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Direkter Augenkontakt macht glücklich  
  Das Äußere entscheidet - und zwar in drei Sekunden. So lange braucht das menschliche Gehirn, um das Gesicht einer fremden Person einordnen zu können. Erwidert die Person den Blick und hat sie noch dazu eine angenehme Erscheinung, wird im Gehirn eine Belohnungsregion aktiviert.  
Der direkte Blick ins Auge spielt bei der Aufnahme und Bewertung sozialer Kontakte eine entscheidende Rolle. Wie ein deutsch-britisches Wissenschaftlerteam unter der Leitung des Neurologen Knut Kampe herausfand, wird immer dann, wenn ein Betrachter dem Blick eines attraktiven Menschen direkt begegnet, eine Großhirn-Region namens ventrales Striatum aktiviert, und zwar unabhängig vom Geschlecht.

Attraktivität allein, also ohne Blickkontakt, ruft dort hingegen keine Reaktion hervor, wie die Wissenschaftler in dem Fachmagazin "Nature" berichten.
Artikel in "Nature" (Bd. 413, S. 589/kostenpflichtig) unter "Reward value of attractiveness and gaze":
->   Originalartikel in "Nature"
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Das ventrale Striatum
In dem so genannten Streifenkörper des Großhirns, dem ventralen Striatum, werden über "Belohnungsmechanismen" insbesondere die von Motivationen abhängigen Verhaltensweisen kontrolliert. Der dorsale Teil des Striatums erhält Signale von sensomotorischen Bereichen des Cortex und ist Teil der motorische Funktionsschleife.

Die motorische Funktionsschleife steuert die Auswahl und Ausführung von willkürlichen Bewegungen. Der Nucleus accumbens, die wichtigste Struktur des ventralen Striatums, erhält Signale von präfrontalen Cortexarealen, vom Hippocampus und der Amygdala (Mandelkern) und ist Teil der limbischen Funktionsschleife zwischen Cortex und Basalganglien. Die limbische Funktionsschleife kontrolliert insbesondere motivationsabhängige Aspekte des Verhaltens.
->   Aufbau und Funktionsweise des Gehirns
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Orientierung im sozialen System
"Es ist wichtig für Lebewesen, die in komplexen sozialen Systemen leben, sich rasch in einem sozialen Umfeld zu orientieren", sagt der Neurologe Kampe. "Wir taxieren daher Menschen darauf, welche Belohnung wir von ihnen erwarten können."

Natürlich stimmt dieser erste Eindruck nicht immer. Die Erwartung von Glücksgefühlen wird im Gehirn trotzdem ausgelöst.
Die Untersuchung
Die Wissenschaftler zeigten acht Männern und acht Frauen Farbbilder von 40 verschiedenen Gesichtern, die die Probanden entweder direkt anschauten oder zur Seite blickten. Dabei wurden die Veränderungen in der Gehirnaktivität der Testpersonen mit Hilfe eines bildgebenden Verfahrens aufgezeichnet.

Anschließend ließen sie die Testpersonen die Attraktivität der Gesichter auf einer Skala von eins bis zehn einstufen.

 


Die Darstellung zeigt Beispiele von Augenkontakt- und Nichtaugenkontakt-Stimuli.
Erwartungshaltungen und deren Erfüllung
Wenn die abgebildete Person attraktiv und ihr Blick auf den Betrachter gerichtet war, wurde das ventrale Striatum aktiviert.

Ein ansprechendes Gesicht versetzt also das Gehirn des Betrachters in eine Art Erwartungshaltung. Wird diese Erwartung dadurch erfüllt, dass die Person den Betrachter direkt ansieht, steigt die Aktivität im ventralen Striatum deutlich an.
Nur bei direktem Blickkontakt
Die Aktivierung des Streifenkörpers des Großhirns blieb dagegen aus, wenn die Person auf dem Foto ihren Blick abgewandt hatte.

Bei Gesichtern, die als wenig attraktiv eingestuft wurden, verhielt es sich hingegen umgekehrt. Der fehlende Augenkontakt mit einem unattraktiven Gesicht wurde sozusagen als Erleichterung registriert.
Die Vorteile eines attraktiven Partners
"Aus der Sicht der Evolution ist es wichtig, bei anderen rasch Attraktivität erkennen zu können. Denn diese Eigenschaft weist auch auf Gesundheit, Stärke und andere für das Überleben wichtige Eigenschaften hin", so Kampe.

"Affen zum Beispiel gehen immer Bindungen mit Partnern ein, die in der sozialen Hackordnung höher stehen. So erreichen sie in der Gruppe eine bessere soziale Stellung. Eine Beziehung mit jemandem, der attraktiv erscheint, kann auch bei Menschen zu ähnlichen Vorteilen führen", meint der Neurologe.
->   Institute of Cognitive Neuroscience, University College London
->   Mehr zu Attraktivitätsforschung am Ludwig-Boltzmann-Institut für Stadtethologie
 
 
 
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01.01.2010