News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Kosmos 
 
Tycho Brahe erschütterte das Weltbild  
  Er war extravagant, lebte unkonventionell und erschütterte das Weltbild seiner Zeitgenossen: Der dänische Astronom Tycho Brahe legte mit seinen präzisen Himmelsbeobachtungen nicht nur einen Grundstein der modernen Astronomie. Er entzog damit zugleich der im 16. Jahrhundert vorherrschenden Lehre von einem unveränderlichen Kosmos das Fundament. Vor 400 Jahren, am 24. Oktober 1601, starb Brahe 55-jährig in Benatky bei Prag.  
Sein Lebenswerk hat der pedantische Astronom zwar nie veröffentlicht, doch der Nachwelt hinterließ er Himmelsbeobachtungen von zuvor unerreichter Genauigkeit, auf denen etwa Johannes Kepler seine berühmten Gesetze über die Planetenbahnen gründete.
Von Jus zum Studium der Sterne ...
Als Sohn eines Geheimrats war der in Knudstrup (Schonen) geborene Tycho Brahe schon als Kleinstkind in die Obhut seiner Verwandschaft gekommen. Ein gut situierter Onkel finanzierte das Jus-Studium. Mehrere bedeutende Naturereignisse sollten den Studenten jedoch in der Folge zur Astronomie führen.
...
Am Anfang stand eine Sonnenfinsternis
Die Sonnenfinsternis vom 21. August 1560, die Brahe als 13-Jähriger beobachtete, begeisterte ihn für die Astronomie. Fortan widmete er sich nachts den Sternen und tagsüber den Vorlesungen. Mit 16 Jahren machte Brahe seine ersten dokumentierenden Beobachtungen, mit denen er Voraussagen der kopernikanischen Tafel um mehrere Tage korrigierte.
...
Vermeintlicher Stern ...
Zu internationalem Ansehen verhalf dem jungen Astronom schließlich seine Entdeckung eines vermeintlich neuen Sterns in der Konstellation Cassiopeia am 11. November 1572.
... war eine Supernova
In Wahrheit hatte Brahe die gleißende Explosion einer sterbenden Sonne beobachtet, eine Supernova. Der vermeintliche "neue Stern" am für unveränderlich gehaltenen Firmament war für 18 Monate zu beobachten und erschütterte das Bild von der perfekten Harmonie der Himmelssphären gründlich. Seine Veröffentlichung darüber brachten dem damals 26-Jährigen europaweiten Ruhm.

Er beschrieb das Phänomen in seinem Werk "De Nova Stella", erschienen 1573. Später folgte "Astronomiae Instauratae Progymnasmata", Brahes zweites Buch über den neuen Stern, das erst nach seinem Tod erschien.
...

Das Weltbild Tycho Brahes
Das damals allgemein geltende Weltbild, das so genannte Geozentrische System, war von Aristoteles formuliert und von Ptolemäus rund fünfhundert Jahre später bestätigt worden. Diesem zufolge steht die Erde unbeweglich im Zentrum des Universums, Sonne, Mond und Planeten sind starr in einer Kristallsphäre angeordnet, die sich wiederum um die Erde drehte. Kopernikus schließlich stellte die Theorie auf, dass die Sonne sich im Mittelpunkt eines Systems befinde, in dem die Erde ein Planet unter anderen sei.

Brahe ging noch einen Schritt weiter: er konstruierte sein eigenes "Tychonisches Weltbild", in dem die Erde weiterhin das Zentrum bildete, aber keine Kristallsphäre mehr existierte, und gewisse Planeten statt um die Erde um die Sonne kreisten. In dem Werk "De Mundi Aetherei Recentioribus Phaenomenis" stellte Brahe sein Weltbild 1588 vor.
...
Ein eigenes Observatorium für Brahe
Der dänische König Frederik II. überließ Brahe drei Jahre später die Insel Ven im Sund zwischen Dänemark und Schweden. Dort erbaute Brahe sein Observatorium Uranienburg, benannt nach der Muse der Astronomie.
Lebenswerk: Beobachtung der Fixsterne

Tycho Brahe in seinem Observatorium
Auf Uranienburg, das dank der von Brahe selbst entworfenen Instrumente zu einem der wichtigsten europäischen Observatorien seiner Zeit wurde, begann er sein eigentliches Lebenswerk, die Präzisionsbeobachtung der Fixsterne.

Mit mehr als 777 exakten Sternpositionen hatte er schließlich den ersten Sternenkatalog der modernen Astronomie zusammengetragen, den er jedoch nicht mehr veröffentlichte.

Auf dieser Grundlage maß er auch die Stellung von Sonne, Mond, Planeten und mehrerer Kometen, die - nach seiner mit einem selbst entdeckten Schweifstern neu gewonnenen Erfahrung - nicht in der Erdatmosphäre, sondern außerhalb angesiedelt waren.
...
Brahes Kometen-Beobachtung
Brahe vermaß 1577 die Parallaxe eines Kometen und konnte beweisen, dass dieser sich weiter entfernt befand als der Mond. Damit war Aristoteles widerlegt, der noch gelehrt hatte, dass Kometen Phänomene der Atmosphäre seien.
...
Obwohl Brahe mit Frederik II. freundschaftlich verbunden war, hegte er vermutlich kein großes Interesse am höfischen Leben seiner Zeit. Mit Frederiks Nachfolger Christian IV. überwarf sich der Astronom schließlich und verlor die Förderung für sein Observatorium.
...
Bild: APA
Ein "bunter Charakter"
Brahe war, wenn man den Überlieferungen glaubt, ein recht "bunter Charakter": Der adelige Astronom trat gerne extravagant auf, ließ seine Umgebung stets pompös einrichten, heiratete aber schließlich eine Bauerntochter und sorgte so für einen Skandal in Adelskreisen. Er galt als jähzornig und streitsüchtig. So heißt es unter anderem, er habe einen Mitstudenten zu einem Duell über die Frage, wer der bessere Mathematiker sei, aufgefordert und dabei einen Teil seiner Nase verloren. Auf der nebenstehenden Abbildung ist das "Silberimplantat" zu erkennen, das diesen Mangel beheben sollte und das er Zeit seines Lebens trug. Auch die ihm als Gutsherr unterstehenden Pächter soll er nicht eben zuvorkommend behandelt haben. Diese beklagten sich häufig beim König über ihn.
...
Über Umwegen nach Prag
Im Zwist mit Kirche, König und Adel verließ Brahe schließlich Dänemark und kam über Umwege 1599 nach Prag zu Kaiser Rudolf II., an dessen Hof er als Astronom und Mathematiker arbeitete.

Kurz vor seinem Tod holte Brahe den später berühmten Johannes Kepler als Schüler und Assistent nach Prag, der nach dem Tod seines Lehrmeisters in den Besitz aller von diesem gesammelten Beobachtungsdaten gelangte.
->   Johannes Kepler
...
Wie starb Tycho Brahe?
Die Ursache seines Todes stand immer wieder im Mittelpunkt von Spekulationen. Laut Überlieferung starb er, nachdem er an einem Festmahl teilgenommen hatte und dort, trotz eines "starken Bedürfnisses, Harn zu lassen", aus Höflichkeit sitzen blieb. In Folge bekam Brahe Fieber und starb schließlich am 24. Oktober. Möglicherweise war die Ursache seines Todes tatsächlich eine Harnblaseninfektion. Spätere Haaranalysen ergaben allerdings einen hohen Quecksilbergehalt in Brahes Körper. Manche vermuteten danach, der Astronom sei vergiftet worden. Doch da Brahe selbst auch an Arzneien forschte - unter anderem sind ein Mittel gegen Epilepsie sowie ein Pestelexier überliefert, könnte er sich ebenso gut selbst vergiftet haben, da Quecksilber zu dieser Zeit ein häufiger Bestandteil von Arzneien war.
...
"Möge ich nicht vergebens gelebt haben"
Kepler schließlich hat auch die letzten Worte seines Lehrmeisters festgehalten, die dieser im Fieberdelirium wiederholt ausgestoßen haben soll: "Möge ich nicht vergebens gelebt haben."
Tycho Brahe im WWW:
->   Brahes Autobiografie aus den "Astronomiae Instauratae Mechanica" (englisch)
->   www.tychobrahe.com
->   Ausführliche Biografie mit Literaturtipps (englisch)
->   Informationen zu Brahes Werken
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Kosmos 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010