich. Experten des Deutschen Instituts für Ernährungsmedizin und Diätetik (D.I.E.T.) erklärten erst kürzlich, dies sei nur ein von der Schokolade-Industrie gestreutes Ammenmärchen.

Der Euphorie auslösende Stoff Phenylethylamin, der auf die Neurotransmitter im Gehirn wirkt, ist zwar tatsächlich in Schokolade enthalten. Doch ist die darin enthaltene Menge an Phenylethylamin relativ gering und hat in Wirklichkeit keine Auswirkungen auf Glückshormone wie Serotonin.
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Auch Käse könnte glücklich machen
Käse hat etwa den gleichen Gehalt an Phenylethylamin, doch bisher hat die Käseindustrie den Wert dieses werbewirksamen Aspekts scheinbar noch nicht erkannt.
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Phenylethylamin als Auslöser von Migräneattacken
Was jedoch offenbar gerne verschwiegen wird, ist die Tatsache, dass Phenylethylamin auch als Auslöser von Migräneattacken gilt, wie eine D.I.E.T.-Expertin erklärte. "Schokolade macht nicht glücklich, sondern fett!", lautet deswegen auch ihre ernüchternde Bilanz.
->   Deutsches Institut für Ernährungsmedizin und Diätetik
Weitere Argumente gegen die süße Versuchung
Eine Reihe weiterer Inhaltsstoffe des Kakaoproduktes rückt die Schokolade ebenfalls nicht gerade ins beste Licht. Da wäre zum einen das darin enthaltene Phosphat zu nennen, das zur Entstehung von Osteoporose beitragen kann.

Auch die Aminosäure "L-Arginin" findet sich. Diese fördert das Wachstum des Herpes-Erregers, den rund 90 Prozent aller Menschen in sich tragen und der immer wieder ausbrechen kann.
Phosphatidylserin - wichtig fürs Gehirn
Phosphatidylserin ist noch ein Stoff, der in Schokolade enthalten ist. Experten erklärten bei einem kürzlich in Wien abgehaltenen Ernährungskongress, dass der Mensch zu wenig von dem für das Gehirn wichtigen Stoff zu sich nehme.
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->   Informationen zur Wirkungsweise von Phosphatidylserin
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Um die empfohlene Tagesdosis von 100 bis 300 Gramm des Stoffes zu sich zu nehmen, müsste man allerdings rund 20 Kilogramm Schokolade verzehren.
Frühere Studien im Auftrag von Mars
Carl Keens ist - wie oben bereits erwähnt - kein "unbeschriebenes Blatt", was Studien über den Ernährungswert von Schokolade angeht. Er hat schon früher - ebenfalls im Auftrag von Mars - entsprechende Untersuchungen durchgeführt, die im Wesentlichen zu den selben Ergebnissen kamen.
Keine Schuldgefühle beim Essen von Schokolade
Vom Wert der Süßigkeit zeigte sich Keen damals völlig überzeugt: Man solle Schokolade als einen Teil gesunder Ernährung ansehen, er persönlich fühle sich nicht schuldig, wenn er Schokolade esse.

Zumindest das ist vermutlich wirklich gesund, denn eine britische Studie hat vor einigen Monaten herausgefunden, dass Schuldgefühle die Wirksamkeit der körpereigenen Abwehr beeinträchtigen.
Hoffnung für Schoko-Fans
Schokoladen-Fans können allerdings weiter hoffen, dass die Vorzüge ihrer Lieblingsspeise eines Tages deren Nachteile überwiegen.

Denn zum einen fehlen immer noch Studien zur Wirkungsweise einer ganzen Menge weiterer Inhaltsstoffe.

Und zum anderen sind die Hersteller schon längst damit beschäftigt, völlig zuckerfreie und mit diversen Zusatzstoffen angereicherte Schokolade herzustellen. Bleibt nur zu hoffen, dass darunter der Geschmack nicht leidet.

Sabine Aßmann, science.orf.at
Schokoladen-Links:
->   Das Info-Zentrum Schokolade
->   www.theobroma-cacao.de
->   Die Herstellung von Kakao und Schokolade
 
 
 
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01.01.2010