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Pharmafirmen: Profit oder Moral?  
  Steht bei Pharmakonzernen der Profit an oberster Stelle oder tun sie alles, um vor "unerwünschten Nebenwirkungen" und Todesfällen zu bewahren? Führende Medizin-Fachblätter aus der ganzen Welt beschuldigen sie nun, Tests neuer Medikamente zu ihren Gunsten zu manipulieren.  
12 Fachzeitschriften, eine Kritik
Gut gemachte Studien, die in angesehenen Journalen veröffentlicht werden, sind ein hervorragendes Marketinginstrument für Medikamente oder medizinische Werkzeuge. Ihr Werbewert ist enorm.

Die Herausgeber der wichtigsten Medizinjournale der Welt scheinen sich dessen bewusst zu sein und warnen in einer gemeinsamen Erklärung davor, dass der zunehmende Wettbewerbsdruck in der Pharmaindustrie die Sicherheit der Patienten aufs Spiel setzt.

Die 12 Fachzeitschriften kündigen deshalb an, künftig vor der Veröffentlichung ein kritischeres Auge auf die von den Firmen vorgelegten Testergebnisse zu werfen - und sie nötigenfalls nicht zu publizieren.
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Prominente Unterstützer
Zu den Journalen gehört "The Lancet", das "Journal of the American Medical Association", das "Canadian Medical Association Journal", und das "Dutch Journal of Medicine".
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Unabhängige Wissenschaftler gefordert
Um sicher zu stellen, dass keine schädlichen Medikamente auf den Markt kämen, müssten die Tests an Patienten von unabhängigen Wissenschaftlern überwacht werden, forderten die Fachblätter.

Mehr und mehr Arzneimittel-Firmen sähen in den Tests auf mögliche Nebenwirkungen oder Schäden nur eine lästige Hürde oder betrachteten sie als Mittel, für ihr neues Produkt zu werben, hieß es in der Erklärung weiter.
Tödliche Nebenwirkungen
Richard Horton, Herausgeber von "The Lancet", einem der führenden britischen Journale, gab gegenüber BBC Online an, dass bei allen Zeitschriften Fälle bekannt seien, in denen die Interessen der Patienten zu Gunsten jener der Pharmafirmen bei Seite geschoben wurden.

In einem dokumentierten Fall wären Patienten durch Nebeneffekte der untersuchten und dargestellten Arznei gestorben, die von den Studienautoren unerwähnt geblieben waren.
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Die Hälfte der Papers wird zurück gewiesen
Neun von zehn Mitgliedern der Peer Review Groups gaben laut Horton an, dass bei den überprüften Papers die Vorteile von Medikamenten übertrieben dargestellt würden, und dass die Hälfte abgelehnt werden müsse. Andere mussten substanziell überarbeitet und neu geschrieben werden, bevor sie zur Veröffentlichung bereit waren.
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Forschung mit hohen Kosten verbunden
Die durchschnittlichen Kosten, um eine neues Medikament auf den Markt zu bringen - Entwicklung, Studie, Produktion, Vertrieb inklusive - belaufen sich auf etwa acht Milliarden Schilling.

Horton ist sich bewusst, dass es sich dabei um keine geringe Summe handelt. "Wir hätten keinen medizinischen Fortschritt, wenn Pharmaunternehmen nicht in die Entwicklung neuer Medikamente investieren würden, aber sie müssen die Interessen von Patienten an die erste Stelle setzen."
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Das Internationale Komitee für die Herausgeber medizinischer Fachjournale (ICMJE) hat deshalb die Vorschriften verschärft, die die Veröffentlichung von Studien betrifft.
->   ICMJE
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"Nature" mit ähnlicher Kritik
Der Aufruf der zwölf Fachzeitschriften steht in der Tradition einer Reihe weiterer Initiativen zur Sicherung der Glaubwürdigkeit wissenschaftlicher Journale. Erst vor zwei Wochen schrieb der Herausgeber von "Nature", dass er in Hinkunft die Offenlegung sämtlicher kommerzieller Interessen seiner Autoren zur Bedingung der Veröffentlichung mache.
->   Objektivität oder persönliche Interessen?
Auch das BMJ ist dabei
Das "British Medical Journal" (BMJ) schließt sich diesem Beispiel an und verlangt eine genaue Rechenschaft ihrer Autoren, was die Rolle der Studiensponsoren betrifft.

Dr. Richard Smith, der Herausgeber des BMJ: "Diese Initiative ist kein Angriff auf die Pharmaunternehmen. Zahlreiche Firmen richten sich nach hohen ethischen Standards und werden keine Probleme damit haben, den neuen Richtlinien zu folgen."

(red)
->   The Lancet
->   British Medical Journal
->   Journal of the American Medical Association
 
 
 
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01.01.2010