News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit .  Leben 
 
Verdrängte Gefahr - biologische und chemische Kampfmittel  
  Die weltweite Angst vor Terroranschlägen mit biologischen oder chemischen Waffen ist angesichts der aktuellen Ereignisse in den USA stark gestiegen. Experten gehen davon aus, dass für Österreich zwar keine unmittelbare Gefahr besteht, diese jedoch nicht grundsätzlich auszuschließen ist.  
Organismen als Waffe
Biologische Waffen stützen sich auf die krank machende Wirkung von Viren, Bakterien und Parasiten bzw. den von ihnen produzierten Giften.

Systematische Forschungen auf diesem Gebiet begannen im 20. Jahrhundert. Zunächst wurde mit Krankheitserregern wie Pocken, Typhus und Milzbrand experimentiert.
Trotz Abkommen weitere Foschung
Trotz internationaler Abkommen wird seit dem 1. Weltkrieg weiterhin nach hochwirksamen Waffen für die biologische und chemische Kriegsführung geforscht.

Bakterien, Viren, Pilze und Parasiten bzw. deren Gifte wurden in den letzten Jahrzehnten gesucht, gezüchtet, gewonnen und deren Gefährlichkeit teilweise durch gentechnologische Methoden erhöht.
...
Internationale Biowaffen-Konvention
Die Konvention gegen biologische Kampfstoffe wie Viren und Bakterien wurde 1972 verabschiedet und ist seit 1975 in Kraft. Sie wurde bisher von 143 Staaten der Erde unterzeichnet, darunter auch von den USA. Bisher gibt es allerdings kaum Möglichkeiten, die Einhaltung der Konvention wirksam zu überprüfen.

Deshalb wird auf internationaler Ebene an einem Zusatzprotokoll gearbeitet, das diese Überprüfung gewährleisten soll. Dass dieses Zusatzprotokoll bisher nicht in Kraft treten konnte, liegt hauptsächlich bei den USA, die sich dagegen sperren.
->   Biowaffen-Konvention 1972
...
Einsatz von Viren mit verheerenden Folgen
"Der Einsatz von Viren bei der biologischen Kriegsführung könnte verheerende Folgen nach sich ziehen", so Christan Mandl vom Institut für Virologie der Universität Wien.

Weite Teile der Weltbevölkerung sind etwa nicht mehr immun gegen das Pockenvirus und nur wenige Länder besitzen noch größere Mengen an Impfstoffen. Österreich gehört nicht dazu.
...
Auszüge aus dem Arsenal des Schreckens
Bakterien, die als Biowaffen in Frage kommen:
Bacillus anthracis (Milzbrand), Yersinia pestis (Pest), Francisella tularensis (Hasenpest), Brucella spec. (Brucellose), Vibrio cholera (Cholera), Salmonella typhi

Viren, die als Biowaffen in Frage kommen:
Pocken, Ebola, Gelbfieber, Influenzaviren

Toxine, die als Biowaffen in Frage kommen:
Botulinum-Toxin, Ricin, Staphylococcus enterotoxin B,
Saxitoxin, einige Mykotoxine
...
Experte hält Einsatz für unwahrscheinlich
Allerdings hält Mandl die Verwendung so genannter viraler Kampfstoffe für nicht sehr wahrscheinlich. Herstellung und Lagerung sind schwierig und bergen auch Gefahren in sich. Außerdem gefährden Terroristen durch tödliche Virenstämme auch das eigene Volk.
Chemische Waffen: Nervengift und Co.
Zu den chemischen Waffen zählen unter anderem Atmungsgifte, Binärkampfstoffe (chemische Substanzen, die getrennt aufbewahrt eher harmlos sind, nach Durchmischung aber zum Kampfstoff werden) und Haut- und Lungenkampfstoffe.

Am meisten verbreitet sind jedoch Nervenkampfstoffe wie Sarin, Tabun, Soman und VX, dessen tödliche Wirkungsweise durch den Film "The Rock" einer breiteren Öffentlichkeit vor Augen geführt wurde.
Aufnahme über Haut, Atmung und Augen
Diese chemischen Mittel werden über die Haut, Atmungsorgane und die Augen aufgenommen. "Sicherheit bieten nur Ganzkörperschutzanzüge", so Harald Marhold, Referent für gefährliche Stoffe und Umweltschutz vom Bundesministerium für Landesverteidigung.
...
Wirkung von Nervenkampfstoffen
Nervenkampfstoffen stören die Reizübertragung von Nerven. Folgen sind eine Dauerreizung oder Blockade des Nervensystems, die zu Schweißausbrüchen, Erbrechen, Krämpfen und schließlich zu Atemlähmung und Kreislaufkollaps führen.

Nervenkampfstoffe wirken sehr rasch, daher muss eine Behandlung unmittelbar nach der Vergiftung erfolgen.
...
B-Waffen: Keine Erfindung unserer Zeit
Biologische Waffen sind aber keine Erfindung unserer Zeit. Schon im 6 Jahrhundert v. Chr. wurden Brunnen mit Tierkadavern vergiftet, im Mittelalter bediente man sich Pestleichen, die über Stadtmauern geschleudert wurden.
...
Chronologie der "neuen" Waffen im 20. Jahrhundert
1915: Deutsche Agenten setzten im 1. Weltkrieg Milzbrand- und Rotzbakterien ein, um Tierseuchen auszulösen. Am 22. April desselben Jahres griffen deutsche Soldaten alliierte Stellungen in Ypern mit Chlorgas an.
1932: Japan testet B-Waffen an rund 3.000 Kriegsgefangenen.
1942 - 1943: Britische Wissenschaftler testen Milzbrand-Bakterien auf der Insel Gruinard.
1940 - 1944: Japan setzt im 2. Weltkrieg bei Angriffen auf chinesische Städte Milzbrand-Erreger ein.
1966: Mitarbeiter der US-amerikanischen Forschungsstätte für B-Waffen werfen präparierte Glühbirnen mit nicht pathogenen Mikroorganismen im New Yorker U-Bahn-Netz aus dem Zug.
1979: Bei einem Unfall mit Milzbrand-Bakterien im russischen Ort Swerdlowsk (heute: Jekaterinenburg) werden über 100 Menschen getötet.
1995: Der Irak wird der Produktion von Biowaffen überführt. In Japan versprühen Anhänger der Aum-Sekte das Nervengas Sarin in der Tokioter U-Bahn.
...
Krisenmanagement in Österreich
Im Falle einer österreichweiten Bedrohung übernimmt die "Gruppe staatliches Krisenmanagement und internationale Katastrophen" im Bundeskanzleramt eine zentrale Koordinations- und Informationsfunktion.

Für regional begrenzte Katastrophen wie Lawinenabgänge ist deren Bekämpfung Aufgabe von Ländern und Gemeinden. Die jeweils bundeslandspezifischen detaillierte Alarm- und Katastrophenpläne berücksichtigen lokale Gegebenheiten wie die geografische Lage und die Infrastruktur des betroffenen Areals.
Die ABC-Abwehrtruppen
Wenn die Bewältigung von Katastrophen wie auch bei einer Bedrohung durch ABC-Waffen (Atom-, Biologische, Chemische Waffen) die Kapazitäten und Möglichkeiten anderer Einsatzorganisationen (z.B. Feuerwehr) übersteigt, dann kommen Spezialtruppen des Bundesheeres zum Einsatz: die ABC-Abwehrtruppen.

"In jedem Bundesland gibt es eine ABC-Abwehrtruppe, die Stoffe feststellen, dekontaminieren und wenn notwenig entsprechende Maßnahmen einleiten kann", beschreibt Oberstleutnant Harald Marhold den umfassenden Tätigkeitsbereich dieser Truppe.
...
Einsatzmöglichkeiten
Bewährt haben sich die ABC-Abwehrtruppen in Österreich bisher bei Hochwassereinsätzen, Brückeneinstürzen, Sturmkatastrophen, Gefahrenguttransporten, Lawinenabgängen und Tunnelkatastrophen.
->   Mehr zur ABC-Abwehr in Österreich
...
Krisenfall Kontamination von Trinkwasser
In Österreich ist es zum Beispiel relativ rasch möglich, bei Bedarf eine alternative Trinkwasserversorgung aus anderen Bundesländern, Quellen oder Seen zu gewährleisten.

"Darüber hinaus können Spezialeinheiten im Falle einer Kontaminierung Trinkwasser frisch aufbereiten", erläutert Marhold.

Von Christoph Leprich und Martina Weigl, Ö1-Radiodoktor.
Radiodoktor-Sendung zum Thema
Mehr zum Thema "Biologische und chemische Waffen" können Sie in der Sendung "Der Radiodoktor" am Montag, 15.10.2001, um 14.05 Uhr in Ö1 erfahren.
Mehr zum Thema Biowaffen in science.orf.at:
->   Biowaffen: Neue Generation von Unheilbringern?
->   Biotechnologie als Biowaffen-Produzent
->   ORF ON News: Anthrax-Fälle in den USA - ein Terrorakt?
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit .  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010