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New Economy: Nachhilfe in Personalentwicklung  
  Der Glanz der New Economy ist längst verblasst. Die Börsenwerte und Beschäftigungszahlen der Start-Up-Unternehmen aus dem IT-Sektor befanden sich schon vor den Anschlägen in den USA im Sinkflug. Eine aktuelle Studie gibt Aufschluss, was die jungen Betriebe tun können, um sich in Sachen Personalentwicklung zu verbessern - und von der Old Economy zu lernen.  
Vertane Wachstumschancen
"Kompetenzentwicklung in schnell wachsenden Unternehmen" lautet der Titel einer aktuell laufenden Untersuchung des Instituts für Arbeitswissenschaft der Kasseler Universität.

Nach den ersten Untersuchungen in mehr als 20 dieser vorwiegend aus der New Economy stammenden Unternehmen zeichnet sich ab, dass dort das Thema Personalsuche und Personalentwicklung stark unterentwickelt ist.

Damit werden mögliche Wachstumschancen sowie die Unternehmensstabilisierung, vor allem im Bereich des hochqualifizierten Personals, vertan.
->   Institut für Arbeitswissenschaft, Universität Kassel
Die Hauptkritikpunkte
Hauptkritikpunkte der Arbeitsgruppe um Projektleiter Ekkehart Frieling sind: das Dominieren des "Hire and Fire"-Prinzips beim Personalmanagement, mangelnde Transparenz von Macht- und Kompetenzverteilung innerhalb "teamorientierter" Projektgruppen samt daraus resultierenden Autoritätskonflikten sowie der im Vergleich zu vergangenen Jahren zunehmende Druck von Risikokapitalgebern auf schnelle Erfolge.
"Hire and Fire" statt Kompetenzentwicklung
Die Personalauswahl von Start-Ups werde zum Teil vom "Hire and Fire"-Prinzip dominiert - und oft teuer zu bezahlenden Personalberatern überlassen.

"Beweisen muss man sich im Job. Oft wird auf die Rekrutierung von Hochschulabsolventen verzichtet und auf Mitarbeiter gesetzt, die schon zwei bis drei Jahre im Job sind und von denen zu erwarten ist, dass sie ihr Handwerk verstehen", schreiben die Wissenschaftler.

Derjenige, der seinen Job die ersten sechs bis acht Wochen schafft, bleibe in Unternehmen, wem die entsprechenden Kompetenzen fehlen, geht. Eine Idee von Kompetenzentwicklung, die mit einer systematisch geplanten Einarbeitung beginnt, habe sich oft noch nicht etabliert.
Personal liebäugelt mit Old Economy-Sicherheit
Überhaupt hemme fehlendes Fachpersonal das Wachstum der jungen Unternehmen. Sie konkurrieren mit den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der "Old Economy" um hochqualifizierte Arbeitskräfte, die zunehmend zur Mangelware werden.

Besonders für Informatiker und Ingenieure werden sichere Jobs in der Old Economy mit geregelter Arbeitszeit wieder zunehmend geschätzt. Mit dem Einbruch des "Neuen Marktes" gilt es auch in Start-Ups neue Karrieremodelle zu finden, um Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten.
Mangelnde Personalentwicklung
Sind einmal geeignete Bewerber gefunden, mangle es oft am Human-Resources-Management, weil z. B. die Mittel fehlen.

Dabei ließen sich mit bewährten Instrumenten der "Old Economy" eine Reihe von Effekten erzielen: z.B. mit Patenmodellen, Einarbeitungsprogrammen, systematischen Mitarbeitergesprächen oder ähnlichem.
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Wie science.orf.at kürzlich berichtete, analysiert der Wissenschaftler Joachim Bischoff in seinem neuen Buch die zahlreichen Mythen der New Economy.
->   Mythen der New Economy
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Transparenz statt bloßer Teamgeist
Teamgeist oder Teamarbeit seien Begriffe, die in nahezu als "Markenzeichen" verstanden werden. Doch gäbe es hier Hindernisse, die besonders in Phasen struktureller Veränderungen die Zusammenarbeit beeinflussen.

Besonders wenn Strukturen noch unklar und wichtige Positionen zu definieren sind, kann "eine Dynamik entstehen, in der jeder Einzelne versucht, das Terrain abzustecken und eine gute Startposition zu erzielen". Sind diese Prozesse noch nicht abgeschlossen, könnten unklare Schnittstellen zu Kompetenz- und Machtgerangel führen.

Der Rat der Wissenschaftler: "In vielen jungen Unternehmen ist Transparenz in den Strukturen und Prozessen zu schaffen und so insbesondere auf Führungsebene das Teambuilding zu unterstützen."
Stabile Unternehmungsführung angemahnt
Die Führung in schnell wachsenden Unternehmen ist nach Angaben der Kasseler Arbeitswissenschaftler geprägt von "kollegialen Prämissen". Die zumeist jungen Führungskräfte in Start-Ups verfügten zwar über ein hohes Maß an Fachkompetenz, jedoch fehlten ihnen oft notwendige Erfahrungen in Sachen Personalführung.

Es herrsche oft Unklarheit hinsichtlich der Ausgestaltung der eigenen "Führungsrolle", was sich besonders in der Handhabung der Balance von Nähe und Distanz, des Wechsels zwischen "Kumpel und Autorität" zeige.

Hieraus entstehen Unsicherheiten in der Übernahme von Führungs- und Entscheidungsverantwortung. Wichtig sei es daher, stabile Muster der Führung im Unternehmen zu entwickeln.
Zunehmender Druck der Kapitalgeber
Bei allen Fragen um Mitarbeiterrekrutierung nicht zu vergessen ist ein anderes Problem: Die Unternehmen werden zunehmend von Risikokapitalgebern unter Druck gesetzt. Wurde noch vor zwei Jahren euphorisch in alles investiert, was nach "New Economy" klang, werde nun mit Buchhaltermentalität geprüft.

Ungeduldig werden Business-Pläne kontrolliert und kurzfristige Erfolge eingefordert. Ein Zustand, der "auch von Geschäftsführern viel Mut verlange, nicht von den parallel in Mode geratenen Consultant-Karrieren zu träumen und einem der verlockenden Angebote zu erliegen", so Frieling und sein Team.
Perspektiven nach der Pionierphase
Abschließend meinen die deutschen Forscher, dass sich beim Start eines Start-Ups zwar eine Reihe von Kompetenzen und Stärken zeigten wie großes Engagement, wenig Bürokratie, hoher Arbeitseinsatz.

Spätestens aber wenn der "Charme der Pionierphase" vorbei ist, seien andere Qualitäten gefragt: effektive Strukturen, eine gezielte Personalentwicklung und eine professionelle Führung.

Lukas Wieselberg, science.orf.at
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01.01.2010