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Anhaltende Debatte um Tobin-Steuer  
  Die Debatte um die so genannte Tobin-Steuer beschäftigt trotz großen Zweifeln an ihrer weltweiten Durchsetzbarkeit nach wie vor Ökonomen und Politiker. Insbesondere auf der EU-politischen Ebene erfährt sie zur Zeit eine beachtliche Resonanz.  
Ein "bisschen" Umverteilung gefordert
Wenn Spekulanten mit Devisengeschäften Milliardensummen verdienen, sollen die Entwicklungsländer davon wenigstens ein bisschen abbekommen - so lautet die inzwischen wohl wichtigste Forderung der Globalisierungskritiker.

Intensiv wirbt z.B. die Protestbewegung "Attac" (Vereinigung für eine Besteuerung von Finanztransaktionen zum Wohle der BürgerInnen) für die so genannte Tobin-Steuer.

Beim internationalen "Attac"-Kongress an diesem Wochenende in Berlin soll der Jahrzehnte alte Vorschlag des US-Ökonomen James Tobin intensiv diskutiert werden.
->   Kongress der internationalen Attac-Bewegung
Stabilere Wechselkurse durch Besteuerung von Devisen
Eine Steuer auf Devisengeschäfte könnte für stabilere Wechselkurse sorgen, schlug der spätere Wirtschafts-Nobelpreisträger Tobin vor knapp 30 Jahren vor.

Damals war das Bretton-Woods-System fester Devisenkurse zusammengebrochen, Währungsspekulationen waren an der Tagesordnung.

In den folgenden Jahren brachten gezielte Spekulationen ganze Volkswirtschaften an den Rand des Bankrotts. Die internationalen Organisationen waren gegen Finanzkrisen wie in Asien und Lateinamerika zumeist machtlos.
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Tobin-Steuer
Tobin schlug vor, alle grenzüberschreitenden Transaktionen auf den Devisenmärkten mit einer geringfügigen Steuer zu belegen, um kurzfristige spekulative Geschäfte zu verteuern und dadurch zu verringern. Es wird geschätzt, dass schon eine Besteuerung in Höhe von 0,05 Prozent über 100 Milliarden Dollar jährlich einbringen würde. Damit die Steuer umgesetzt werden kann, müsste sie jedoch weltweit eingeführt werden.
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Devisenspekulationen weniger attraktiv machen
Die Tobin-Steuer könnte also Devisenspekulationen verteuern und damit weniger attraktiv machen. Bei täglichen Umsätzen von Tausenden Milliarden Dollar blieben zudem selbst bei geringen Steuersätzen jährliche Einnahmen in Milliardenhöhe hängen.

Diese könnten in die Entwicklungshilfe für jene Länder fließen, die bislang zu den Verlierern der Globalisierung zählen.
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Höhe der geforderten Steuer umstritten
Umstritten ist aber auch die Höhe der geplanten Steuer. Zwischen 0,03 und einem Prozent könnten auf jede Transaktion aufgeschlagen werden, so die bisherigen Vorschläge.

Möglich wären aus Sicht von "Attac" unterschiedliche Sätze auf Ein- und Ausfuhren von Kapital: 0,1 Prozent für Importe in die EU, 1,0 Prozent für Exporte.
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Mächtige angelsächsische Finanzwelt dagegen
Vor allem die mächtige angelsächsische Finanzwelt hält dagegen: Selbst geringe Sätze würden die gewaltigen Kapitalflüsse über Gebühr bremsen. Rund die Hälfte des Geldes in der ganzen Welt läuft bislang über die Finanzplätze London und New York.
Deutschland und Frankreich prinzipiell dafür
Deutschland und Frankreich stellen sich zwar grundsätzlich hinter das Ziel stabilerer Wechselkurse, sehen eine Tobin-Steuer aber als unpraktikabel an.

Wenn die Abgabe wirken solle, müsste sie an allen großen Finanzplätzen rund um den Globus umgesetzt werden, argumentieren sie. Anderenfalls würden die Investoren eben auf die günstigsten Plätze ausweichen.
EU als erste Tobin-Zone?
"Attac" will dies nicht gelten lassen: Notfalls solle die Europäische Union die Steuer eben im Alleingang einführen, sagt der Finanzexperte der Organisation Peter Wahl.

Inzwischen haben die EU-Finanzminister bei der Europäischen Kommission eine Machbarkeitsstudie zur Tobin-Steuer in Auftrag gegeben, nachdem 42 Europaparlamentarier im September in einem offenen Brief an die Finanzminister gefordert hatten, dass Europa die "erste Tobin-Zone" werde.
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Knapp 50 Prozent der Devisentransaktionen in EU
In dem Brief der Abgeordneten heißt es unter anderem, dass knapp 50 Prozent der internationalen Devisentransaktionen innerhalb der Europäischen Union durchgeführt werden.
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Der Euro als Problemlösung?
Der für den Binnenhandel zuständige Europakommissar Frits Bolkenstein sieht das Problem der spekulativen Finanzströme mit der Einführung der Einheitswährung in der EU teilweise gelöst.

"Wir haben jede spekulative Bewegung auf unsere Währungen verboten", argumentierte Bolkenstein in einem Interview für die französische Tageszeitung "Liberation" anläßlich des Briefes der Parlamentarier.
Nur eine weltweite Devisensteuer sinnvoll
Eine Devisensteuer könne nur auf weltweiter Ebene eingeführt werden, da ansonsten eine Kapitalflucht in jene Länder zu befürchten sei, in denen sie nicht eingeführt wurde, so Bolkenstein weiter.
Mehr zur Tobin-Steuer in science.orf.at:
->   Tobin-Steuer als Initiative der EU?
 
 
 
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01.01.2010