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Wiener Wissenschaftler: Zellen täuschen sich selbst  
  Damit Zellen ihre Aufgaben erfüllen, müssen eigentlich bestimmte Proteine von außerhalb der Zelle durch Botenstoffe aktiviert werden. Wiener Wissenschaftler haben nun entdeckt, dass Zellen auch selbst innerhalb ihrer Hülle Proteine aktivieren können und sich damit sozusagen ein Signal von außen vortäuschen.  
Der Molekularbiologe Jürgen Knoblich und sein Mitarbeiter Matthias Schäfer vom Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien untersuchen eigentlich die Entwicklung des Nervensystems bei der Fruchtfliege.
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Veröffentlichung in "Cell"
Die Entdeckung der beiden Wissenschaftler wird in in der am Freitag erscheinenden Ausgabe des Fachmagazins "Cell" als Titelstory veröffentlicht.
->   "Cell" (kostenpflichtig)
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Zellteilung asymmetrisch
Konkret geht es dem Forscherteam um die so genannte asymmetrische Zellteilung: Denn aus einer Zelle, die sich teilt, entwickeln sich mitunter zwei verschiedene Tochterzellen.
Ergebnis: Zwei verschiedene Zelltypen
So konnte das Forscherteam beobachten, dass sich bei der Fruchtfliege während einer Zellteilung aus einer Nerven-Stammzelle sowohl eine weitere Stammzelle sowie eine spezialisierte Nervenzelle entwickelten.

Dieser Vorgang ist schon seit längerem bekannt und läuft beim Menschen vermutlich ähnlich ab. Doch wie genau der Mechanismus funktioniert, war bisher nicht geklärt.
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"Wissenschaftsstar" Fruchtfliege
Die Fruchtfliege (Drosophila melanogaster) leistet immer wieder einen wichtigen Beitrag in der Grundlagenforschung: So hat sie mehrere fundamentale Erkenntnisse - etwa die Entdeckung der Homeo-Box-Gene - ermöglicht und gilt als "Haustier" der Genetiker. Auch bei den Versuchen zum Verständnis der Geruchsverarbeitung hat die Fruchtfliege Modellcharakter. Im Februar dieses Jahres schließlich wurde ihr Gencode, die Erbgut-Sequenzierung der Drosophila melanogaster, entschlüsselt.
->   Mehr zu Fruchtfliegen
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Zelle selbst aktiviert Proteine
Dabei stießen die Molekularbiologen auf eine überraschende Entdeckung: Sie beobachteten, dass vor einer solchen asymmetrischen Zellteilung die Zelle selbst innerhalb ihrer Hülle bestimmte Protein aktivierte, und zwar nur auf einer Seite.

Diese einseitige Aktivierung der Eiweißstoffe, der so genannten G-Proteine, führt dann bei der Zellteilung dazu, dass sich die beiden Seiten der Zelle zu unterschiedlichen Tochterzellen entwickeln.

Bisher jedoch hatte man angenommen, dass G-Proteine nur durch Signale von außen angeschaltet werden können.
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Zellen und G-Proteine
Als kleinste selbständige Einheiten unseres Körpers sind ungefähr 100 Billionen Zellen in unterschiedlichen Funktionen aktiv. Die Arbeitsanleitung jeder Zelle steckt in den Genen des Zellkerns.

Damit aus der ungeheuren Menge von Zellen ein Organismus werden kann, müssen auch untereinander laufend Informationen ausgetauscht werden. Alle Zellen stehen daher mit ihrer Umwelt in Kontakt und können Signale aufnehmen und verarbeiten.

Diese Signale, zum Beispiel Hormone oder die verschiedenen Botenstoffe des Gehirns, werden von speziell dazu passenden Empfängermolekülen (den Rezeptoren) an der Zelloberfläche empfangen und lösen in der Folge eine Kaskade an weiteren Reaktionen aus.

Einer der wichtigsten ¿Schalter¿ in dieser Reaktionskette sind die schon länger bekannten G-Proteine, die an der Innenseite der Zellhülle lokalisiert sind.
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Interesse der Pharmaindustrie
Die Entdeckung wird auch in der Pharmaindustrie großes Interesse auslösen, ist sich Jürgen Knoblich sicher. Denn etwa 60 Prozent aller Medikamente entfalten ihre Wirkung genau dadurch, dass sie mit G-Proteinen gekoppelte Rezeptoren beeinflussen und somit in Signalübertragungswege eingreifen.
Neue Medikamente, die G-Proteine direkt aktivieren?
Mit den neuen Erkenntnissen könnte man in Zukunft Medikamente entwickeln, die G-Proteine direkt aktivieren und damit die Zelle mit ihren eigenen Mitteln täuschen.

Bei bestimmten Krankheiten etwa funktioniert die medikamentöse Aktivierung von außerhalb nämlich nicht. Allerdings sei es viel zu früh, schon jetzt bei etwa Betroffenen Hoffnungen zu wecken, erklärte Knoblich gegenüber science.orf.at.
Zurückhaltung bei Medikamenten für Schwangere
Dafür unterstreicht er allerdings eine Tatsache, die an sich schon bekannt ist und sich durch seine Studien einmal mehr als richtig und wichtig herausgestellt hat: Die große Zurückhaltung, mit der Medikamente bei schwangeren Frauen eingesetzt werden, sei durchaus gerechtfertigt.

Denn die Rolle der G-Proteine ist äußerst vielschichtig und es ist nicht auszuschließen, dass sie durch eine Therapie unbeabsichtigt aktiviert werden und in der Folge die Entwicklung des embryonalen Gehirns empfindlich stören.
->   IMP
 
 
 
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01.01.2010